BVL-Kennzahlen: Antibiotikaeinsatz bei Schweinen auch 2022 weiter rückläufig
Die regelmäßigen BVL-Veröffentlichungen belegen, dass der Antibiotikaeinsatz in der deutschen Schweinehaltung in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist und sich nun auf einem niedrigen Niveau eingependelt hat.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die bundesweiten Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit mit Antibiotika für das zweite Halbjahr 2022 veröffentlicht. Seit Einführung des Antibiotikamonitorings im Jahr 2015 haben sich die Werte drastisch reduziert und sich mittlerweile auf einem niedrigen Niveau eingependelt. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Werte für Ferkel und Mastschweine im jüngsten Zeitraum reduziert.
ISN: Die deutschen Schweinehalter haben zusammen mit ihren Hoftierärzten längst eine beeindruckende Minimierung des Antibiotikaeinsatzes erreicht. Das verdient Lob und Anerkennung. Und dem muss auch endlich im Antibiotikaminimierungskonzept Rechnung getragen werden.
Aus den gesetzlich vorgeschriebenen Meldungen zur Antibiotika-Datenbank berechnet das BVL halbjährlich für jeden Betrieb und jede Nutzungsart den betriebsindividuellen Therapiehäufigkeitsindex.
Das BVL hat in der vergangenen Woche die bundesweiten Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit bei Masttieren für das zweite Halbjahr 2022 (01. Juli 2022 – 31. Dezember 2022) auf der hauseigenen Homepage veröffentlicht. Laut BVL ist die Kennzahl 2 für die Therapiehäufigkeit bei Mastschweinen binnen Jahresfrist um 0,5 % auf 2,616 gesunken, bei Ferkeln um 6,2 % auf 6,908.
Die Kennzahl 1 beschreibt den Therapiehäufigkeitsindex-Median, unter dem 50 % aller erfassten Betriebe liegen. Kennzahl 2 beschreibt das dritte Quartil des Therapiehäufigkeitsindexes, unter dem 75% aller erfassten Betriebe liegen.
Für das 2. Halbjahr 2022 wurden vom BVL folgende Kennzahlen ermittelt:
Ferkel bis 30 kg Körpergewicht
Kennzahl 1 1,029 (2. Halbjahr 2021: 1,350)
Kennzahl 2 6,908 (2. Halbjahr 2021: 7,3625)
Mastschweine über 30 kg Körpergewicht
Kennzahl 1 0,230 (2. Halbjahr 2021: 0,244)
Kennzahl 2 2,612 (2. Halbjahr 2021:2,626)
Eigene Daten mit den Kennzahlen vergleichen
Schweinehalter mit der Pflicht zur Teilnahme an der Antibiotika-Datenbank müssen nun die veröffentlichten Kennzahlen mit dem eigenen Therapiehäufigkeitsindex vergleichen. Liegt der individuelle Wert über der Kennzahl 1, sollten Landwirte und Tierärzte gemeinsam die Ursachen dafür ermitteln und den Antibiotikaeinsatz nach Möglichkeit reduzieren.
Beim Überschreiten der Kennzahl 2 müssen die Tierhalter zusammen mit ihrem Tierarzt einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes erstellen und der Überwachungsbehörde vorlegen. Die Behörde prüft den Plan und kann ggf. Änderungen anordnen und weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene, der Gesundheitsvorsorge oder der Haltungsbedingungen verlangen. Im Extremfall kann sogar das Ruhen der Tierhaltung angeordnet werden.
Nun auch Zuchtschweine und Saugferkel einbezogen
Das Absinken der Therapiehäufigkeiten hat zur Konsequenz, dass die Tierhalter leichter und schon bei geringen Antibiotikabehandlungen zu Reduktionsmaßnahmen gezwungen werden, weil sie mit ihrer betrieblichen Kennzahl dann eher die bundesweite Kennziffer überschreiten. Im Klartext: Unabhängig davon, wie wenig Antibiotika eingesetzt wird, überschreiten immer 50 % bzw. 25 % der Betriebe die Kennzahl 1 bzw. die Kennzahl 2.
Seit dem 01. Januar 2023 erfolgt die Datenerhebung und -verarbeitung vollständig auf Grundlage des TAMG §§ 54-59. Demzufolge werden die betriebsindividuellen Therapiehäufigkeiten nach § 57 TAMG weiterhin halbjährlich berechnet, jedoch erfolgt die Berechnung und Veröffentlichung der bundesweiten Kennzahlen fortan nur noch jährlich zum 15. Februar eines Jahres. Damit entfällt die Veröffentlichung in der zweiten Jahreshälfte.
Ab 2023 werden auch Milchkühe, Legehennen, Junghennen Zuchtschweine und Saugferkel ab bestimmten Betriebsgrößen in die Datenerhebung und Berechnungen der Therapiehäufigkeiten einbezogen. Damit soll die Antibiotikaanwendung in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung insgesamt verringert werden, so Agra Europe.
Die ISN meint:
Die regelmäßigen BVL-Veröffentlichungen belegen, dass der Antibiotikaeinsatz in der deutschen Schweinehaltung in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist und sich nun auf einem niedrigen Niveau eingependelt hat. Umso erfreulicher ist es, dass erneut eine leichte Reduzierung erreicht wurde. Denn einfach nur Behandlungen weglassen, geht nicht, schließlich dürfen die Reduzierungen nicht zu Lasten des Tierschutzes und der Tiergesundheit gehen. Hinter den Reduzierungen stehen sehr komplexe Hygiene- und Tiergesundheitskonzepte. Das ist eine Mammutleistung von Schweinehaltern und Hoftierärzten.
Nach wir vor wird allzu oft der Eindruck erweckt, dass Tierhalter bzw. Tierärzte flächendeckend große Mengen Antibiotika einsetzen. Dabei ist das Gegenteil der Fall, wie die drastischen Reduzierungen mehr als deutlich zeigen. Natürlich muss es weiterhin Ziel sein, den Einsatz von Antibiotika auf das notwendige Minimum zu reduzieren, allerdings wird die Luft für eine weitere Minimierung zunehmend dünner, denn die Anwendung hat sich in der deutschen Schweinehaltung auf einem Niveau eingependelt, das bereits dem therapeutisch erforderlichen Minimum sehr nahe kommen dürfte. Weitere Reduktionsziele, die zu Lasten des Tierschutzes gehen könnten, sind nicht akzeptabel.
Nicht nachvollziehbar ist es, dass man weiter an einem Antibiotikaminimierungskonzept festhält, bei dem unabhängig vom erreichten niedrigen Niveau immer 50 % bzw. 25 % der Betriebe mit Maßnahmen zur Reduzierung belegt werden. Zumindest für die Schweinehaltung ist dieses System angesichts des Erreichten nicht mehr zeitgemäß – das geht wesentlich zielgerichteter.