Aldi-Nachhaltigkeitsbericht: Tierwohl-Niveau über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus erhöhen
Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte veröffentlichen die Unternehmensgruppen ALDI Nord und ALDI SÜD jeweils einen Nachhaltigkeitsbericht.
Was steht drin und wie ist das Engagement der international agierenden Discounter aus Sicht der Schweinehalter zu bewerten?
Es klingt nach heiler und perfekter Welt, wenn Aldi über seine soziale und ökologische Verantwortung im Kerngeschäft sowie entlang der gesamten Wertschöpfungskette berichtet. Die Übernahme von Verantwortung gehört seit jeher zum Selbstverständnis von ALDI
, sagt Rayk Mende, Geschäftsführer Corporate Responsibility der Unternehmensgruppe ALDI Nord. Die Nachhaltigkeitsberichte sind ein Meilenstein und der Ausgangspunkt für den weiteren Dialog mit unseren Anspruchsgruppen.
Vorgaben, welche die Tierhalter direkt betreffen, führt Aldi unter den Bereich Tierwohl auf. Aldi-Nord z.B. will mit seiner Einkaufspolitik unterschiedlichen Erwartungen von Verbrauchern oder NGOs sowie den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben in den Ländern gerecht werden
. In Deutschland, den Niederlanden und Dänemark hat Aldi-Nord bereits Nationale Tierwohl-Einkaufspolitiken verabschiedet. In diesen Ländern wurde Thema Tierwohl in den vergangenen Jahren besonders intensiv diskutiert. Unsere Stakeholder stellen hier spezifische Anforderungen an uns
, heißt es im Bericht.
Folgende Vorgaben in der Tierwohl-Einkaufspolitik hat sich Aldi Nord auferlegt
:
- Mit unseren Tierwohl-Aktivitäten verfolgen wir das Ziel, das Tierwohl-Niveau über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus zu erhöhen. Dabei orientieren wir uns am wirtschaftlich und wissenschaftlich Machbaren.
- Wir verfolgen den stetigen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt und passen unsere Anforderungen entsprechend an.
- Wir beteiligen uns an der Erarbeitung und der stetigen Weiterentwicklung von Branchenstandards und engagieren uns in relevanten Tierwohl-Initiativen und Tierwohl-Netzwerken.
Darüber hinaus will Aldi Nord das Bewusstsein seiner Kunden für das Thema Tierwohl steigern und sie dabei unterstützen, Tierwohl-Aspekte bei dem täglichen Einkauf zu berücksichtigen.
Ein praktisches
Beispiel für die Umsetzung dieser doch recht allgemein gehaltenen Vorgaben, ist die Herangehensweise Aldi´s beim Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration. Aldi Nord hat - nach Aldi Süd (April 2015) und REWE (August 2015) - Anfang diesen Jahres angekündigt, ab 2017 Fleisch von kastrierten Schweinen ganz aus dem Sortiment zu nehmen. Wir setzen uns damit für die Ebermast ein
, erklärte das Unternehmen dazu. Das deutsche Tierschutzgesetz sieht ein Verbot der betäubungslosen Kastration ab 2019 vor.
Die ISN meint:
Man kann sich schon die Frage stellen, wer denn nun mehr Agrarpolitik macht: der Lebensmitteleinzelhandel oder die Politik?
Dass die Lebensmittelhändler schneller
als die Politik agieren wollen, ist aus Sicht der Marketingstrategen in den Unternehmen (Stichwort Differenzierung) sicherlich nachvollziehbar. Aber muss das auf dem Rücken der Landwirte ausgemacht werden? Der Einkaufspolitik steht aus Sicht der Tierhalter allzu oft die Preispolitik von Aldi entgegen. Mehr Tierwohl zum kleinsten Preis? Ist das wirtschaftlich und wissenschaftlich machbar? Eindeutig nicht!
Gerade das Beispiel Ebermast
zeigt, wie unausgegoren, bzw. wie Marketing orientiert die Ankündigungen aus dem deutschen Lebensmittelhandel sind. Zitat aus einer Pressemitteilung von Aldi zu diesem Thema: …Ab 2017 schließt ALDI Nord Deutschland den Handel mit Schweinefleisch von kastrierten Tieren aus und fördert damit die Ebermast.
Das ist sicherlich aller Ehren wert, aber wie sieht es mit den verarbeiteten Produkten wie der Wurst aus? Dazu findet man keine Aussage! Und das, obwohl bei der Verwendung von Eberfleisch in Verarbeitungsware ja bekanntlich die größten Herausforderungen liegen. Ohne Antworten für dieses wichtige Marktsegment zu haben, wird sich die Ebermast kaum durchsetzen können.
Hinzu kommt: In Deutschland ist der Verzicht auf die betäubungslose Ferkelkastration ab 2019 gesetzlich verankert. In anderen EU-Mitgliedsstaaten wie den Niederlanden oder Dänemark gibt es lediglich freiwillige Vereinbarungen. Wie hält es Aldi dann mit ausländischer Ware?
Fragen über Fragen! Die Probleme zu lösen wird noch einige Zeit dauern, darin sind sich alle Marktbeteiligten einig. Wie sinnvoll oder besser – aus Nachhaltigkeitssicht: wie verantwortungsvoll - ist es dann, die Frist für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration durch solche Ankündigungen künstlich um zwei Jahre zu verkürzen? Und warum fordert Aldi hier nicht zumindest parallel Lösungsvorschläge von den Fleischverarbeitern ein? Wie so oft wird die Rechnung ohne die deutschen Landwirte gemacht, die schon jetzt unter den stetig steigenden Kosten durch erhöhte Anforderungen und Auflagen ächzen. Das ist alles andere als nachhaltig und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tierhalter!