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UPDATE 16.09.22 - AMK: Schlachthöfe sollen zur Abnahme von Schweinen aus ASP-Restriktionsgebieten verpflichtet werden – ISN: Betroffene Landwirte brauchen finanzielle Hilfe statt einer Scheindebatte

UPDATE 16.09.2022
Inzwischen ist die Agrarministerkonferenz dem Antrag von Niedersachsen und Baden-Württemberg gefolgt, heißt es in einer heutigen Pressemitteilung des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Es werde nun geprüft, ob im Seuchenfall Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetriebe sowie Kühlhäuser vorgehalten werden, die Tiere aus der Restriktionszone abnehmen und weiterverarbeiten. Außerdem soll sich das BMEL bei der EU dafür einsetzen, dass die Frist von 90 Tagen reduziert werden kann, wenn es sich wie im Emsland um einen Punkteintrag handelt. Laut Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast gehöre auch die Vorgabe für die Behandlung von Fleisch auf den Prüfstand.
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Mit Blick auf die Engpässe bei der Schlachtung von Schweinen aus der Restriktionszone und deren Verarbeitung, die nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im Emsland aufgetreten sind, fordern Niedersachsen und Baden-Württemberg im Rahmen der aktuellen Amtschef- und Agrarministerkonferenz (AMK) den Bund dazu auf, Abnahmeverpflichtungen für Schlachtbetriebe zu prüfen.

ISN: Eine Scheindebatte! Die von ASP-Restriktionen betroffenen Schweinehalter dürfen finanziell nicht alleine im Regen stehen bleiben. Italien hat extra einen Hilfsfonds eingerichtet – warum geht das hierzulande nicht? Überzogenen Restriktionen und Sperrfristen müssen endlich praktikabel gestaltet werden.

 

Antrag: Schlachthöfe zur Abnahme verpflichten?

Gemäß dem von Niedersachsen und Baden-Württemberg gemeinsam eingebrachten Antrag zur aktuellen AMK in Quedlinburg soll der Bund prüfen, ob ein Vorhalten von Betrieben realisierbar ist, die sich dazu verpflichten, Tiere aus tierseuchenrechtlich eingerichteten Restriktionszonen zu schlachten, die Tierköper zu zerlegen sowie das von diesen Tieren gewonnene Fleisch zu verarbeiten oder zu lagern. Dabei müsse dafür Sorge getragen werden, dass der den Betrieben entstehende Mehraufwand abgegolten werde.

 

Vermarktungsmöglichkeiten problematisch

Nach dem ASP-Ausbruch in einem schweinehaltenden Betrieb in Niedersachsen gebe es eine massive Zurückhaltung der Wirtschaft, Tiere aus der Restriktionszone zu schlachten, heißt es in der Begründung des Beschlussvorschlages. Gründe dafür seien etwa die begrenzten Vermarktungsmöglichkeiten des Fleisches. Zudem wolle man bestehende Zulassungen für den Export in bestimmte Drittländer nicht gefährden. Daneben seien Schlachtung und Verarbeitung von Tieren aus ASP-Sperrzonen mit einem Mehraufwand verbunden. Sie resultierten aus einer zeitlichen Trennung von normalen Schlachtungen und Verarbeitungsvorgängen, einer getrennten Lagerung der Schlachterzeugnisse sowie risikomindernden Behandlungen. Diese Situation führe derzeit in Niedersachsen zu einer nicht kontinuierlichen und nicht hinreichenden Schlachtung von Schweinen aus der ASP-Restriktionszone. Als eine Konsequenz gerieten betroffene landwirtschaftliche Betriebe in eine ernste finanzielle Schieflage, da für die schlachtreifen Tiere keine ausreichenden oder gar keine Erlöse erzielt würden. Zudem könnten in den Betrieben möglicherweise tierschutzrechtliche Anforderungen in Bezug auf den Platzbedarf nicht mehr eingehalten werden.

 

Die ISN meint:

Der Antrag aus Niedersachsen und Baden-Württemberg macht deutlich, dass die politischen Akteure die eigentliche Problematik immer noch nicht richtig verstanden haben oder mit einer Scheindebatte davon ablenken wollen. Es muss doch neben der Frage des Seuchen- und Tierschutzes in erster Linie darum gehen, dass die durch die staatlichen Maßnahmen vollkommen unverschuldet in Not geratenen Schweinehalter in den Restriktionsgebieten finanziell nicht alleine im Regen stehen bleiben, machte ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack heute den anwesenden Landes- und Bundesvertretern im Verbändegespräch anlässlich der AMK in Quedlinburg deutlich. Er erläuterte: Der Bund und das jeweilige Bundesland stehen hier in der Verantwortung, auch wenn es nur um die Umsetzung der EU-Vorgaben geht. In anderen EU-Staaten, wie z.B. in Italien wurde extra dafür ein entsprechender Fonds eingerichtet, mit dem die durch ASP-Restriktionen in der Lieferkette entstehenden Schäden abgepuffert werden sollen – und der Hauptteil soll dabei richtigerweise den betroffenen Schweinehaltern zugutekommen. Warum wird ein solches Modell nicht auch in Deutschland eingerichtet?

Dass Niedersachsen und Baden-Württemberg stattdessen die staatliche Verantwortung für die wirtschaftlichen Schäden auf die Wirtschaft abzuschieben wollen, ist viel zu kurz gesprungen. Die Verpflichtung der Schlachtunternehmen zur Abnahme löst das Problem überhaupt nicht – damit ist das Absatzproblem für das zu behandelnde (i.d.R. bei 80 °C Kerntemperatur erhitzte) Fleisch immer noch nicht gegeben – und die betroffenen Schweinehalter gehen trotzdem finanziell leer aus. Was soll das Vorhalten von Schlachtkapazitäten in Zeiten des starken strukturellen Rückgangs der Erzeugung überhaupt bringen? Und wo sind die freien Schlachtkapazitäten dann vorzuhalten? Viel wirkungsvoller wäre es u.a., die Gefährdung der Exportzulassungen einzelner Schlachtstandorte oder weiterer Lieferkettenglieder, die durch die Schlachtung von Tieren aus den Restriktionsgebieten oder der weiteren Verarbeitung des Fleisches entstehen könnten, vorbeugend mit staatlicher Unterstützung auszuschließen.

Das eigentliche Problem sind aber die staatlicherseits auferlegten Vorgaben hinsichtlich der Dauer der Restriktionen und der Behandlung des Fleisches. Und genau hier muss die Politik ansetzen und sich mit aller Macht für praktikable Lösungen bei der EU einsetzen. Das wird den aktuell betroffenen Betrieben u.a. in Niedersachsen zwar nicht mehr helfen, ist aber ganz entscheidend für zukünftige Fälle. Denn praktikable Lösungen und kürzere Sperrfristen würden das durch die staatlichen Maßnahmen auftretende Vermarktungsproblem drastisch entschärfen, ohne irgendwelche zusätzlichen Risiken eingehen zu müssen. Es geht um Schadensminimierung. Denn es ist doch nicht nachvollziehbar, warum die EU einer Fristverkürzung (im Falle des Restriktionsgebietes in Niedersachsens) auf 30 Tage nicht zugestimmt hat, obwohl auch zu dem Zeitpunkt ohne weitere Fälle die Inkubationszeit schon mehrfach vorbei war und auch in einer Vielzahl Untersuchungen keine ASP nachgewiesen werden konnte. Was bringen die scharfen Restriktionen, wenn sie nicht zur Verkürzung der Restriktionsdauer führen? So oder so sind die völlig überzogenen Behandlungsmaßnahmen für das Fleisch das eigentliche Hauptübel, dass das Fleisch so gut wie gar nicht vermarktbar ist. Diese sind aus unserer Sicht fachlich nicht zu halten und müssen schnellstens angepasst werden.


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