Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin 2023 weiter gesunken
Die Menge der in Deutschland an die Tiermedizin abgegebenen Antibiotika ist laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Jahr 2023 noch einmal leicht um 2,1 % gesunken. Im Vergleich zu 2011, dem ersten Jahr der Erfassung, bedeutet dies einen Rückgang der insgesamt abgegebenen Antibiotikamenge um 69 %.
ISN: Die erneut rückläufigen Antibiotikaabgabemengen untermauern einmal mehr die auch in den Antibiotikadatenbanken sichtbaren Rückgänge der Einsatzmengen. Das ist eine besonders starke Leistung der Tierhalter und deren Hoftierärzten, denn die haben die Einsatzmengen je Tier gerade in der Schweinehaltung drastisch senken können. An dieser Stelle ist die Luft für eine weitere Minimierung inzwischen zunehmend dünner und könnte zu Lasten des Tierschutzes gehen.
Die Gesamtmenge der in Deutschland von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärzte abgegebenen Antibiotika ist im Jahr 2023 um 11 Tonnen (-2,1 %) gesunken. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden insgesamt 529 Tonnen Antibiotika an die Tierärzteschaft und weitere Empfänger abgegeben. Betrachtet man den Zeitraum seit Beginn der Erfassung im Jahr 2011, ist die abgegebene Antibiotikamenge um 69 % gesunken.
Kritische Antibiotika deutlich rückläufig
Von den im Jahr 2023 insgesamt 529 Tonnen (t) abgegebenen Antibiotika entfallen wie in den Vorjahren die größten Mengen auf Penicilline (206 t) und Tetrazykline (104 t). Es folgen Sulfonamide (57 t), Makrolide (51 t), Aminoglykoside (36 t) und Polypeptidantibiotika (33 t).
Von den Antibiotika, welche von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Wirkstoffe mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen (Highest Priority Critically Important Antimicrobials for Human Medicine) eingestuft werden, sind für die Cephalosporine der 3. und 4. Generation (0,8 t; -24,4 %) und Polypeptidantibiotika (Colistin; 33 t; -24,7 %) deutlich geringere Mengen abgegeben worden als im Vorjahr. Für die Fluorchinolone kam es im Vergleich zum Vorjahr zu einem leichten Anstieg der gemeldeten Abgabemengen um 0,1 t (+2,2%).
Farm-to-Fork Strategie: Antibiotikaeinsatz bis 2030 halbieren
Entsprechend der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission soll der Antibiotikaeinsatz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zwischen 2018 und 2030 europaweit halbiert werden. In Deutschland konnten die Verkäufe von Antibiotika in der Tiermedizin in den Jahren 2018 bis 2023 bereits um 27 % reduziert werden.
Die gemeldeten Wirkstoffmengen lassen sich einzelnen Tierarten nicht zuordnen, da die Mehrzahl der Tierarzneimittel, welche diese Wirkstoffe enthalten, für die Anwendung bei verschiedenen Tierarten zugelassen ist.
Die ISN meint:
Die regelmäßigen BVL-Veröffentlichungen belegen, dass der Antibiotikaeinsatz in der deutschen Tierhaltung in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist und immer noch weiter zurückgeht. Dieser Abgaberückgang passt zu den regelmäßigen Auswertungsergebnissen der staatlichen Antibiotika-Datenbank sowie der QS-Antibiotika-Datenbank. Hinter den Reduzierungen stehen sehr komplexe Hygiene- und Tiergesundheitskonzepte in den landwirtschaftlichen Betrieben.
Bei Betrachtung der Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die BVL-Daten nicht direkt mit den Daten aus der staatlichen Antibiotikadatenbank bzw. QS-Antibiotikadatenbank vergleichbar sind. Während diese Antibiotikadatenbanken eine tierartspezifische Aufteilung berücksichtigen, umfassen die BVL-Zahlen die Antibiotika-Abgabe an alle Nutztiere, Pferde und auch Haus- und Kleintiere. So ist eine Differenzierung zwischen Nutz- und Heimtieren in der BVL-Auswertung nicht möglich und natürlich hat der Rückgang der absoluten Antibiotikamengen auch mit den gleichzeitig rückläufigen Tierzahlen zu tun. Das schmälert aber nicht die starke Leistung der Tierhalter und deren Hoftierärzten, denn es ist vielfach belegt, dass die Einsatzmengen je Tier gerade in der Schweinehaltung drastisch senken können. An dieser Stelle ist die Luft für eine weitere Minimierung inzwischen zunehmend dünner und könnte zu Lasten des Tierschutzes gehen.
Außerdem ist zu beachten, dass die BVL-Zahlen bzgl. der regionalen Verteilung der Antibiotika-Abgabe wenig aussagekräftig sind.
Bei den BVL-Daten wird lediglich erfasst, in welcher Postleitzahlregion die Tierarztpraxis liegt, an die das Antibiotika verkauft wurde, nicht jedoch, in welcher Region die tierhaltenden Betriebe liegen.
In den Veredlungsregionen in Weser-Ems und im nördlichen Nordrhein-Westfalen gibt es zwar eine große Anzahl von Nutztieren, gleichzeitig gibt es in diesen Regionen jedoch auch viele große Tierarztpraxen, deren Kundenkreis auch in andere angrenzende Gebiete reicht. Daher entsteht hier nur ein stark verzerrtes Bild der regionalen Verteilung.