Eine Debatte dreht sich: Von der #Schweinefleischpflicht, die keine ist
Reichlich Spott und Kritik musste die Nord-CDU diese Woche zu Unrecht einstecken, und zwar für Ihren Antrag auf Pluralismus im Nahrungsmittelangebot öffentlicher Kantinen
(wir berichteten). Bereits nach wenigen Stunden etablierte sich der Hashtag #Schweinefleischpflicht in der medialen Berichterstattung und den sozialen Medien. Dass es der CDU zu keiner Zeit um eine Pflicht
ging, übersahen viele zum Zwecke einer reißerischen und polarisierenden Überschrift geflissentlich.
Die Debatte dreht sich
Unerwartete Rückendeckung erhielt die CDU zwar nicht für den Inhalt des Antrags, wohl aber wegen der medialen Diffamierung von Sascha Lobo, einem bekannten Spiegel-Kolumnist, Social Media-Experten und viel zitierten Blogger. Lobo bemängelt, die überall zitierte Pflicht
sei durch Verkürzung, Verdichtung, Sinnentstellung in einer Art Provo-Ping-Pong zwischen redaktionellen und sozialen Medien entstanden und dadurch zur politischen Realität geworden
. Der Titel Die Nord-CDU fordert eine Schweinefleisch-Pflicht für alle öffentlichen Kantinen
sei Schlicht falsch. Wenn die Person, die sie schrieb, den Artikel gelesen haben sollte, könnte man auch sagen: eine Lüge. In der Presse
, so Lobo.
Er beschreibt weiter einen Schleier des fahrlässigen bis absichtlichen Missverstehens
von Journalisten und Politikern, und bilanziert, dass viele Medien den Anzeichen nach mit Zuspitzungen, Vereinfachungen und sogar Falschdarstellungen arbeiten
, und damit zu allem Überfluss auf die Politik wirken
. Das hat gewirkt: Plötzlich hat das zu Unrecht in die Kritik geratene Schweinefleisch wieder Befürworter, zum Beispiel bei der Welt mit Die Schweinefleisch-Diskriminierung ist unerträglich
, oder mit einer großen Portion Satire im Postillon.
Selbst die Bundeskanzlerin mischte sich jüngst in die Debatte ein: Ich möchte, dass die Menschen essen können, was sie wollen, und dass sie dabei aus einem breiten Angebot wählen können. Wenn 60 Prozent der Eltern in einer Kita Vegetarier wären und nicht wollten, dass ihr Kind Fleisch isst, und die anderen Kinder deshalb auch kein Fleisch mehr bekämen, fände ich auch das eine falsche Einschränkung
, sagte Angela Merkel in einem Interview mit der Bild am Sonntag.
Vorangegangene Berichterstattung für Landwirte unter aller Sau
Wieder einmal geht mit der #Schweinefleischpflicht eine Story durch die Medien, bei der am Ende vor allem die landwirtschaftlichen Erzeuger einen Imageverlust erleiden. Besonders harte Worte lieferten beispielsweise die Zeit mit "Schweinigkeit und Recht und Freiheit" und vor allem Focus Online mit Darum braucht kein Mensch Schweinefleisch
.
Dass die Journalistin des Focus ihre These Schweinefleisch ist das qualitativ minderwertigste Fleisch, das es auf dem deutschen Markt gibt
mit falschen Fakten
in der Qualität eines Facebook-Postings serviert, ist mal wieder besonders bitter. Bei ihrer Aussage Schweinefleisch – vor allem das aus Massentierhaltung – ist häufig vollgepumpt mit Antibiotika und Wachstumshormonen
bleibt dem Landwirt nur wieder ein ungläubiges Kopfschütteln über das Selbstverständnis des Focus und seinen Artikeln einer erfahrenen Redaktion, in vertrauter Qualität, sicher und unabhängig recherchiert.
Dankenswerterweise erlaubt die Journalistin dem Leser zu Schluss noch einen Einblick in ihre persönliche Meinung: Schweinefleisch sei nur für Hardcore-Qualitätsverweigerer geeignet. Auch der Geschmack ähnelt oft dem von verwesendem Aas.
Bei einem solchen Vorgehen der Journalistin bleibt unser Urteil als ISN: Dieser Journalismus ist minderwertiger Journalismus!
Endlich den Wert erkennen!
Umso schöner, wenn sich eine Debatte wie diese dann doch noch irgendwie zum Guten wendet. Und wenn die Diskussion einen neuen Kurs aufnimmt, wie ihn die ISN schon lange moniert: Es geht nicht um staatliche Eingriffe, um Pflichten und Verbote, sondern um die Wertschätzung Wert von Fleisch! Schweinefleisch, einst Grundnahrungsmittel der Bauern und ausgehungerten Nachkriegsdeutschen (und besonders der DDRler), hat keinen hohen Wert mehr
, schreibt die Welt. Und während der Einzelhandel Schweinefleisch regelrecht verramscht, drücken billige Importe aus dem Ausland auf den Markt und verdrängen so peu á peu die heimischen Schweinehalter – Fleisch made in Germany ist damit bald Geschichte. Im Fall #Schweinefleischpflicht schließen wir uns zum Schluss voll und ganz dem Untertitel der Welt an: Mit der unfairen Behandlung von Schweinefleisch im öffentlichen Raum muss Schluss sein.