Borchert-Pläne: Klöckner legt Machbarkeitsstudie vor
Die Machbarkeitsstudie zu den Empfehlungen der Borchert-Kommission zur Weiterentwicklung der Nutztierhaltung in Deutschland zeigt: der Umbau wird teurer als erwartet. Gleichzeitig zeigt sie, welche Finanzierungswege verfassungs- und EU-rechtlich gangbar sind. Die Ergebnisse wurden heute von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner vorgestellt. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung will in der kommenden Woche darüber diskutieren. ISN: Die Puzzleteile müssen endlich ein Gesamtbild ergeben!
Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter der Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert hat im vergangenen Jahr Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Nutztierhaltung in Deutschland vorgestellt. Die Vorschläge erfahren große Zustimmung und werden als gute Grundlage angesehen, um ein schlüssiges Gesamtkonzept für eine nationale Nutztierstrategie zu finden. Um die Frage der Finanzierung abzusichern, hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bereits im August eine Machbarkeitsstudie angekündigt. Die Ergebnisse wurden heute vorgestellt.
Umbau der Nutztierhaltung wird teurer als erwartet
Die Empfehlungen der Borchert-Komission sehen eine Überführung der kompletten deutschen Tierhaltung in den höheren Tierwohlstandard der Haltungsstufe 2 bis zum Jahr 2040 vor. Die Mehrkosten sollen durch Prämien und Investitionsförderung für Betriebe gedeckt werden. Diese Kosten werden allerdings nach den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie höher ausfallen als zunächst angenommen wurde. Die Borchert-Kommission hatte mit 1,2 bis 3,6 Mrd. Euro jährlich gerechnet. Laut Machbarkeitsstudie wird ein jährlicher Finanzbedarf von ca. 3 Mrd. Euro bis zum Jahr 2025, 4,3 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030 und nochmal 4,0 Mrd. Euro jährlich bis 2040 benötigt. Um das zu finanzieren, werden drei Finanzierungskonzepte vorgestellt, die verfassungs- und EU-rechtlich möglich seien.
Drei Finanzierungsansätze
Im Rahmen der bei einer Rechtsanwaltskanzlei in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie, wurden die Empfehlungen der Borchert-Kommission kritisch konstruktiv mit Blick auf alle in Betracht kommenden rechtlichen Aspekte bewertet. Der an der Studie beteiligte Autor und auch Leiter der Studie, Dr. Ulrich Karpenstein stellte drei gangbare Finanzierungsansätze vor, die verfassungs- und unionsrechtlich umsetzbar wären.
Variante 1: (mengenbezogene) Verbrauchssteuer für Fleisch
Hierbei würde eine mengenbezogene Steuer pro verkauftem Kilogramm Fleisch greifen, die der Endverbraucher trägt. Bei diesem Ansatz wurde auf einen enorm hohen Bürokratie- und Verwaltungsaufwand sowie auf EU-rechtlicher Ebene das Diskriminierungsverbot angemerkt, was die Umsetzung dieser Finanzierungsoption erschweren könnte.
Variante 2: Steuersatzerhöhung für tierische Produkte auf 19%
Anhebung des ermäßigten Steuersatzes auf tierische Produkte von 7% auf 19%
Der Steuersatz bei Fleisch wird von 7% auf 19% Mehrwertsteuer angehoben. Dieser Weg setzt somit am Preis an und nicht an der Menge an. Im gleichen Zug wurde erläutert, dass alternativ auch eine Steuersatzerhöhung aller Lebensmittelpreise möglich wäre, zum Beispiel um 2,5%. Auch hier besteht laut den Experten die Gefahr der EU-Diskriminierung.
Variante 3: Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer (Solidaritätszuschlag)
Die Abgabe setzt gar nicht am Produkt an, sondern wird als Gesetz zu Gunsten der deutschen Tierwohlförderung festgelegt. Diese Variante wurde rechtlich und verwaltungstechnisch als Einfachste eingestuft.
Die ISN meint:
Die Machbarkeitsstudie sollte überprüfen, ob die Lösungsansätze des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung – der Borchert-Kommission - aus rechtlicher Sicht umsetzbar sind. Ergebnis: Die Ansätze sind es - zumindest aus rechtlicher Sicht. Das war zwar zu erwarten, es ist dennoch für den weiteren politischen Prozess ein wichtiger Baustein, dass das nochmal in dieser Form bestätigt wurde. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Machbarkeitsstudie deutlich und konkret umreißt, wie eine Weiterentwicklung der Tierhaltung finanziell und rechtskonform gefördert werden kann und wie eben nicht. Die Studie zeigt aber auch, dass der Finanzierungsbedarf weit höher ist als anvisiert und spricht sich auch dafür aus, dass die Betriebe 100% der Mehrkosten erstattet bekommen. Auch das ist ein zentraler Aspekt, genauso wie die Frage der Langfristigkeit der Finanzierung.
Das alles sind positive Punkte, die aber über eines nicht hinwegtäuschen dürfen:
Die Betriebe agieren auch mit neuen Haltungskonzepten weiterhin am Markt und müssen über diesen auch Gewinne erzielen. Von der Erstattung der Mehrkosten kann kein Unternehmen überleben, geschweige denn sich weiterentwickeln.
kommentiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack die vorgelegten Ergebnisse. Es kommt jetzt also darauf an, dass diese beiden Enden aus Mehrkostenerstattung und Markterlös tatsächlich praxisnah zusammengebunden werden können. Diese Verzahnung ist letztlich aus Sicht der Landwirte natürlich viel entscheidender, als die Frage des zu wählenden Modells der Gegenfinanzierung der Mehrkostenerstattung.
so Staack weiter Im Rahmen des Borchert-Konzeptes werden neue Marktsegmente geschaffen. Die gilt es erfolgreich auszugestalten und am Markt zu etablieren. Dafür muss ein Angebot zur Verfügung stehen und eine entsprechende Nachfrage generiert werden. Nur so ergibt sich für die tierhaltenden Betriebe auch eine wirtschaftliche Perspektive und vor allem finanzielle Planungssicherheit. Momentan hakt das noch an vielen Stellen. Nur wenn die einzelnen Puzzleteile aus umsetzbarem Genehmigungsrecht, praxisnaher Förderung, eindeutiger Kennzeichnung sowie erkennbarer Marktentwicklung jetzt auch tatsächlich ineinandergreifen, nur dann wird sich ein Gesamtbild für die Tierhalter ergeben, auf dessen Grundlage sie in neue Ställe investieren können. Dazu gehört aber auch die politische Disziplin, sich konsequent an den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie zu orientieren und nicht an jeder Stelle immer wieder noch einen obendrauf zu setzen. Nur so kann das Konzept aufgehen.
resümiert Staack mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf.