EU-Agrarministerkonferenz: Stabile Lieferketten, Unabhängigkeit und EU-weites Tierwohlkennzeichen
Anfang dieser Woche kamen die Agrarministerinnen und -minister der 27 EU-Mitgliedstaaten zu ihrem sogenannten Informellen Treffen unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft in Koblenz zusammen. Diskutiert wurde über die Lehren für die Landwirtschaft aus der Corona-Krise, die Herkunft von Lebensmitteln und in diesem Zusammenhang über eine EU-weite Tierwohlkennzeichnung, welche grundsätzliche Unterstützung fand. In einer Pressekonferenz wurden die Ergebnisse der Beratungen veröffentlicht. ISN: Nun kommt es jedoch darauf an, die vorgestellten Punkte sinnvoll und praxisgerecht umzusetzen. Dabei ist es entscheidend, europaweit einheitlich vorzugehen und sich nicht in nationalen Insellösungen festzufahren.
Hervorgehoben wurde während des Agrarministertreffens die Systemrelevanz der Landwirtschaft, um Ernährungssicherheit herzustellen und es wurde betont, wie wichtig regionale Produktions- und Lieferketten sind. Vor allem die Corona-Pandemie habe deutlich gemacht, wie wichtig es sei, den EU-Binnenmarkt mehr zu harmonisieren, damit Lieferketten gestärkt werden. Die Minister berieten darüber, wie man europäische Lieferketten und die Wertschätzung für die europäische Agrarproduktion nachhaltig stärken könne, um die Land- und Ernährungswirtschaft noch krisenfester aufzustellen. In einer strukturierten Analyse soll die EU-Kommission herausstellen, wo es Schwachstellen gab, wo die größten Defizite und welche Lösungen es dafür gibt. Insbesondere die Rolle, die Forschung, Innovation und neue Züchtungstechniken spielen könnten, solle in den Blick genommen werden.
Mehr Unabhängigkeit und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit
Die Landwirtschaft hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir die Pandemie in unserem Bereich bisher gut bewältigt haben. Doch eine der zentralen Lehren der Krise ist, dass wir in einigen Bereichen noch unabhängiger werden von Drittlandsimporten - etwa bei Futtermitteln oder Tierarzneimittelwirkstoffen. Einig waren wir uns, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in diesen Bereichen zu stärken. Gleichzeitig ist erfreulich, dass in der Krise das Bewusstsein und die Wertschätzung für regionale Produktion und unsere Landwirte gewachsen ist. Das wollen wir verstetigen! Das bedeutet aber nicht Abschottung oder Konsumnationalismus. Ein regelbasierter internationaler Handel, ein effizienter Binnenmarkt und regionale Kreisläufe sind Seiten derselben Medaille, keine Gegensätze
, erläuterte Julia Klöckner im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag.
Die Umfrage zeigt: Die EU-Agrarminister sind sich einig, dass Tierwohl von den Landwirten auch finanzierbar sein muss und dementsprechend finanzielle Anreize für die Umsetzung geschaffen werden müssen(Quelle: https://twitter.com/JuliaKloeckner)
Unterstützung für EU-weites Tierwohlkennzeichen
Ein weiterer Punkt war die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Hierbei wurde insbesondere die Einführung eines EU-weiten Tierwohlkennzeichens thematisiert. Ziel der Bundeslandwirtschaftsministerin ist es, ein EU-weites Kennzeichen zur Verbesserung des Tierwohls in Europa einzuführen. Diese Initiative fand grundsätzlich Unterstützung bei den Agrarministern der EU-Länder. Zudem waren sich die EU-Agrarminister einig, dass Tierwohl von den Landwirten auch finanzierbar sein muss und dementsprechend finanzielle Anreize für die Umsetzung geschaffen werden müssen. Für mehr Tierwohl in Europa war die heutige Beratung ein wichtiger Schritt nach vorne. Im Binnenmarkt sind einheitlich höhere Standards entscheidend, die glaubwürdig und transparent sind für die Verbraucher
, betonte Klöckner.
Auch brauche man in der EU ein gleiches Verständnis davon, unter welchen Bedingungen Tiere über welche Entfernungen transportiert werden dürfen, so die Ministerin weiter. Es müsse sichergestellt sein, dass die Tiere beim Transport gut versorgt seien. Wenn das nicht der Fall ist, muss klar sein, dass die Tiere gar nicht erst verladen werden dürfen. Der Tierschutz muss hier Vorrang haben.
Proteste von Landwirte und Umweltaktivisten
Das Treffen der Agrarminister in Koblenz wurde von Protesten begleitet. Die Bewegung Land schafft Verbindung
(LsV) hatte zu einer Kundgebung aufgerufen; das Motto: Wir lassen den Riesen, den wir geweckt haben, nicht wieder einschlafen
. Viele Landwirte waren den Aufrufen von LsV und Bauernverband gefolgt und waren mit dem Traktor nach Koblenz gekommen. Landwirtinnen und Landwirte des Aktionsbündnis Wir haben es satt
waren ebenfalls vor Ort und forderten die Bekämpfung der Klimakrise. Auch Umweltaktivisten demonstrierten unter anderem gegen die Tierhaltung in Deutschland und die europäische Klimapolitik. Die Bürgerbewegung Campact
organisierte eine Fahrraddemo und forderte den Stopp des Billigfleisch-Systems
. Greenpeace sorgte mit einem Gleitschirm-Flieger, der ein Banner mit der Aufschrift Kein Geld für gestern
trug, für Aufsehen.
ISN meint:
Die auf der Pressekonferenz vorgestellten Ergebnisse der EU-Agrarministerkonferenz sind zunächst einmal durchaus nachvollziehbar und verständlich. Nun kommt es jedoch darauf an, die vorgestellten Punkte sinnvoll und praxisgerecht umzusetzen. Dabei ist es entscheidend, europaweit einheitlich vorzugehen und sich nicht in nationalen Insellösungen festzufahren.
Die Initiative von Ministerin Klöckner, ein verpflichtendes europäisches Tierwohllabel einzuführen ist genau richtig. Eine derartige Kennzeichnung darf nicht nur auf nationaler Ebene erfolgen, sondern muss europaweit einheitlich einschließlich einer Herkunftskennzeichnung umgesetzt werden. Denn eine durchgängige verpflichtende Kennzeichnung von Haltung und Herkunft bringt dem Verbraucher Transparenz und ist die Basis für eine Preisdifferenzierung in der Ladentheke. Sie ist eine Chance für die deutschen Schweinehalter und muss ein wichtiges Element der Nutztierstrategien sein, die aktuell im Bund aber auch in wichtigen schweinehaltenden Ländern vorangetrieben wird.
Bei den weiteren Beratungen zu neuen Regelungen für Tiertransporte muss beachtet werden, dass man dabei nicht über das eigentliche Ziel hinausschießt. Es muss weiterhin möglich bleiben, auch bei wärmeren Temperaturen Tiere zu transportieren. Schweinehaltende Betriebe in marktfernen Regionen dürfen dabei in den Sommermonaten nicht vom Marktgeschehen und jeglichen Handelsmöglichkeiten abgekoppelt werden.