Interview zur aktuellen ASP-Situation in Brandenburg und Sachsen: ASP-Bekämpfung vielfach mangelhaft – dringend Verbesserungen notwendig!
Karsten Ilse ist Schweinehalter in Letschin (Brandenburg) und kennt die ASP-Situation vor Ort. Er hat uns im Interview geschildert, wo es bei der Bekämpfung in den Restriktionsgebieten noch hakt und was er seinen Berufskollegen in den bislang noch nicht von der ASP betroffenen Bundesländern empfiehlt (Foto ©top agrar)
Seit dem ersten ASP-Ausbruch in Brandenburg ist mittlerweile mehr als 1 Jahr vergangen. Monat für Monat kommen neue ASP-Funde bei Wildschweinen dazu. Bei den ASP-Fällen in Hausschweinebeständen ist es bislang bei den bisherigen drei betroffenen Betrieben geblieben. Die betroffenen Landwirte und Akteure vor Ort kritisieren weiterhin die mangelnde Intensität und Konsequenz bei der ASP-Bekämpfung. Erst vor Kurzem wurde ca. 60 km westlich der bisher betroffenen ASP-Gebiete ein weiterer ASP-Fall in der Nähe von Dresden festgestellt.
Wir haben mit Karsten Ilse gesprochen – er ist Schweinhalter im brandenburgischen Letschin, in der Restriktionszone im Landkreis Märkisch-Oderland, und hat uns die Situation vor Ort genauer erläutert.
Wie sieht die ASP-Situation aktuell in den Restriktionszonen vor Ort aus?
Im Norden und Süden des Landkreises Märkisch-Oderland werden fast täglich neue ASP-infizierte Wildschweine gefunden. Die Sperrzonen 1 und 2 (Pufferzone und gefährdetes Gebiet mit Kernzone) müssen daher ständig erweitert werden, was erhebliche Zaunbaumaßnahmen im Landkreis nach sich zieht. Der doppelte Zaun nach Polen ist auch noch nicht komplett fertig, und ein konkreter Plan, wie die betreffenden Gebiete wildschweinfrei gemacht werden sollen, wurde bisher auch noch nicht veröffentlicht.
Da in den letzten drei Monaten keine weiteren Fälle von ASP in Hausschweinebeständen aufgetreten sind, wurde die Sperrzone 3 in dieser Woche (nach 3 Monaten!) wieder aufgehoben.
Inwiefern ist Ihr Betrieb von den Auswirkungen der ASP betroffen?
Wegen der Lage des Betriebes im gefährdeten Gebiet (Sperrzone 2) ist eine Schlachtung der Schweine nur in Kellinghusen möglich. Nach Ausbruch der ASP in zwei Kleinstbeständen war eine Vermarktung drei Monaten lang nicht möglich.
Auch im Ackerbau bestehen erhebliche Einschränkungen. Nach dem Fund ASP-infizierter Wildschweine außerhalb bestehender Restriktionszonen werden alle Ackerflächen zunächst gesperrt und erst nach einer Kadaversuche auf Antrag nach und nach wieder freigegeben. In der Kernzone bestehen zahlreiche Beschränkungen bezüglich der Ernte und der Nutzung der Ernteerzeugnisse.
Was sind konkrete Schwachstellen bei der ASP-Bekämpfung? Wo hakt es am meisten? Was funktioniert (inzwischen) gut?
Größtes Problem ist meiner Meinung nach die Aufteilung der Zuständigkeiten auf verschiedene Behörden und Ebenen. Der Schwarze Peter wird ständig zwischen Landkreis, Land, Bund und EU hin- und hergeschoben. Entweder ist man nicht zuständig oder es fehlt eine Gesetzesgrundlage, um fachlich sinnvoll zu handeln.
Als erste Notmaßnahme
werden nach wie vor Elektrozäune aufgestellt, hinter denen ich nicht mal Hühner halten würde, der Bau eines festen Zaunes dauert viel zu lange, die gezielte Bajagung von Wildschweinen stockt, und Präventivmaßnahmen wie die wildschweinsichere Zäunung von Nord-Süd-Autobahnen werden nicht durchgeführt.
Die Seuche wird von den Behörden nur verwaltet und nicht bekämpft. Wenn alle Beteiligten für Fortschritte in der ASP-Bekämpfung bezahlt werden würden, müssten sie verhungern. An vielen Stellen der ASP-Bekämpfung in unserer Region gibt es massive Versäumnisse von Seiten der zuständigen Behörden.
Wie läuft die Vermarktung der Schweine in den betroffenen Restriktionsgebieten? Wo gibt es Möglichkeiten, wo Schwierigkeiten?
Die Vermarktung von Schlachtschweinen aus Sperrzone 2 ist nur nach Kellinghusen möglich. Die Mengen, die dort derzeit geschlachtet werden, liegen erheblich unter der Zahl der Schweine, die in diesen Gebieten heranwachsen. Das hat zur Folge, dass Schlachtgewichte wie zu schlimmsten Corona-Zeiten extrem ansteigen. Tierschutzprobleme in überfüllten Ställen werden von den Behörden komplett ausgeblendet. Erhebliche Abzüge und Mehrkosten für die Schlachtung in Kellinghusen werden derzeit nur sehr begrenzt bzw. gar nicht vom Land ausgeglichen.
Nach Einrichtung einer Sperrzone 3 (ASP im Hausschweinebestand) ist im Sperrkreis (ca. 10 km Radius um den betroffenen Betrieb) für 3 Monate überhaupt keine Vermarktung möglich. Jeder Schweinehalter kann gerne mal darüber nachdenken, was es bedeutet, drei Monate lang kein Tier verkaufen zu können!
Im Ferkelbereich läuft es nicht besser. Obwohl rechtlich möglich, lehnen viele Schweinemäster Ferkel aus Restriktionsgebieten ab, da sie vom örtlichen Veterinäramt gedrängt werden, keine Tiere von dort einzustallen.
Im Moment werden viele leer stehende Altställe in unserer Region wieder mit Schweinen belegt, um die Situation zu entschärfen. Allerdings wird das Problem nur verschoben und nicht gelöst, da die Abnahme von Schlachtschweinen in Kellinghusen wie oben beschrieben erheblich stockt.
Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Lage für die Schweinehalter vor Ort zu verbessern? Was muss dabei mit höchster Priorität umgesetzt werden?
Höchste Priorität muss die Entschärfung der Tierschutzprobleme in den überfüllten Ställen haben. Dabei darf es keine Denkverbote geben.
Idealerweise finden sich Abnehmer, die Fleisch von Schweinen aus den Restriktionsgebieten abnehmen und auch normal bezahlen. Schließlich sind diese Tiere die am besten untersuchten im ganzen Bundesgebiet, und es gibt keinen Grund, ihr Fleisch abzulehnen. Hier sind alle Beteiligten gefragt: Neben den Behörden natürlich auch die gesamte Schlacht- und Lebensmittelbranche. Denn aus den Restriktionsgebieten können schließlich nur so viele Schweine geschlachtet werden, wie auch als Fleisch verkauft werden können.
Der Export nach Polen wäre eine Alternative. Vor ASP wurden hier im Grenzgebiet öfter Schweine nach Polen exportiert, und das EU-Recht würde diese Möglichkeit hergeben. Da in Polen große Gebiete von ASP betroffen sind, ist Fleisch aus Restriktionsgebieten dort nichts anstößiges mehr, und mehrere Schlachthöfe nehmen diese Schweine an. Allerdings verweigern polnische Behörden derzeit den Import von deutschen Schweinen aus Restriktionszonen, und deutsche und europäische Behörden tun viel zu wenig, um daran etwas zu ändern.
Um extreme Tierschutzprobleme in überfüllten Ställen abzumildern, wurde vereinzelt das Thema Keulung angesprochen. Ein hochemotionales Thema mit äußerster Brisanz, aber wenn die Alternative drei Monate Stand-Still mit allen Konsequenzen bedeutet, darf man da gerne mal drüber nachdenken.
Eine temporäre Stillegungsprämie für Ställe in Restriktionsgebieten wurde auch schon vorgeschlagen. Während viele meiner Berufskollegen und ich diese Maßnahme in freien
Gebieten vehement ablehnen, sehe ich die Lage im ASP-Gebiet differenzierter.
Schließlich benötigen die Schweinehalter in den Restriktionszonen Ausgleichsgelder der Behörden, um auf den finanziellen Stand der Kollegen in den freien Gebieten versetzt zu werden. Während sich der allgemeine Schweinemarkt in den nächsten Monaten sicher wieder freilaufen
wird, ist in den betroffenen Gebieten auf absehbare Zeit nicht damit zu rechnen.
Welche Empfehlungen haben Sie für Ihre Berufskollegen in den bislang noch nicht von Restriktionszonen betroffenen Bundesländern?
Da sich die ASP in den letzten Monaten erheblich ausgebreitet hat, und sich die Bekämpfungsmaßnahmen nicht geändert haben, gehe ich davon aus, dass in nächster Zeit weitere Gebiete von ASP bei Wildschweinen betroffen sein werden. Perspektivisch gehe ich davon aus, dass auch die schweinedichten Regionen in den nächsten Jahren betroffen sein werden, ganz unabhängig von der immer drohenden Gefahr einer Sprunginfektion durch das oft zitierte achtlos weggeworfene Wurstbrot eines osteuropäischen Fernfahrers.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: ASP ist kein regionales Problem in den Ostgebieten Brandenburgs und Sachsens, es ist ein bundesweites Problem! Wer meint, die ASP wird auf wenige ostdeutsche Regionen begrenzt bleiben, muss sich nur die Dynamik der Entwicklung in Deutschland im letzten Jahr ansehen. Bisher konnten einige Länder wie Belgien und Tschechien zwar Punktinfektionen erfolgreich bekämpfen, aber kein Land konnte dem ständigen ASP-Druck aus Osten auf Dauer standhalten. Ich wüsste nicht, warum das in Deutschland anders laufen sollte als in Polen, Rumänien, Ungarn, Russland oder den baltischen Staaten.
Die Empfehlungen für meine Berufskollegen in bisher nicht betroffenen Regionen lauten daher:
- Biosicherheitsmaßnahmen intensivieren
- Ertragsausfallversicherung abschließen, so lange das noch möglich ist
- den Status
ASP-unverdächtiger Betrieb
anstreben (wöchentliche Blutproben von verendeten Tieren einreichen und halbjährliche Kontrolle durch das Veterinäramt), ansonsten müssen Ferkel und Schlachtschweine im ASP-Fall vor der Vermarktung geblutet werden, was erhebliche Probleme mit sich bringt - kein Geld in bauliche Maßnahmen stecken. Ich weiß, dass insbesondere die Sauenhalter in den nächsten Jahren investieren müssten, und dass viele Betriebe mit einem Umstieg auf Haltungsstufe 3 oder 4 liebäugeln; dennoch wäre ich mit langfristigen Investitionen in nächster Zeit sehr zurückhaltend, da eine Refinanzierung im Fall einer ASP-Restriktion definitiv nicht gegeben ist
Wie sind Ihre Perspektiven für die Zukunft?
Da ich einen Gemischtbetrieb mit relativ hohem Ackeranteil und im Vergleich recht kleinen Maststall (ca. 1600 Mastplätze) bewirtschafte, kann ich die Verluste im Schweinebereich über den Acker quersubventionieren. Ich gehe davon aus, dass Schweinehaltung in unserer Region langfristig keine Zukunft hat, da Tierhaltung aufgrund der geringen Viehdichte hier keine Lobby hat und politisch viel zu wenig Unterstützung erfährt.
Bereits im Frühjahr 2021 habe ich daher die Schweinehaltung eingestellt in der vagen Hoffnung, dass sich die Situation in den nächsten Jahren wieder bessert. Rückblickend gesehen war das die beste unternehmerische Entscheidung, die ich jemals getroffen habe. Sollte ich die Schweinehaltung wieder anlaufen lassen, werde ich den Stall nutzen, so lange das technische verantwortbar und rechtlich möglich ist. Ich werde kein Geld mehr in die Hand nehmen, um technische Anlagen zu erneuern oder gar auf neue Haltungsformen umzustellen. Unabhängig von der ASP-Situation erscheint mir die derzeitige Politik nicht verlässlich genug für langfristiges Investment im Tierbereich zu sein, aber das ist ein anderes Thema.