Mission erfüllt
- Agrarminister Christian Meyer sieht Ziele des Niedersächsischen Tierschutzplans erreicht - ISN nicht
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer ist im Wahlkampfmodus – wen wundert es da, dass seine heute in Hannover gezogene Bilanz seiner Amtszeit und des Tierschutzplans Niedersachsen mehr als positiv ausfällt. Meyer sieht die Ziele des Tierschutzplans unter der rot-grünen Landesregierung nahezu vollständig umgesetzt und spricht von einer Blaupause für eine nationale Nutztierstrategie. Die ISN sieht den Tierschutzplan zwar auch als kopierwürdiges
Format an, kommt bei der Zwischenbilanz der abgearbeiteten Themen aber zu einem anderen Ergebnis: Mission erfüllt? Noch lange nicht!
Niedersachsen Tierschutzland Nr.1 in Deutschland
Mission erfüllt
, so lautet der erste Satz einer heute veröffentlichten Pressemitteilung aus dem Landwirtschaftsministerium in Hannover. Mit der Umsetzung der Ziele und zeitlichen Fristen des Tierschutzplans habe sich Niedersachsen zum Tierschutzland Nr.1 entwickelt, wird Minister Meyer zitiert. Der Ausbau der industriellen Massentierhaltung sei hingegen wirksam gestoppt worden. Minister Meyer bilanziert: Niedersachsen habe Pionierleistung für den Tierschutz erbracht – diese sei eine Blaupause für den Bund und Grundlage für eine notwendige nationale Nutztierstrategie.
Der Tierschutzplan habe gezeigt, dass bzw. wie es funktioniert.
Ringelschwanz- und Sauenprämie
Tierschutz gebe es nicht zum Nulltarif, so der Minister. Prämien oder faire Preise müssten die Landwirte, die sich für mehr Tierschutz einsetzen, entlohnen. Dafür sei in Niedersachsen ein Tierwohl-Topf aus EU-Mitteln in Höhe von rund 28 Millionen Euro geschaffen worden. Wie schon bei der ersten Präsentation der Ergebnisse im Dezember sah Minister Meyer die Ringelschwanzprämie für Mastschweine als äußerst erfolgreich an. In einer begleitenden Aufstellung zur Pressemeldung heißt es Vor-Ort-Kontrollen ergaben im Schnitt 93 % intakte Ringelschwänze und zeigen die Verzichtbarkeit des Eingriffs.
Für die kommende Förderperiode 2017/2018 habe man neben der bereits seit zwei Jahren gewährten Ringelschwanzprämie für Mastschweine auch eine Prämie für die Ferkelaufzucht mit Ringelschwanz
in Höhe von 5 Euro pro Tier geschaffen. Diese Prämie wurde laut Meyer für 183.000 Ferkel beantragt. Außerdem sei eine Sauenprämie ausgeschrieben worden – pro Sau werden 150 Euro ausgezahlt. Unter anderem ist hier die freie Abferkelung von Sauen vorgegeben. Die Sauenprämie wurde von 31 Betrieben (davon 19 konventionelle Betriebe) mit insgesamt etwa 3.800 Sauen beantragt.
Die ISN meint:
Um es im Fussballerjargon auszudrücken: Wir haben noch lange nicht fertig! Der Tierschutzplan wurde in der vorigen Legislaturperiode von dem damaligen CDU-Landwirtschaftsminister Gert Lindemann ins Leben gerufen - Minister Meyer hat diesen in der aktuellen Legislatur fortgeführt und die bestehenden Themen weiter voran getrieben. Dieser parteiübergreifende und nicht von einzelnen Wahlperioden abhängige Angang war und ist richtig. In jedem Fall hat sich über die Jahre gezeigt, wie wichtig es ist, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, Herausforderungen zu erkennen und Lösungen zu entwickeln. Miteinander statt übereinander reden ist immer besser, als das alleinige Regieren per Erlass.
Dass ein Landwirtschaftsminister im Wahlkampf zum Ende einer Amtsperiode eine positive Bilanz seiner Amtszeit zieht, ist wohl kaum verwunderlich. Dass er dabei an der einen oder anderen Stelle überzieht, auch nicht. Das Ergebnis, ob die Ziele nun erreicht wurden, ist sicherlich auch eine Frage der Zielsetzung. Beispielsweise ist der Bereich der Folgenabschätzung noch gänzlich unbearbeitet. Aus unserer Sicht wurden daher bislang nur einige Wegmarken in einem Marathonlauf erreicht. Beispielsweise sind inzwischen viele Erfahrungen in Sachen Kupierverzicht gemacht worden, auch die Erfahrung, dass ein Verzicht nicht durch das einfache Umlegen eines Schalters möglich ist. Anders als Minister Meyer es darstellt, ist hier noch ein ganzes Stück Weg vor uns. Die scheinbar positiven Erfolgsquoten aus der Ringelschwanzförderung sagen aus unserer Sicht unter den Bedingungen, wie sie ermittelt wurden, wenig über die tatsächliche Situation in den Betrieben aus. Um beim Marathon zu bleiben: schafft ein ambitionierter Laufanfänger unter ärztlicher Betreuung einen Kilometer auf dem Laufband im Fitnessstudio, lässt das noch keine Rückschlüsse zu, ob es auch für die Langstrecke alleine auf der Strasse reicht.
Zur Weiterentwicklung der Tierhaltung ist es unerlässlich, zügig aufbauend auf dem Erreichten die weiteren gemeinsamen Ziele zu definieren und konkrete Schritte einzuleiten. Diese Schritte praktikabel und leistbar zu gestalten, wird eine der zentralen Aufgaben der neuen Landesregierung sein – egal, welche Parteien dann am Ruder sind und welcher Minister dann den Staffelstab überreicht bekommt.