Bauernproteste: Der Handel will nicht der Sündenbock sein - ISN: Schluss mit der Märchenstunde
Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wehrt sich gegen die Kritik aus Reihen der Landwirtschaft und der Politik in Bezug auf die zunehmende Marktmacht großer Supermarktketten bei der Preisbildung. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, streitet den Einfluss der Preispolitik des Einzelhandels in Deutschland auf die Einkommen der Landwirte ab und wertet die Kritik als haltlose Scheinattacke gegen den LEH, berichtet Agrar Europe.
ISN: Die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland ist offensichtlich und durch verschiedene Studien belegt, auch wenn der HDE-Geschäftsführer gegenteiliger Meinung ist. Politik und Lebensmittelhandel müssen gemeinsam mit der betroffenen Landwirtschaft für echte Lösungen sorgen, statt sich nur gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Entbürokratisierung, machbare Entwicklungsschritte und auskömmliche Preise müssen das Gebot der Stunde sein.
Der Handel wehrt sich gegen Kritik aus der Landwirtschaft und warnt vor politischer Einflussnahme auf die Preisbildung. Die wirtschaftlichen Probleme vieler Landwirte haben nichts mit dem Lebensmitteleinzelhandel und seinem Verhalten zu tun
, erklärte der Hauptgeschäftsführer vom Handelsverband Deutschland (HDE), Stefan Genth vergangene Woche in Berlin.
Handel streitet Marktmacht ab
Ausdrücklich verurteilte Genth Maßnahmen von Landwirten, die auf Beschränkungen für den Lebensmitteleinzelhandel zielen: Sie schaden dem Markt und den Verbrauchern und helfen der Landwirtschaft in keiner Weise weiter.
Mit Nachdruck wies der HDE-Geschäftsführer Aussagen aus den Reihen von Landwirtschaft und Politik zurück, der Lebensmitteleinzelhandel habe in der Preisbildung eine entscheidende Marktmacht. Dies gehe an der Realität vorbei und könne gefährliche Folgen haben.
Zum einen würden durch untaugliche politische Maßnahmen Hoffnungen der Landwirte erneut enttäuscht. Und zum anderen würde der Markt womöglich unnötig und fehlgesteuert eingeschränkt
, erklärte Genth. Am Ende müssten dann alle bis zum Endverbraucher im Supermarkt höhere Preise bezahlen, ohne dass es einen Mehrwert für die Landwirtschaft gebe. Die Politik sollte weniger Energie auf die sinnlose Suche nach einem einfachen Sündenbock verschwenden
, empfiehlt der Hauptgeschäftsführer. Die Landwirte hätten es verdient, dass man sich mit ihnen über echte und erfolgsversprechende Lösungswege auseinandersetze: Haltlose Scheinattacken gegen den Lebensmittelhandel helfen da nicht weiter
, so Genth.
Ernährungswirtschaft und Weltmarktpreise entscheidend
Wie der HDE erläuterte, werden die Agrarrohstoffpreise maßgeblich von der verarbeitenden Ernährungswirtschaft und den Weltmarktpreisen bestimmt. Direkte Vertragsverhältnisse zwischen Handel und Landwirtschaft seien eher selten. Daher sei auch der Einfluss des Handels auf die Preise sehr begrenzt. In der Regel würden die meisten Agrarrohstoffe für die Verarbeitung zu Lebensmittelprodukten an Unternehmen der Ernährungswirtschaft verkauft, wie Molkereien oder Schlacht- und Zerlegebetriebe. Der Verband unterstreicht zudem die Bedeutung des Exports für die Landwirtschaft in Deutschland. 49% der Produktionsmengen der deutschen Landwirtschaft an Frischelebensmitteln würden exportiert. Gleichzeitig importiere Deutschland 38% der Waren in diesem Bereich aus dem Ausland. Beide Zahlen machten deutlich, dass der Einzelhandel in Deutschland mit seiner Preispolitik nicht der entscheidende Faktor für die Einkommen der Landwirte hierzulande sein kann.
Die ISN meint:
Schluss mit der Märchenstunde! Ohne Frage gilt die Regel: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – und nicht die Kosten. Doch genau diese treiben die Handelsunternehmen auf den schweinehaltenden Betrieben durch immer neue Listungsanforderungen in die Höhe. Gleichzeitig wird im Einkauf gerne mit Verweis auf den Weltmarkt das Angebot groß gehalten und so der Preis gedrückt. Und genau deswegen ist die Aussage des HDE-Geschäftsführers Stefan Genth, dass die wirtschaftlichen Probleme vieler Landwirte nichts mit dem Lebensmitteleinzelhandel und seinem Verhalten zu tun hätten, nachweislich falsch. Mit 85 % Marktanteil der Top 4 im Lebensmitteleinzelhandel geben diese Unternehmen die Marschrichtung allein schon mit der Standardsetzung für die Produktlistung vor. Wenn einzelne Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels offen dafür werben, höchste Standards zu günstigsten Preisen anzubieten, dann ist es wenig verwunderlich, dass die Erzeuger sauer sind. Alles andere als haltlose Scheinattacken also.