Katastrophale Preissituation für Ferkelerzeuger und Schweinemäster – Überbrückungshilfen dringend benötigt!
Die Preissituation für Ferkelerzeuger und Schweinemäster ist katastrophal. Viele schweinehaltende Betriebe in Deutschland sind in ihrer Existenz bedroht. Um einen Ausweg aus der Krise zu finden, muss der Absatz von deutschem Schweinefleisch dringend angekurbelt werden. Daneben sind zur Überbrückung dieser schwierigen Phase auch finanzielle Hilfen dringend notwendig.
Der Preisverfall der Ferkel- und Schlachtschweinepreise bei gleichzeitiger Kostenexplosion beim Mischfutter ist eine finanzielle Katastrophe für die deutschen Schweinehalter. Jedes Schwein, das zu den aktuellen Konditionen erzeugt und verkauft wird, führt in Ferkelerzeugung und Mast zusammen zu einen Verlust von schätzungsweise 55 Euro. Dabei müssen sowohl Ferkelerzeuger als auch Mäster ihren Verlustanteil tragen. Zusammengenommen betragen die Verluste aller deutschen Schweinehalter unter diesen Bedingungen 47 Mio. Euro – pro Woche! Es ist beängstigend, wie viele Schweinehalter – und besonders Ferkelerzeuger – derzeit ihren Betrieb für immer einstellen müssen. Dass dadurch die gesamte Wertschöpfungskette Schwein auf Dauer gefährdet ist, scheinen derzeit leider noch viel zu wenige Akteure in der Kette zu erkennen.
Nur vereinzelt gibt es Ausnahmen: Beispielsweise ist die Ankündigung der EDEKA, erneut eine befristete Preisstützungsmaßnahme für die Gutfleisch-Erzeuger einzuführen, ein wichtiges Signal an die heimischen Erzeuger. Die Richtung stimmt, wenngleich der versprochene Aufschlag bei Weitem nicht für eine kostendeckende Erzeugung ausreicht und nur wenige Erzeuger betrifft. Auch die Ankündigung der REWE, ab Sommer 2022 auf 5x D umzustellen (5 mal D: REWE setzt Ausrufezeichen), zeigt, dass die REWE sich Sorgen um die heimische Erzeugung macht. Allerdings ist es bis Sommer 2022 noch eine lange Zeit, die viele Betriebe nicht überstehen werden, wenn sich nicht schnell etwas ändert.
Besserer Absatz vom deutschem Schweinefleisch dringend benötigt
Der Weg zur Entlastung des Marktes und aus der Misere führt über den Absatz von Schweinefleisch. Es braucht Absatz, Absatz und nochmal Absatz. Dieser muss sowohl im Einzelhandel als auch im Großhandel angekurbelt werden. Als Grundsatz dabei muss gelten: Vorfahrt für deutsches Schweinefleisch. Wir fordern: Vorfahrt für deutsches Schweinefleisch und mehr Aktionen für deutsches Schweinefleisch – auch im Großhandel und in der Gastronomie
, so ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Dabei geht es uns nicht um Marktabschottung. Wir haben aktuell aber einen Ausnahmezustand am deutschen Schweinemarkt, wir haben es mit einer ausgewachsenen Absatzkrise zu tun. Wenn die hiesigen Kühlhäuser voll mit Ware aus deutscher Produktion sind, dann muss doch alles dafür getan werden, dass die Froster leer werden. Sonst wird sich der dringend benötigte Preisanstieg für Ferkelerzeuger und Mäster nicht durchsetzen lassen. Auch deshalb rücken wir den Großhandel samt Außer-Haus-Verzehr in den Fokus
, erläutert Staack. Und weiter: Wir brauchen absatzfördernde Werbeaktionen für deutsches Schweinefleisch – wir brauchen dagegen keine (Billig)angebote von Schweinefleisch aus anderen Herkunftsländern.
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Strukturbruch durch finanzielle Hilfen verhindern
Um einen Strukturbruch gerade bei den Ferkelerzeugern zu vermeiden, benötigen die Betriebe jetzt jede Unterstützung. Von der Politik verlangen wir die Möglichkeit, weiterhin Corona-Überbrückungshilfen beantragen zu können
, fordert Staack. Wie auch Unternehmen anderer Branchen waren und sind schweinehaltende Betriebe von der Corona-Pandemie stark betroffen und bedürfen somit einer finanziellen Unterstützung des Staates. Noch immer sind Corona-Auswirkungen noch deutlich zu spüren: Über lange Zeit kam der Konsum im Außer-Haus-Bereich fast vollständig zum Erliegen und auch die Lockerungen zum Sommer brachten nur teilweise Besserungen. Große Feiern oder Veranstaltungen, die eine wichtige Rolle beim Absatz vom Schweinefleisch spielen, können bis heute nicht wieder in dem Maße wie vor der Pandemie stattfinden. Beispielsweise dürfen bei Fußballspielen derzeit die Stadien höchstens zu 50 % bzw. bis zu einer maximalen Zuschauerzahl von 25.000 Personen ausgelastet werden. Auch in vielen Kantinen sind die Umsätze immer noch deutlich geringer als vor der Pandemie, sofern sie überhaupt wieder geöffnet wurden.
Die neuesten verfügbaren Zahlen vom Statistischen Bundesamt zum Umsatz im Bereich Caterer und sonstige Verpflegungsdienstleistungen
aus für Juni 2021 liegen noch um 38 % niedriger als im Juni 2019. Für das gesamte Gastgewerbe wird trotz der Erholung nach den Lockerungen zum Sommer für Juni 2021 immer noch ein Umsatzrückgang von 41 % im Vergleich zum Juni 2019 ausgewiesen. Der Absatzmarkt im Außer-Haus-Bereich machte vor der Corona-Zeit für Schweinefleisch mengenmäßig immerhin knapp ein Drittel des Marktes aus. Häufig kommt der Konsum im Außer-Haus-Bereich on top zum normalen Verzehr (z. B. Essen auf Feiern, Bratwurst im Stadion etc.), daher konnte nur ein Teil des weggebrochenen Außer-Haus-Verzehrs durch den Lebensmitteleinzelhandel und Lieferservices aufgefangen werden. Deshalb bringt die Umsatzschwäche im Außer-Haus-Bereich den Schweinepreis seit Beginn der Pandemie bis heute unter erheblichen Druck.
Die Menge an eingelagertem Schweinefleisch im ersten Halbjahr dieses Jahres übersteigt die Menge des Vergleichszeitraums um 28 %. ©AMI
Zudem sind die Nachwehen des so genannten Schweinestaus zu spüren. Infolge der zum Teil vollständigen Betriebsschließungen in Schlacht- und Zerlegebetrieben nach Corona-Ausbrüchen bei Mitarbeitern im vergangenen Jahr und starken Kapazitätseinschränkungen in Zusammenhang mit vorbeugenden Maßnahmen konnten viele Schweine viel zu spät und viel zu schwer geschlachtet werden. Diese Folgen können wir auch in den enormen Lagerbeständen an Schweinefleisch in den Kühlhäusern ablesen
, betont ISN-Marktanalyst Klaus Kessing. Im Juni 2021 lagen die Kühlhausbestände an Schweinefleisch um ca. 24 % höher als im Juni 2020 und ca. 47 % höher als im Juni 2019.
Hintergrund zum Schweinstau
Ab Mitte Juni 2020 baute sich in Deutschland ein Schweinestau auf. Ursächlich dafür waren die Corona-Infektionen bei Mitarbeitern in verschiedenen Schlacht- und Zerlegebetrieben in Deutschland, woraufhin Schlachthöfe teilweise ihren Betrieb vorübergehend komplett einstellen oder sehr stark einschränken mussten. Ein Vorwurf zu der Zeit an die Behörden war, dass einige Schlachthöfe deutlich länger als unbedingt nötig herunterfahren mussten. So stand beispielsweise der Betrieb am Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück über einen Zeitraum von vier Wochen komplett still und war auch nach Wiederaufnahme der Arbeit noch 18 Wochen lang stark in der Kapazität eingeschränkt.
Insgesamt waren die bundesweiten Schlachtkapazitäten über Monate so sehr beschränkt, dass sie das Angebot an Schlachtschweinen nicht bewältigen konnten, was einen massive Schweinestau zur Folge hatte. Anfang dieses Jahres standen über 1 Mio. Schweine in der Warteschleife. Der Schweinestau konnte erst im Februar 2021 aufgelöst werden, weil sich erst dann die Anpassungsreaktionen der landwirtschaftlichen Betriebe (geringere Ferkelimporte, weniger Sauenbelegungen, Betriebsaufgaben) bemerkbar machten. Die Lagerbestände an Schweinefleisch wuchsen in diesem Zeitraum stark an.
Beantragung Corona-Überbrückungshilfe muss möglich bleiben
Zwar hat vermutlich nicht ausschließlich die Corona-Pandemie, sondern ein Mix aus vielen Markteinflüssen zu der heutigen Krise am Schweinemarkt geführt, aber ohne die Corona-Pandemie würden sich gewiss nicht so viele schweinehaltende Betriebe in einer solchen existenzbedrohenden Situation befinden und auf Liquiditätshilfen angewiesen sein. Daher aktualisiert die ISN derzeit die Argumentationshilfe für Ferkelerzeuger und Schweinemäster zur Beantragung der Überbrückungshilfe. In den meisten Bundesländern - bis auf wenige Ausnahmen - wurde diese bisher sehr gut angenommen. Von politischer Seite erwartet die ISN diesbezüglich ein deutliches Signal. Wenn die Schweinehalter und vor allem die Ferkelerzeuger in dieser kritischen Situation hängen gelassen würden, wäre das fatal.