EU-Industrieemissionsrichtlinie: Bundesregierung sieht noch Diskussionsbedarf
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Ausweitung der Emissionsrichtlinie wäre für die Tierhalter in der gesamten EU ein riesiger Brocken (Bild © ISN/Jaworr)
Die Europäische Kommission will den Geltungsbereich der Industrieemissionsrichtlinie deutlich ausweiten. Die Bundesregierung will die Anpassung der Richtlinie zwar weiter diskutieren spricht sich grundsätzlich allerdings für ein anspruchsvolles Regulierungsniveau aus.
ISN: Die in Brüssel diskutierten Vorgaben zur Emissionsrichtlinie sind für die Landwirtschaft einschneidend. Die enormen Kosten der Emissionsminderungsmaßnahmen sind für normale familiengeführte Betriebe wirtschaftlich schlicht nicht umsetzbar. Außerdem bremsen sie den geplanten Umbau der Tierhaltung hin zu mehr Platz und zum Öffnen der Ställe völlig aus. Statt die bisherigen Genehmigungshürden abzubauen, werden sie durch die vorgesehene Anpassung der Emissionsrichtlinie weiter verschärft.
Die Bundesregierung sieht hinsichtlich der Überarbeitung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie noch vertieften Diskussionsbedarf
. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hervor. Inhaltlich wird derweil ein anspruchsvolles Ambitionsniveau grundsätzlich unterstützt
; die Position der Regierung ist allerdings noch nicht abgestimmt, berichtet Agra Europe (AgE).
Deutlich mehr Schweinebetriebe betroffen
Gemäß dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf würde die Zahl der von der Richtlinie betroffenen Betriebe nach Einschätzung der Bundesregierung deutlich ansteigen, und zwar von bisher geschätzten 2.747 auf dann mehr als 22.000. Zurückzuführen wäre der Anstieg maßgeblich auf die Ausweitung des Geltungsbereichs auf große Rinderbetriebe, von denen dann mehr als 10.000 erfasst würden. Deutlich ansteigen würde gemäß der Antwort aber auch die Anzahl der betroffenen Schweinemäster, und zwar von aktuell 1.276 auf 8.000. Die Summe der erfassten Betriebe mit Sauen und Jungsauen würde sich etwa auf 1.500 verfünffachen. Beim Mastgeflügel würden 1 400 erfasst, anstatt wie derzeit 862.
Verabschiedung der Neuregelung 2024?
Inwieweit zusätzliche Anforderungen auf die Betriebe zukommen, hängt laut der Bundesregierung wesentlich davon ab, wie die Vorschläge der Kommission im Endeffekt umgesetzt werden; eine maßgebliche Rolle wird dabei der Gestaltung der Genehmigungspflicht und der Betriebsvorschriften zugeschrieben.
Bezüglich des Zeithorizonts zur Umsetzung der Neuregelungen geht die Bundesregierung davon aus, dass sich das Verfahren bis zur Verabschiedung bis in die erste Hälfte des Jahres 2024 hinziehen wird. Ab Inkrafttreten läuft dann eine Frist von 18 Monaten für die Anpassung des nationalen Rechts. Für die Betriebsvorschriften ist laut der Antwort innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie ein delegierter Rechtsakt vorgesehen; die entsprechende Umsetzung auf nationaler Ebene muss innerhalb von 42 Monaten sichergestellt werden.
Die ISN meint:
Die Vorschläge der EU-Kommission zu den erweiterten Vorgaben bei der Emissionsrichtlinie bedeuten für die Tierhalter in der gesamten EU einen weiteren riesigen Brocken. Sollten die Vorschläge der EU-Kommission so durchgesetzt werden, würde dies das Aus für einen Großteil der schweinehaltenden Familienbetriebe bedeuten. Die enormen Kosten der Emissionsminderungsmaßnahmen sind für familiengeführte Betriebe wirtschaftlich schlicht nicht umsetzbar und würden zu einer weiteren Verstärkung der Ausstiegswelle aus der Nutztierhaltung führen. Statt die bisherigen Genehmigungshürden abzubauen, werden sie durch die vorgesehene Anpassung der EU-Emissionsrichtlinie weiter verschärft.
Auch wenn bis zum erwarteten Inkrafttreten der neuen Regelungen noch etwas Zeit verstreichen wird, müssen schon jetzt die Weichen richtig gestellt werden. Die Vorschläge der EU-Kommission dürfen so nicht umgesetzt werden!
Wenn Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir es ernst meint mit der Transformation der Nutztierhaltung und vor allem familiengeführte Betriebe in Deutschland halten will, dann muss er sich in Brüssel dringend mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Vorschläge der EU-Kommission so nicht umgesetzt werden! Oder will sich Minister Özdemir vorwerfen lassen, dass er so das erklärte politische Ziel – die Nutztierbestände zu reduzieren – durch die Hintertür erreichen will? Dahinter steht die Kernfrage an den Minister: Wollen Sie Haltung vor Ort oder Schweineimport? Im Moment sieht es nach Letzterem aus – zum Schaden der Schweinehalter, der Tiere und des Klimas.