LEH erhöht Werbeaktionen mit Fleisch – ISN: Wohl oder wehe
Von Januar bis Oktober 2022 erhöhte der Lebensmitteleinzelhandel die Werbeaktivitäten für Schweinefleisch um etwa 11,9 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
ISN: Verkaufsfördernde Werbeaktionen des Lebensmitteleinzelhandels sind richtig und wichtig! Gleichzeitig offenbaren sie ein Kernproblem für Schweinehalter, nämlich dass beim Fleischkauf überwiegend der Preis entscheidet. Wer Qualität fordert, der muss auch Qualität bezahlen – der Lebensmitteleinzelhandel muss seine Kommunikation anpassen.
Laut Daten der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) hat der Lebensmitteleinzelhandel von Januar bis Oktober 2022 Schweinefleisch deutlich stärker beworben. Gegenüber dem Vorjahr wurden für Produkte aus Schweinefleisch knapp 11,9 % mehr Anzeigen geschaltet. Der am häufigsten beworbene Fleischartikel naturbelassene Schweinesteaks verzeichnete eine Steigerung der Werbehäufigkeit von 4,8 %. Bei marinierten Schweinesteaks betrug der Zuwachs 1,6 %. Die größten Steigerungsraten der Werbeaktivitäten waren bei naturbelassenem Schweinebraten mit einem Plus von 25,3 % zu finden. Im gleichen Zeitraum beobachtete die AMI bei Rinder- und Hähnchensteaks ein Nachlassen der Anzeigendichte von -11,9 % bzw. -7,1 %.
Preislich liegen die Werbeaktionen bei Schweinefleisch in den meisten Fällen jedoch deutlich über dem Vorjahresniveau. Beispielsweise betrug der durchschnittliche Mindestpreis beim naturbelassenen Schweinesteak nun 5,27 €/kg SG, während dieser im Vergleichszeitraum des Vorjahres noch bei 4,68 €/kg lag.
ISN meint:
Die vielfach nachgewiesene Preissensibilität der Konsumenten ist angesichts der hohen Inflation und leerer Geldbeutel aktuell größer denn je. Entsprechend stark ist die Reaktion auf verkaufsfördernde Werbeaktionen. Deshalb ist der Anstieg der Werbeaktionen für Schweinefleisch wenig verwunderlich. Laut Aussagen von Lebensmitteleinzelhändlern wird in solchen Aktionswochen ein Großteil des gesamten Umsatzes eines Monats erzielt. Das bedeutet, Werbeaktionen haben erheblichen Einfluss auf den Durchschnittspreis für Schweinefleisch insgesamt. Damit sind diese Aktionen Wohl und Wehe zugleich. Sie sind richtig und wichtig, um den Fleischabsatz anzukurbeln. Sie offenbaren aber auch ein Grundproblem, mit dem Schweinehalter zu kämpfen haben: Für den Schweinefleischkauf ist nach wie vor der Preis das entscheidende Kriterium.
Auch die vermeintlichen Tierwohltreiber im LEH zeigen bei ihrer Einkaufspolitik ein ganz anders Gesicht als in ihren großspurigen Ankündigungen zum Haltungswechsel. Es funktioniert schlicht nicht, dass sie ihre Anforderungen an Schweinehalter immer weiter hochschrauben und gleichzeitig insbesondere bei bestimmten Teilstücken die Konkurrenz aus dem Ausland nutzen, um die Einkaufspreise zu drücken. Der LEH muss dringend seine Kommunikation in Richtung seiner Kunden überdenken, denn höchste Standards kann es nicht für niedrigste Preise geben. Wer Qualität fordert, der muss auch Qualität bezahlen.
So wird beispielsweise beim Original ALDI Preis
offensiv damit geworben, dass Preise niedrig gehalten werden, ohne dass dabei auf qualitativ hochwertige Produkte verzichtet werden muss. Und auch bei LIDL lohnt sich
ist das Motto Qualität zum günstigen Preis. Man könnte weitere Beispiele aus dem Lebensmittelhandel nennen. Übertragen auf das Fleisch kann man folgern, dass die Haltungsform als Werbeargument gerne genommen wird, aber eigentlich der niedrige Preis entscheidend ist. Wer dann dem Konsumenten auch noch mitteilt, kein schlechtes Gewissen dabei haben zu müssen, der erzählt nur die halbe Wahrheit. Die ist nämlich, dass die Schweinehalter die Zeche für die niedrigen Fleischpreise bezahlen. Es wird von den Schweinehaltern immer mehr gefordert, es wird Rosinenpickerei betrieben und am Ende bleiben die Schweinehalter auf den Mehrkosten sitzen und machen finanziell Miese. Da ist es kein Wunder, dass der Schweinebestand in Deutschland auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung ist und dass allein im vergangenen Jahr knapp zehn Prozent der Schweine haltenden Betriebe ausgestiegen sind. Das ist alles andere als eine nachhaltige Verkaufsstrategie des Lebensmitteleinzelhandels.
Eine Änderung der Kommunikation, welche die großen Lebensmittelhändler über ihre politischen Vertretungen in Richtung Politik, u.a. dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, betreiben, ist ebenfalls dringend erforderlich. Hier muss endlich reiner Wein eingeschenkt werden: Nämlich dass eine Umstellung auf höchste Haltungsstufen über den Markt – also die Konsumenten - nicht einmal ansatzweise bezahlt wird, weil Wunsch vor dem Laden und Wirklichkeit an der Ladentheke meilenweit auseinander laufen.