Heißes Eisen Antibiotikaeinsatz – Antworten auf kritische Verbraucherfragen
Wer Antibiotika
und Nutztiere
in einem Atemzug nennt, der weckt Diskussionsbedarf. Selbst der völlig legale, dem Tierschutz entsprechende Antibiotikaeinsatz löst Irritationen aus. Aufklärung ist gefragt. Deshalb hat das QS-Tierarztmagazin Zum Hofe
einige kritische Verbraucherfragen gesammelt und gemeinsam mit Heiko Färber, Geschäftsführer des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte (bpt) beantwortet. Die Antworten auf die Frequently Asked Questions
(FAQs) sind nicht nur für Hoftierärzte interessant und hilfreich.
Insbesondere die Antworten rund um das Thema Reserveantibiotika sind lesenwert:
FAQ: Warum können wir Reserveantibiotika in Ställen nicht einfach verbieten?
Weil das nicht so einfach ist. Neben rechtlichen und tierethischen Rahmenbedingungen spricht beispielsweise die biologische Resistenzentwicklung dagegen: Würden wir beispielsweise die betreffenden Wirkstoffe in der Tiermedizin verbieten, müsste sich die Therapie auf wenige, dann noch vorhandene Substanzen konzentrieren, was wiederum die Resistenzsituation unweigerlich verschärfen würde. Nutztierhalter, die häufiger Präparate mit kritischen Wirkstoffen einsetzen, erhalten übrigens regelmäßig Rückmeldung aus dem QS-Antibiotikamonitoring: Ein betriebsindividueller Therapieindex hält den jeweiligen Verbrauch von Reserveantibiotika fest.
FAQ: Wie wird der Einsatz von Reserveantibiotika in der deutschen Tiermedizin zukünftig geregelt sein?
Im Februar verabschiedete der deutsche Bundesrat die neue Tierärztliche Hausapothekenverordnung
(TÄHAV). Die tiermedizinisch relevanten Reserveantibiotika werden nun einem Umwidmungsverbot (keinem Anwendungsverbot) unterliegen, sie dürfen also nur noch nach Packungsbeilage verabreicht werden. Zudem ist vor der Abgabe ein Antibiogramm anzufertigen, um den Erreger festzustellen. Seitens der Tierärzteschaft sehen wir dies positiv, aber auch kritisch: Denn zum einen kann ein Antibiogramm nicht alle Erreger nachweisen, zum anderen führen Antibiogramme oft zu unterschiedlichen Aussagen
, erklärt Färber. Den finanziellen Mehraufwand für die neu geforderten Antibiogramme beziffert der bpt auf 30 bis 40 Millionen Euro, sie sind von den Tierhaltern zu leisten. Wobei ein Antibiogramm nur ein Parameter innerhalb der Diagnoseerstellung ist. Es ist nicht die Diagnose! Die macht immer noch der Tierarzt.
Kopfzerbrechen bereitet Färber auch der vermehrte Dokumentationsaufwand, der mit der neuen TÄHAV auf die Tierärzte zukommt: Der Einsatz kritischer Wirkstoffe wird zukünftig zwar nicht eingeschränkt, aber deutlich komplizierter. Verbunden mit einer Rechtsunsicherheit für die Tierärzte.
So sollen sie, beispielsweise, die Anzahl der Wirktage eines Präparats angeben, besitzen dafür aber keine sachliche Grundlage seitens Pharmaindustrie, Bund oder Ländern (gilt für alle Antibiotika).
FAQ: Wie viel Antibiotika verbrauchen andere Länder? Wie gehen sie mit der Resistenzproblematik um?
Der Einsatz von Antibiotika explodiert international
, erklärt Färber geradeheraus; auch kritische Wirkstoffe seien davon nicht ausgenommen. Schätzungen gehen von einem zukünftigen Jahresverbrauch von 160.000 bis 240.000 Tonnen weltweit aus.
Zum Vergleich: 742 Tonnen wurden in Deutschland im Jahr 2016 an sämtliche Nutz- und Heimtiere abgegeben (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, DIMDI-Zahlen). Der größte Antibiotikaverbraucher der Welt ist China, gefolgt von den USA, Brasilien und Indien. Resistenzen sind ein globales Problem. Die Lösung liegt deshalb nicht in Deutschland und der EU –unser Tun ist letztlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein –, sondern in Asien und Südamerika
, so Färber, der angesichts unserer heutigen globalisierten Märkte ergänzt: Wer Fleisch importiert, der importiert auch das Risiko resistenter Bakterien.
Diese können laut Bundesinstitut für Risikobewertung von Lebensmitteln auf den Menschen übergehen. Selbst ein vergleichsweise fortschrittliches Land wie die USA besitzt nach wie vor frei verkäufliche Antibiotika und setzt noch immer einzelne Wirkstoffe als Wachstumsförderer in der Nutztierhaltung ein. In Deutschland ist dies seit über zehn Jahren verboten.
Alle FAQs finden Sie hier: Zum Hofe, Magazin für Tierärzte (1/2018)