Bundesrat verschiebt Beratung über Änderungen im Tierschutzgesetz
Update 17.06.2024:
Auf Nachfrage der ISN bestätigte ein Sprecher des Bundesrates, dass das Tierschutzgesetz heute nicht in der Sitzung des Agrarausschusses behandelt wurde. Die Beratungen sollen nun in einer neuen Sitzung in der kommenden Woche stattfinden. Berichten zufolge sollen 138 Länderanträge zur Novelle des Tierschutzgesetzes eingegangen sein.
Bundesrat berät über Änderungen im Tierschutzgesetz - ISN: Dieser nationale Alleingang muss gestoppt werden!
Nächste Woche berät der Agrarausschuss des Bundesrates über die Änderungen im Tierschutzgesetz. ©ISN, Canva, Bundesrat
Stand 14.06.2024:
Nachdem das Bundeskabinett Ende Mai dem Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes zugestimmt hat, wird am kommenden Montag der Agrarausschuss des Bundesrates darüber beraten. Mit der Novellierung würden maßgebliche Neuregelungen – insbesondere beim Thema Schwanzkupieren – auch auf die Schweinehalter zukommen.
ISN: Ideologie und Scheuklappen müssen endlich abgelegt werden. Ein Thema wie der Kupierverzicht ist alles andere als trivial und kann nur im europäischen Gleichschritt gelöst werden. Der Agrarausschuss des Bundesrates ist deshalb gut beraten, hier genau hinzuschauen und ein entsprechendes Signal zu setzen, wenn er nicht gänzlich auf den Standort Deutschland pfeift. Denn das Austauschpotenzial der deutschen Schweinehaltung ist groß. So sind von heute auf morgen bis zu 10 Mio. zusätzliche Importferkel verfügbar, die – ohne die schärferen deutschen Vorgaben zum Kupieren erfüllen zu müssen – ein Viertel der deutschen Ferkelerzeugung ersetzen können.
Der Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes hat Ende Mai das Bundeskabinett passiert. Laut aktueller Tagesordnung soll der Kabinettsbeschluss zunächst am kommenden Montag, 17.06.2024, in der Sitzung des Agrarausschuss des Bundesrates beraten werden, bevor Anfang Juli die erste Lesung im Bundesrat vorgesehen ist. Dem Vernehmen nach sollen inzwischen weit über 100 Änderungsanträge aus den Ländern zum Änderungsentwurf des Tierschutzgesetzes eingegangen sein.
Die beabsichtigten Änderungen beziehen sich in Bezug auf die Schweinehaltung insbesondere auf weitreichende Vorgaben zum Schwanzkupieren und zur Kennzeichnung von Falltieren. So sollen z.B. bei Ferkeln sehr konkrete Vorgaben für das Kupieren der Schwänze festgeschrieben werden (Kürzung des Schwanzes um maximal ein Drittel) und die Dokumentationspflichten auf ein Mehrfaches hochgeschraubt werden. Der Gesetzentwurf wurde bereits im Vorfeld von verschiedenen Seiten zu Recht als Bürokratiemonster ohne Tierschutzwirkung
scharf kritisiert.
Die ISN meint:
Deutschland ist keine abgeschottete Insel, sondern Teil der EU mit offenen Märkten - und das ist auch gut so. Das heißt aber auch, dass nationale Alleingänge zu Verwerfungen führen und Lösungen nur im europäischen Gleichschritt gefunden werden können. Das gilt ganz besonders auch für die Umsetzung des Kupierverbotes. Die deutschen Schweinehalter versperren sich nicht dem Thema, aber Lösungen sind alles andere als trivial und lassen sich nicht auf Einzelfaktoren für Schwanzbeißen wie z.B. den Platz reduzieren. Dieses Problem haben Schweinehalter in allen Haltungsformen. Nicht umsonst sind – ganz besonders in Deutschland – in den vergangenen Jahren hierzu sehr viele Projekte durchgeführt und Anstrengungen unternommen worden. Dass ein Ende des Kupierens nicht mit der Brechstange von heute auf morgen funktioniert, sollte auch in der Politik schon lange angekommen sein. Vor diesem Hintergrund hat 2015 beispielsweise der damalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer in Niedersachsen die sogenannte Ringelschwanzprämie eingeführt.
Die im Tierschutzgesetz beabsichtigten Neuregelungen sind für die Schweinehalter ohne grundsätzliche Nachbesserungen realitätsfern und existenzbedrohend. Dass wir mit dieser Kritik nicht alleine sind, zeigt bereits die hohe Zahl an Änderungsanträgen aus den Bundesländern. Der Frust bei den deutschen Schweinehaltern ist jetzt schon so groß, dass bereits ohne diese Änderungen trotz guter Erlössituation weiterhin viele Betriebe aussteigen, wie die ersten Mai-Viehzählungsergebnisse zeigen. Ein zusätzlicher nationaler Alleingang beim Tierschutzgesetz bringt das Fass endgültig zum Überlaufen. Das gilt ganz besonders für die Ferkelerzeuger, die ohnehin den Umbau des Deckzentrums und des Abferkelbereiches vor der Brust haben und die jetzt schon zweifeln, ob sie diesen Schritt noch gehen
, schätzt ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack die Situation ein. Er führt weiter aus: Wir haben in den vergangenen 10 Jahren schon gut die Hälfte (über 52 %) der Sauenhalter verloren. Und wir befürchten, dass allein durch die nun im Gesetzesentwurf beabsichtigten Neuregelungen noch einmal zusätzlich ein Viertel der Ferkelerzeuger aufgibt.
Am Beispiel Schwänzekupieren werden die Folgen der beabsichtigten Änderungen besonders deutlich. Per Gesetz soll der Schwanz der Ferkel nur noch um maximal ein Drittel gekürzt werden dürfen – das gilt dann für hiesige Ferkelerzeuger zwingend von heute auf morgen mit Inkrafttreten der Änderungen. Importferkel sind von der Regelung nicht direkt betroffen und könnten unmittelbar ein Viertel der deutschen Ferkelerzeugung ersetzen. Zusätzliche Ferkelimporte von bis zu 10 Mio. Ferkel jährlich sind realistisch, denn das sind die Ferkel, die entweder bei ihrem Transport von einem Nachbarstaat in ein anderes EU-Land Deutschland durchqueren oder die Ferkel, die schlicht einen kürzeren Weg nach Deutschland als in andere EU-Staaten hätten. Mit derartigen Regeln im nationalen Alleingang würde man dem Tierschutz also einen Bärendienst erweisen.
Aber nicht nur die deutsche Ferkelerzeugung wird in Gefahr gebracht, sondern die gesamte deutsche Schweinehaltung. Denn auch die deutschen Schweinemäster sollen in die Zange genommen werden. Hier erfolgt der Austausch dann eben über die Fleischimporte.
Der am kommenden Montag über den Gesetzesentwurf beratende Agrarausschuss des Bundesrates ist deshalb gut beraten, hier genau hinzuschauen und ein entsprechendes Signal für den Standort Deutschland setzen und sich für eine einheitliche und synchrone Umsetzung von diesbezüglichen Vorgaben in Europa einzusetzen.