21.06.2021rss_feed

Kupierverzicht: Niederländische Wissenschaftler empfehlen schrittweisen Ausstieg aus dem Schwanzkupieren

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Nach einem Abschlussbericht des Forschungsprojekts Stufenplan Ringelschwanz 2017-2021 der Universitäten Wageningen und Utrecht ist es derzeit noch zu früh, das Schwanzkupieren in allen Schweine haltenden Betrieben komplett einzustellen. Wie das niederländische Fachmagazin boerderij berichtet, soll ein Stufenplan für die ganze Wertschöpfungskette die notwendigen Voraussetzungen für den Ausstieg aus dem Schwanzkupieren schaffen. Auch der Verband österreichischer Schweinebauern (VÖS) geht davon aus, dass ein Ausstieg aus dem Schwanzkupieren nur schrittweise gelingen kann.

ISN: Der Verzicht auf das Kupieren der Schwänze ist in allen EU-Mitgliedsstaaten mit nennenswerter Schweinehaltung eine riesige Herausforderung für die Schweinehalter. Fakt ist, bei dem Thema kann man nicht mal eben einen Schalter umlegen. Im Gegenteil: Vorsichtiges Herantasten ist angesagt – auch im Sinne der Tiere. Zudem benötigt es einen weitgehenden zeitlichen Gleichschritt in Europa, der den Weg zum Kupierverzicht behutsam weiterverfolgt und bei dem auch die hiesigen Schweinehalter im gemeinsamen Markt noch mithalten können.

 

In einem Forschungsprojekt haben sich niederländische Wissenschaftler der Universitäten Wageningen und Utrecht gemeinsam mit einem Netzwerk von Schweinehaltern in den letzten vier Jahren mit dem Halten von Schweinen mit Langschwänzen beschäftigt. Dabei wurden Empfehlungen für die ganze Wertschöpfungskette ausgearbeitet, wie das Schwanzkupieren in Zukunft in den Schweine haltenden Betrieben eingestellt werden kann. Zudem wurde ein Tierwohl-Check entwickelt, mit dem Schweinehalter die Risiken für Schwanzbeißen in ihrem Betrieb ermitteln können.

 

Keine Empfehlung für komplette Einstellung des Schwanzkupierens

In einem Abschlussbericht wurden nun die Ergebnisse vorgestellt. Wie das niederländische Fachmagazin boerderij berichtet, empfehlen die Wissenschaftler derzeit noch keinen kompletten Stopp des Schwanzkupierens. Als Gründe werden genannt, dass zum einen die Haltung von Schweinen mit Langschwanz nicht ganz einfach sei und zum anderen teilweise größere Investitionen sowie der Erwerb von Fachwissen erforderlich seien, um die Risiken des Schwanzbeißens zu eliminieren.

 

Stufenplan für gesamte Wertschöpfungskette

Das Halten von unkupierten Schweinen ist möglich, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen, wird Gert van der Peet, Wissenschaftler der Wageningen Livestock Research, von boerderij zitiert. Anhand der Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt wurden deshalb ein dreistufiger Plan für die gesamte Kette ausgearbeitet:

  • Es müssen branchenweite Anstrengungen unternommen werden, um Unterstützung für den Tierwohl-Check zu schaffen. Nur so können Schweinehalter neue Erkenntnisse bekommen. Auf mehreren Betrieben gibt es immer noch niedrig hängende Früchte, die Schweinehalter als Startpunkt zum kompletten Kupierverzicht nutzen können;
  • Um das Schwanzbeißen und seine Risiken erkennen und frühzeitig eingreifen zu können, ist eine kontinuierliche Unterstützung der Schweinehalter und des Personals in Form von Wissen, Weiterbildung und Coaching erforderlich. Der Hofnachfolger muss in diese einbezogen werden;
  • auf vielen Betrieben erfordern intakte Schwänze Investitionen für den Um- und/oder Neubau. Finanzielle Unterstützung kann diesen Prozess beschleunigen.

 

Darüber hinaus sei ein finanzieller Ausgleich erforderlich. Um die Mehrkosten zu decken, solle eine Grundgebühr aus dem Markt kommen, zudem sei ein Notfallfonds wichtig, um wirtschaftliche Schäden abfedern zu können, wenn bei einem Unternehmen unerwartet etwas schief geht.

 

Österreich: Umsetzung wird nur mit praktikablen Lösungen gelingen

Auch in Österreich wurde in den letzten zwei Jahren ein Aktionsplan zum Schwanzkupieren erarbeitet. Die Branche sei sich der riesigen Herausforderung aber auch Verantwortung diesem Thema gegenüber bewusst. Da es aktuell aber keine allgemein gültigen Antworten gebe, wie ein Haltungsverfahren in der konventionellen Schweinehaltung aussehen soll, um mit Langschwanztieren produktionssicher arbeiten zu können, werde man auch in der nächst überschaubaren Zeit nicht ohne Schwanzkupieren auskommen können, schreibt DI Johann Stinglmayr, Koordinator des Ausschusses für Recht und Politik im Verband österreichischer Schweinebauern (VÖS), in der aktuellen Ausgabe des VÖS-Magazins.
Nur schrittweise könne es gelingen den Anteil der Langschwanzferkel zu erhöhen. Dafür sei es wichtig, dass der Eingriff nicht mehr routinemäßig durchgeführt, sondern die Notwendigkeit des Schwanzkupierens betriebsindividuell festgestellt werde. Schweinehalter sollten zukünftig mit Hilfe einer regelmäßigen, standardisierten Risikoanalyse ihre Haltungsbedingungen beurteilen und auf Grundlage dieser Ergebnisse Verbesserungen definieren und umsetzen. Als kontraproduktiv und wenig zielführend betrachtet es Stinglmayr, wenn man schon jetzt das rigorose und ausnahmslose Halten von unkupierten Ferkeln in allen Betrieben gesetzlich verlangen würde. Dafür seien weder die arbeitsteilige Struktur der Schweinehaltung in Österreich noch die derzeitigen Bedingungen auf den Betrieben geeignet.

 

Die ISN meint:

Der Verzicht auf das Kupieren der Schwänze ist in allen EU-Mitgliedsstaaten mit nennenswerter Schweinehaltung eine riesige Herausforderung für die Schweinehalter. Fakt ist, bei dem Thema kann man nicht mal eben einen Schalter umlegen. Im Gegenteil: Vorsichtiges Herantasten ist angesagt – auch im Sinne der Tiere. Zum dem Schluss kommen letztlich auch die niederländischen Wissenschaftler und dieses Einschätzung ist genau richtig!

Die beiden Beispiele – und das sind sicherlich nicht einmal zwei besonders verzögerte – zeigen aber auch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Europa sehr deutlich. Während man in den beiden genannten Ländern nun intensiv in die Umsetzung entsprechender Aktionspläne einsteigt, ist der Aktionsplan in Deutschland bereits zwei Jahre scharf geschaltet. Aktuell wird die Umsetzung sogar besonders von den Veterinärbehörden kontrolliert und in Kürze werden verstärkt Maßnahmenpläne eingefordert. Wir brauchen einen weitgehenden zeitlichen Gleichschritt in Europa, der den Weg zum Kupierverzicht behutsam weiterverfolgt und bei dem auch die hiesigen Schweinehalter im gemeinsamen Markt noch mithalten können.


Ausführliche Informationen und Hilfestellungen rund um das Thema Kupierverzicht finden Sie unter www.ringelschwanz.info.
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