ISN-Mitgliederversammlung 2024: Von Chancen und Herausforderungen der Schweinebranche
Nach den Krisenjahren: Schweinebranche zwischen Frust und Zuversicht
– So lautete das Topthema auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der ISN am Dienstag in Osnabrück, das zunächst vom ISN-Vorsitzenden Heinrich Dierkes und ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack in ihren Geschäftsberichten beleuchtet und nach dem offiziellen Teil der Mitgliederversammlung aus der Perspektive von Spitzenvertretern aus den in Deutschland führenden Schlachtunternehmen auf dem Podium intensiv diskutiert wurde. Rund 350 ISN-Mitglieder und Gäste hatten den Weg in die Osnabrücker Stadthalle gefunden, um sich zu informieren, auszutauschen und um mitzudiskutieren.
Trotz guter Erlöse und positiver Marktaussichten, blicken viele Schweinehalter verhalten in die Zukunft. Insbesondere die steigende Bürokratie, die fehlende Planungssicherheit und die stetig neuen und wechselnden Anforderungen sorgen für schlechte Stimmung, ebenso wie die Kostenschraube, die immer weiter nach oben gedreht wird. Dieses Spannungsfeld war auch am Dienstag auf der ISN-Mitgliederversammlung in Osnabrück deutlich zu spüren und wurde von Heinrich Dierkes, ISN-Vorsitzender und Dr. Torsten Staack, ISN-Geschäftsführer, in ihren Berichten verdeutlicht.
Im Anschluss an die Regularien verfolgten rund 350 Besucher im vollen Veranstaltungssaal eine spannende Podiumsdiskussion. Die Moderatoren Marcus Arden (top agrar) und Michael Werning (SUS) entlockten den Diskutanten dabei geschickt einige interessante Antworten. Dabei wurden auch heiße Eisen nicht liegen gelassen und neue Ansätze, wie Überlegungen zu einer neuen Preisfindung und vertraglichen Bindungen sowie eine umfassende Branchenkommunikation diskutiert.
Auf dem Podium (v.l.): Michael Werning (Moderation), Michael Schulze Kalthoff, Heinrich Dierkes, Clemens Tönnies, Marcus Arden (Moderation) ©ISN
Tierwohlfleisch: Reine PR oder echte Chance?
Wir wissen es schlichtweg nicht
, lautete die Antwort vom ISN-Vorsitzenden Heinrich Dierkes auf die Frage, welche Bedeutung Tierwohlfleisch in Zukunft haben werde, direkt zum Einstieg in die Podiumsdiskussion. Es gebe Umfragen ohne Ende, dass die Verbraucher mehr Tierwohl wollen und auch das Ziel der Politik sei klar, aber es gebe auch einen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Clemens Tönnies, Geschäftsführender Gesellschafter der Tönnies Holding, zeigte sich optimistischer. Wenn der Handel ausschließlich Haltungsstufe 3 anbieten werde, werde es auch einen Schub beim Bedarf an Schweinefleisch aus Haltungsstufe 3 geben. Der Verbraucher hat gelernt, mit höheren Preisen umzugehen, die früher utopisch waren
, lautete seine Einschätzung auf die Frage, ob sich der Handel mit seiner Tierwohlstrategie verzocke. Gleichzeitig dürfe Fleisch nicht nur für Reiche gemacht werden. Michael Schulze Kalthoff, COO Pork & Sales bei Westfleisch betonte, dass man vor allem schrittweise vorgehen müsse, um auf Seite der Landwirtschaft auch skeptische Schweinehalter mitzunehmen.
Herkunft Deutschland ist ein Gewinnerthema
Neben der Tierwohldebatte wird aktuell viel über Deutsche Herkunft
diskutiert. Für Schulze Kalthoff definitiv ein Gewinnerthema für die deutschen Schweinehalter. Der deutsche Lebensmittelhandel steht zur deutschen Herkunft.
Das war bisher so und habe auch bei einem Schweinepreis von 2,50 Euro geklappt. Zustimmung erhielt er dabei von Clemens Tönnies. 4 bzw. 5xD ist unsere Lebensversicherung.
Trotzdem müsse man auf der Hut sein: Im Augenblick halten sich die Händler dran, aber wenn es top Angebote aus dem Ausland gibt, kann es sein, dass der Handel wackelt.
"Preisanpassungen von 30 bis 40 mal im Jahr nützen niemandem" Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter der Tönnies Holding ©ISN
Schweinemarkt: Neue Wege der Zusammenarbeit
Beim Blick auf die Entwicklung der Strukturen und Märkte, nimmt die Diskussion um neue Wege der Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette Fleisch Fahrt auf. Auf die Frage nach Alternativen zur jetzigen Zusammenarbeit bekannte sich Clemens Tönnies klar zu einer längerfristigen Preisbindung. Ein Schweinepreis von 2,50 € ist schön, aber nicht für eine Woche. Besser ein Jahr lang 2,10 € als eine Woche 2,50 €.
Aus seiner Sicht müsse ein gesunder Schweinepreis kalkuliert werden, der sich an den wahren Kosten für die Schweinehalter orientiere. Die Schlachtunternehmen seien dann gefordert, diesen am Markt durchzusetzen. Vorstellen könne er sich z.B. Preise, die für ein halbes Jahr festgelegt werden. Ganz ausschließen wollte auch Heinrich Dierkes nicht, dass eine engere Kooperation in Form einer vertraglichen Bindung ein Weg für die Zukunft sein könne. Verträge bieten auch Sicherheit für die Landwirte. Die Zeiten haben sich geändert. Ich glaube, wir werden zu anderen Strukturen kommen
, lautete seine Einschätzung. Unsere Aufgabe als ISN wird es sein, auch weiterhin für Transparenz zu sorgen.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Schon lange nicht mehr nur Zukunftsmusik
Weiter führte die Diskussion zum Thema Nachhaltigkeit. Die Moderatoren wollten wissen, welche Bedeutung der CO2-Fußabdruck, Lebenszyklusanalyse usw. in Zukunft bekommen und was die Fleischbranche bei diesem Thema von den Bauern fordert. Taxonomie ist das Thema
, stellte Heinrich Dierkes klar. Es wird nochmal mehr Arbeit und nochmal mehr Bürokratie von uns Bauern fordern, aber wir können den Abnehmern etwas bieten und das sollten wir auch tun.
Dierkes betonte die Wichtigkeit eines einfachen Systems zur Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien, das für alle gelte und als Gradmesser fungiere. Zustimmung gab es hierzu von den anderen Diskussionsteilnehmern. Man muss uns nur in Ruhe lassen, dass kriegen wir das Thema gelöst
, ergänzte Tönnies. Auf Nachfrage, nach der Klimaplattform Fleisch
, die die Tönnies Holding ins Leben gerufen hat, um die ganze Branche auf eine einheitliche Berechnungsweise einzuschwören, erklärte Clemens Tönnies: Wir wollen keine Tönnies-Basis, sondern wir sehen uns als Kette.
Es habe etwas gedauert, aber nun sei man bereit für eine gemeinsame Erklärung. Laut Schulze Kalthoff sei jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür. Auch die Politik sei heute mehr bereit zu Gesprächen als vor einem halben Jahr.
Bedankte sich für die spannende und umfassende Diskussion: ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack ©ISN
Geht die Branchenkommunikation an den Start?
Zum Abschluss der Diskussion brachten die Moderatoren das Thema Branchenkommunikation zur Sprache. Schweinefleisch habe nach wie vor ein Imageproblem und seit Jahrzehnten werde über Werbemaßnahmen diskutiert. Wie weit ist die Branche und wer sitzt mit im Boot?
wollten Marcus Arden und Michael Werning wissen. Zunächst einmal muss Geld eingesammelt werden
, erklärte Schulze Kalthoff. Für gutes Marketing brauche man einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag aus der Kette, der vom Schlachthof als Flaschenhals abgeführt wird. Das sei eine schwere Geburt gewesen, aber werde aktuell angeschoben. Die Branchenkommunikation ist auf einem guten Weg
, ergänzte Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), aus dem Publikum. Auch Heinrich Dierkes bekannte sich dazu. Wir müssen den Spalt zwischen Landwirtschaft und Verbraucher deutlich verringern. Wir müssen Informationen zu unseren Produkten an die Verbraucher bringen
, lautete Heinrich Dierkes Abschlussapell.