30.11.2020rss_feed

Mehrwertsteuerpauschalierung: Bundestag verschiebt Neuregelung erneut

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Für Deutschland wird es in Sachen Umsatzsteuerpauschalierung zeitlich immer enger, noch rechtzeitig eine Anpassung der Regelung in Einklang mit den Vorstellungen der Europäischen Kommission auf den Weg zu bringen. Überraschend hat der Bundestag die abschließende Beratung des Jahressteuergesetzes 2020 in dieser Woche erneut von der Tagesordnung gestrichen, berichtet Agra Europe (AgE). Mit dem Jahressteuergesetz hätte eine neue Umsatzgrenze von 600.000 Euro Eingang ins Steuerrecht finden sollen, ab der landwirtschaftliche Betriebe zur Regelbesteuerung wechseln müssen.

 

20.000 landwirtschaftliche Betriebe wären von Neuregelung betroffen

Diese Summe bezieht sich auf die Gesamtumsätze des Unternehmers, beinhaltet also beispielsweise auch Einnahmen aus Lohnunternehmerdienstleistungen und der Erzeugung von erneuerbarem Strom. Bundesweit dürfte diese Umsatzschwelle von rund 20.000 landwirtschaftlichen Betrieben überschritten werden, von denen nach Schätzung von Steuerexperten derzeit etwa jeder zweite nach Durchschnittsätzen versteuert. Gemäß der bisherigen Regelung können alle landwirtschaftlichen Betriebe für die von ihnen verkauften Produkte und erbrachten Dienstleistungen einen pauschalen Mehrwertsteuerbetrag in Rechnung stellen; dieser beträgt für die landwirtschaftlichen Umsätze 10,7 %. Im Gegenzug dürfen die Landwirte allerdings keinen Vorsteuerabzug geltend machen.

Damit das Jahressteuergesetz 2020 doch noch pünktlich zum Jahreswechsel in Kraft treten kann, muss es der Bundestag in der zweiten Dezemberwoche erneut auf die Tagesordnung setzen. Wird es dann verabschiedet, könnte anschließend die Länderkammer am 18. Dezember dem neuen Umsatzdeckel für die Pauschalierung zustimmen.

Hintergrund: EU-Kommission klagt gegen Deutschland

Um Druck gegenüber Deutschland aufzubauen, reichte die EU-Kommission bekanntlich im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens am 4. Februar 2020 Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Konkret wirft die Brüsseler Behörde Deutschland vor, die Pauschalregelung in unzulässiger Weise auch Eigentümern großer landwirtschaftlicher Betriebe zu ermöglichen. Der Kommission zufolge ist diese Ausnahmeregelung jedoch vor allem für Kleinbetriebe gedacht, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuervorschriften administrative Schwierigkeiten zur Folge haben könnte.

 

Verhandlung noch möglich?

Wie das Bundesfinanzministerium auf Nachfrage von AGRA-EUROPE mitteilte, befindet sich die Bundesregierung weiter im Dialog mit der EU-Kommission, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Ausgehend hiervon würde aus Sicht der Bundesregierung eine gesetzliche Anpassung des Paragrafen 24 Umsatzsteuergesetz (UStG), in der die Pauschalierung geregelt sei, einen wesentlichen Beitrag für eine einvernehmliche Lösung leisten. Der Zeitdruck für Deutschland wächst: Geht man von einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von anderthalb Jahren vor dem EuGH aus, könnte es zur Jahresmitte 2021 zu einem Urteilsspruch in dem Vertragsverletzungsverfahren kommen.

 

Die ISN meint:

Ein Wegfall der Umsatzsteuerpauschalierung hätte für viele Betriebe nicht nur erhebliche finanzielle Auswirkungen, sondern würde auch zu einem deutlich höheren bürokratischen Aufwand für die Erstellung der zusätzlichen Umsatzsteuerklärungen sowie aller damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten führen. Angesichts der erheblichen negativen Auswirkungen für die gesamte deutsche Landwirtschaft muss die Bundesregierung alles dafür tun, die Mehrwertsteuer-Pauschalierung nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen und bei der EU die bestehenden Regelungen verteidigen.

 


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