ISN: Das Wolkenkuckucksheim der BÖLW würde zur Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland führen
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) kritisiert die Vorschläge der Borchert-Kommission für die Ausgestaltung einer Haltungskennzeichnung und will die Empfehlung nicht mittragen
Dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gehen die Vorschläge der Borchert-Kommission für die Ausgestaltung einer Haltungskennzeichnung nicht weit genug.
ISN: Die Schweinehalter stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Da gibt es keinen Spielraum für ein Wolkenkuckucksheim der BÖLW. Dieses würde nämlich zum Ausstieg der deutschen Schweinehalter und zur Verlagerung der Erzeugung ins Ausland führen. Damit auch zukünftig hierzulande die Versorgung gesichert ist, muss die Politik jetzt schnell mit Augenmaß bei der Haltungskennzeichnung handeln und den Schweinehaltern hierzulande Planungssicherheit und Perspektive geben.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium will in der zweiten Jahreshälfte Gesetzesvorlagen zur Haltungskennzeichnung in Anlehnung an die Eierkennzeichnung sowie zu den bau- und umweltschutzrechtlichen Regelungen auf den Weg zu bringen. Das kündigte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium Dr. Ophelia Nick in dieser Woche im Rahmen des Forums Tierische Veredlung des Deutschen Raiffeisenverbandes an, meldet Agra Europe.
Hinsichtlich der bereits bekannt gewordenen Eckwerte der Haltungskennzeichnung sei man aber noch nicht festgelegt und man lote Kompromissmöglichkeiten aus, so die Staatssekretärin. Zuvor hatte die Borchert-Kommission bereits gemahnt, die bisher erreichten Kompromisse nicht zunichte zu machen. Man brauche eine Stufe Stall plus
oberhalb des gesetzlichen Standards, in der aktuell rund 50 % der deutschen Schweine gehalten würden. Zudem müsse die höchste Stufe auch konventionellen Betrieben offenstehen. Entscheidend sei eine Finanzierung in Form laufender Tierwohlzahlungen auf der Basis langfristiger Verträge mit den Landwirte, heißt es aus der Kommission.
Dem BÖLW gehen Borchert-Vorschlägen nicht weit genug
Unterdessen ist das Gezerre um die Ausgestaltung der Stufen erneut heftig entbrannt. So kritisierte u.a. Tina Andres, Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Stellungnahme der Borchert-Kommission, man könne den aktuellen Vorstoß nicht mittragen: Denn die jüngste Empfehlung der Borchert-Kommission läuft darauf hinaus, dass nicht nur beim gesetzlichen Mindeststandard, sondern auch bei der nächsten Stufe den Schweinen weiterhin die Schwänze abgeschnitten werden müssten, weil der Stall zu klein ist.
Das habe so wenig mit einem Umbau der Tierhaltung zu tun wie Kohle mit Energiewende. Zudem müsse Bio-Fleisch durch die Kennzeichnung klar von anderen Qualitäten zu unterscheiden sein.
Die ISN meint:
Die Vorstellungen des BÖLW gehen an jeglicher Realität vorbei. Sie sind ein Tritt gegen das Schienbein besonders derjenigen Schweinehalter, die bereits mehr Tierwohl in ihren Ställen umsetzen. Denn genau so zerstört man das weit verbreitete wirtschaftsgetragene System der Initiative Tierwohl.
Der BÖLW malt ein Wolkenkuckucksheim, das für die meisten Schweinehalter hierzulande nicht erreichbar ist. Wer die Messlatte der Anforderungen immer weiter hochschraubt, so dass sich ein Großteil der Betriebe nicht weiter entwickeln kann, ist verantwortlich dafür, dass hiesige Schweinehalter im Wettbewerb mit Tierhaltern aus dem Ausland vollends abgehängt werden. Die deutschen Betriebe steigen aus und die Abhängigkeit von Importen wird immer stärker – genau das ist längst Realität. Wozu Abhängigkeiten hinsichtlich der Versorgungslage führen, zeigt die Ukraine-Krise mehr als deutlich, kommentiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack.
Dabei würden die Vorstellungen des BÖLW gerade angesichts der jetzt schon hochgeschossenen Teuerungsraten nicht einmal zu einem deutlich höheren Bio-Anteil beim Schweinefleisch aus Deutschland führen – im Gegenteil, in unserem globalen deutschen Markt wird dann an der Ladentheke vermehrt auf kostengünstigeres Importfleisch ausgewichen, resümiert Staack weiter.
Gerade auch der Politik muss klar sein, die Schweinehalter haben keinen finanziellen Spielraum mehr, um in irgendwelche Vorleistungen zu treten. Wolkenkuckucksheime können sie sich nicht leisten – Was sie brauchen sind Vorgaben mit Augenmaß und auskömmlicher Finanzierung, so wie sie die Borchert-Kommission vorgeschlagen hat!, so Staack weiter:
Es ist gut, wenn sich die Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick gerade in dieser Hinsicht offen gegenüber den Einwänden aus der Branche zeigt. Es ist dagegen wenig zielführend, wenn Minister Cem Özdemir weiter in Lethargie verharrt und lediglich von Reduzierung der Tierbestände spricht, statt für Planungssicherheit und Perspektive zu sorgen. Die Zeit drängt, denn täglich scheiden weitere Betriebe in atemberaubender Geschwindigkeit aus – allein im vergangenen Jahr wurde der Schweinebestand um 10 % reduziert", mahnt Staack.