ISN-Presseinfo: ISN-Schlachthofranking 2020: Große Herausforderungen durch Corona und ASP
Damme, 28. April 2021. Das Jahr 2020 war ein Sonderjahr. Mit der Corona-Pandemie, der Afrikanischen Schweinepest (ASP), dem Schweinestau, den Gastronomieschließungen, der Sperrung von Drittlandsexporten und der Abschaffung der Werkverträge war 2020 turbulent für die gesamte Branche - auch für die Schlachtunter-nehmen. Insgesamt hat die Krise den langjährigen Trend zusätzlich beschleunigt: Immer weniger Schlachtunternehmen konkurrieren um eine abnehmende Zahl an deutschen Schlachtschweinen. Die Diskussion um Margen in der Kette muss jetzt zum Ergebnis geführt werden!
Bei der Bewertung des ISN-Schlachthofrankings 2020 ist zu berück-sichtigen, dass die Corona-Pandemie als Sondereffekt die Zahl der Schlachtungen pro Schlachtunternehmen je nach Betroffenheit der jeweiligen Schlachtstandorte erheblich beeinflusst hat. Trotz der Krise fielen die Verschiebungen innerhalb des Rankings aber eher gering aus.
Deutlich weniger Schweine geschlachtet – Konzentration in der Schlachtbranche nimmt zu
Insgesamt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr 53,28 Mio. Schweine geschlachtet. Das waren 1,91 Mio. Tiere bzw. 3,5 % weniger als 2019 - die niedrigste Zahl seit 14 Jahren. Insgesamt schlachteten die Top 10-Schlachtunternehmen 82,2 % aller Schweine in Deutschland. 2019 waren es noch 80,4 %. Bei einigen mittelständischen Unternehmen kam es zu Zusammenschlüssen. Die Konzentration in der Schlachtbranche hat also weiter zugenommen.
Tönnies mit Abstand zu Vion und Westfleisch
Im vergangenen Jahr schlachtete das Unternehmen Tönnies in Deutschland 16,3 Mio. Schweine - etwa 400.000 Tiere bzw. 2,4 % weniger als 2019.
Damit war der Rückgang weniger stark als der des gesamten Marktes und Tönnies konnte seinen Marktanteil um 0,3 % auf 30,6 % steigern. Das ist bemerkenswert, denn immerhin war der größte Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück (mit ca. 130.000 Schweineschlachtungen pro Woche) nach zahlreichen positiven Corona-Tests bei Mitarbeitern ab Mitte Juni für vier Wochen komplett geschlossen. Und auch danach war dort der Schlacht- und Zerlegebetrieb für weitere 18 Wochen stark reduziert. Auch der Tönnies-Standort in Sögel war über Wochen stark eingeschränkt. Gerade die im Nachhinein betrachtet in hohem Maße von politischen Machtspielen getriebenen Einschränkungen in Rheda-Wiedenbrück waren der Auslöser des Schweinestaus, der sich bis Jahresende auf über eine Millionen Schweine ausdehnte.
Den zweiten Platz im Schlachthofranking holte sich das niederländische Schlachtunternehmen Vion zurück. Mit 7,6 Mio. in Deutschland geschlachteten Schweinen konnte das Unternehmen seine Jahresschlachtmenge im Vergleich zum Vorjahr stabil halten. Auch Vion war durch die Corona-Pandemie von deutlichen Einschränkungen an einzelnen Schlachthöfen betroffen, konnte dies aber offensichtlich über seine in Deutschland verteilte Schlachthofstruktur auffangen. Vions Marktanteil steigerte sich um 0,5 % auf 14,3 %.
Das genossenschaftliche Schlachtunternehmen Westfleisch verzeichnete im vergangenen Jahr einen Rückgang der Schlachtmengen um 3 % auf 7,47 Mio. Schweine. Auch Westfleisch hatte mit Einschränkungen der Schlachthofkapazitäten durch die Corona-Pandemie zu kämpfen. Beispielsweise musste der Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld als erster größerer Schlachthof vorübergehend pausieren. Weil der Rückgang der Jahresschlachtmengen im Unternehmen ähnlich groß war, wie der Rückgang des gesamten Marktes, blieb der Marktanteil aber unverändert bei 14 %.
Zusammenschlüsse im Mittelstand
Die Unternehmen auf den Positionen 4 bis 10 konnten ihre Marktanteile größtenteils halten oder sogar ausbauen. So konnte Böseler Goldschmaus die Zahl der Schweineschlachtungen 2020 um 4,5 % gegenüber 2019 steigern. Eine Ausnahme war der einzige deutsche Schweineschlachtstandort des dänischen Schlachtunternehmens Danish Crown in Essen/Oldenburg, wo ein beachtlicher Rückgang der Schlachtungen um 6,6 % verzeichnet wurde.
Neu aufgestiegen in die Liste der Top 10 - Schlachtbetriebe in Deutschland ist in diesem Jahr das Unternehmen Steinemann aus Steinfeld in Niedersachsen, durch die Übernahme des Schlachthofs der Erzeuger-gemeinschaft Osnabrück in Georgsmarienhütte.
Ausblick: Weniger deutsche Schweine – Mehr feste Lieferverträge
Der ohnehin schon deutliche Bestandsabbau in der deutschen Schweine-haltung wurde durch Corona und ASP nochmal stark beschleunigt
, fasst ISN-Marktanalyst Klaus Kessing zusammen und folgert daraus: Für die Schlachtunternehmen werden die deutschen Schweine damit in Zukunft knapper, was auch zukünftig zu Strukturveränderungen in der Schlachtbranche führen dürfte. Weitere Schließungen vor allem kleinerer und mittelgroßer Schlachtstandorte sowie weitere Übernahmen oder Zusammenschlüsse könnten die Folge sein, so dass die Konzentration weiter zunehmen dürfte. Im Zuge dieser Entwicklungen wäre es auch denkbar, dass ausländische Investoren auf den Plan treten.
Mit Blick auf die Beziehungen zwischen Schlachtunternehmen und Schweinehaltern fügt er hinzu: Für die Schlachtunternehmen wird die Rohstoffsicherung Schwein immer wichtiger – quantitativ wie auch qualitativ. Ein großer Teil an Schweinen dürfte bald in festen Lieferverträgen gebunden sein.
Notwendige Diskussion über Margenverteilung
Ohne Zweifel sind die Kosten der Schlachtunternehmen u.a. durch die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr gestiegen
, so ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Die bekannten Jahresabschlüsse von Schlachtunternehmen zeigen aber auch deutlich, dass diese – ganz anders als die Schweinehalter – das Krisenjahr 2020 finanziell sehr gut überstanden haben. Hier ist die Erlösverteilung in der Kette gewaltig zu Lasten der Schweinehalter aus den Fugen geraten
, kritisiert Staack und fordert: Deshalb ist die jetzt geführte Diskussion um die Erlös- und Margenverteilung in der Kette Schweinefleisch genau richtig und muss zum Ergebnis geführt werden – und zwar mit dem Lebensmitteleinzelhandel, aber auch genauso mit den Schlachtunternehmen. Die Schweinehalter müssen ein ausreichend großes Stück von der Torte abbekommen. Alles andere ist nicht akzeptabel.