09.02.2021rss_feed

Neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in Kraft getreten

Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist die Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in Kraft getreten (Bilder: ISN/ Jaworr)

Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist die Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in Kraft getreten (Bilder: ISN/ Jaworr)

Die Novelle der Tierschutz-Nutztierhaltung ist nun durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten – die Umsetzungsfristen laufen damit ab jetzt.
ISN: Insbesondere auf Sauenhalter aber auch Schweinemäster kommt eine Herkulesaufgabe zu. Jetzt sollten zwar die Planungen in den Betrieben anlaufen aber keine überstürzten Umsetzungsschritte erfolgen. Schnell müssen nun die noch ausstehenden Ausführungshinweise auf den Tisch. Die Schweinehalter brauchen dringend Unterstützung aus der Politik bei der Umsetzung der Vorgaben – sowohl finanziell, aber auch bei der Lösung der Genehmigungshürden, um die Vorgaben überhaupt umsetzen zu können. In diesem Zusammenhang: Wo bleibt eigentlich die politisch angekündigte Fristverlängerung für das 300 Mio. € - Corona-Konjunkturpaket?

 

Gestern, am 8. Februar 2021, ist die siebte Vorordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Das heißt, seit heute laufen die verschiedenen Fristen zur Umsetzung der neuen Vorgaben für die Haltung von Schweinen. Damit geht ein jahrelanges Tauziehen um die Verordnung zu Ende, das schon vor der vergangenen Bundestagswahl sehr intensiv in Gang war. Am 3. Juli vergangenen Jahres hatte der Bundesrat dann mit großer Mehrheit dem Verordnungsentwurf zugestimmt. Die Veröffentlichung der Ausführungshinweise (bzw. des Handbuchs der Amtsveterinäre) steht noch aus.

 

Erhebliche Änderungen in der Sauenhaltung, aber auch in der Mast

Insbesondere auf Sauenhalter, aber auch auf Schweinemäster kommen nun erhebliche und weitreichende Änderungen in den Haltungsvorgaben für Schweine zu. Wesentliche Änderungen sind folgende:

  • Die Haltung der Sauen im Deckzentrum darf zukünftig nur noch in der Gruppe erfolgen. Eine Fixierung ist nur noch kurzzeitig zur Besamung möglich. Vom Absetzen bis zur Besamung muss den Sauen und Jungsauen ein Platz von 5 m² zur Verfügung stehen. Weitere Details zur Liegefläche und Strukturierung werden vorgegeben. Gleiche Regelungen gelten auch für Zuchtläufer in der Woche vor der ersten erwarteten Besamung. Bereits in spätestens drei Jahren müssen Ferkelerzeuger, die weiter Sauen halten wollen, ein Konzept vorlegen, in dem sie darlegen, wie sie ihre Ställe umbauen wollen. In fünf Jahren muss die Bauantrag eingereicht und in 8 Jahren muss alles umgesetzt sein. Für Härtefälle gibt es weitere 2 Jahre Zeit.
  • Auch im Abferkelbereich wird die Fixierung der Sauen eingeschränkt – auf die Zeit ab einem Tag vor dem Abferkeln bis zum dritten Tag nach der Abferkelung. Die Abferkelbucht muss eine Größe von 6,5 m² aufweisen. Weitere Regelungen zum Boden unter der Sau und zur uneingeschränkt nutzbaren Liegefläche für die Ferkel werden getroffen. In spätestens zwölf Jahren müssen die Ferkelerzeuger ein Umbaukonzept vorlegen und einen Bauantrag einreichen. In fünfzehn Jahren muss hier alles umgesetzt sein. Für Härtefälle gibt es weitere 2 Jahre Zeit.
  • Beschäftigungsmaterial muss zukünftig für alle Schweine organisch und faserreich sein. Was genau das heißt, wird in den Ausführungshinweisen noch näher beschrieben werden. Die Umsetzungsfrist beträgt sechs Monate.
  • Bei der Fütterung wird nur noch zwischen rationiert und ad libitum unterschieden – die bisherige dritte Variante, die tagesrationierte Fütterung entfällt. Bei der Einordnung der Fütterungssysteme entstehen erhebliche Konsequenzen für die meisten Betriebe mit Sensorfütterung am Kurztrog. Denn das anzuwendende maximale Tier-Fressplatz-Verhältnis von 4:1 setzt eine ad-libitum-Fütterung voraus. Mit Blick auf die Ausführungshinweise ist davon auszugehen, dass die Fütterungspausen deutlich eingeschränkt werden. Inwieweit hier dann ein Ausgleich über ein Raufutterangebot geschaffen werden kann, bleibt abzuwarten. Die Umsetzung muss in spätestens 6 Monaten erfolgt sein.
  • Der Wegfall des Wortes dauerhaft in Zusammenhang mit der Überschreitung von Schadgasmessungen kann weitreichende Folgen haben. Da die Einzelüberschreitung eines Grenzwertes aus fachlicher Sicht nicht geeignet ist, um die Luftqualität (und auch die Geräuschkulisse) im Stall zu beurteilen, werden hierzu die Ausführungshinweise die Interpretation vorgeben und eine genaue Vorgehensweise beschreiben müssen. Eine Umsetzungsfrist ist hierzu nicht vorgesehen – diese neuen Vorgaben gelten daher ab sofort.
  • Auch die Vorgaben zum Licht ändern sich. Während bisher die Beleuchtungsstärke im Aufenthaltsbereich der Schweine 80 Lux (dem Tagesverlauf angeglichen) betragen musste, darf die Lichtstärke in abgegrenzten Bereichen nun 40 Lux betragen. Auch hierzu ist keine Umsetzungsfrist vorgesehen – diese neuen Vorgaben gelten daher ab sofort.

 

Jetzt planen, aber nicht überstürzt handeln!

So viel ist klar: Die Auswirkungen der Novelle der Tierschutznutztierhaltungsverordnung sind gerade insbesondere hinsichtlich der Regelungen für das Deckzentrum und den Abferkelbereich für Sauenhalter drastisch. Allein diese beiden Punkte werden nach unseren Kalkulationen den Sauenhaltern inzwischen deutlich über 2.000 € je Bestandssau kosten, kommentiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack das Inkrafttreten der Verordnung. Aber auch für die Schweinemäster sind die Folgen sehr weitreichend, wenn man allein die Regelungen zum Beschäftigungsmaterial, bei der Fütterung und bei den Schadgasgrenzen betrachtet, so Staack weiter. Es kommt jetzt aber auch noch maßgeblich darauf an, wie die Ausführungshinweise zu den einzelnen Regelungen aussehen, erläutert der Geschäftsführer der ISN-Projekt GmbH, Dr. Karl Heinz Tölle. Das Handbuch der Amtsveterinäre wird aktuell angepasst. Da dieses die Richtschnur für die amtliche Kontrolle ist, sind die dort beschriebenen Details praktisch gleichzusetzen mit den Ausführungshinweisen. Wir erwarten in Kürze die Veröffentlichung des überarbeiteten Handbuches., so Tölle. Und weiter: Dann wird klar sein, in wie weit beispielsweise Weichholz als organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial zukünftig anerkannt wird. Vom Handbuch wird beispielsweise auch maßgeblich abhängen, ob und wenn ja, welche Änderungen an Fütterungen mit einem Sensor-Kurztrog im nächsten halben Jahr vorgenommen werden müssen. Für die Sauenhalter wird neben den schon bekannten Regelungen auch relevant sein, wie viel Liegefläche sie für die Ferkel in der Abferkelbucht vorhalten müssen. Staack kündigt an: Sobald die Ausführungshinweise bzw. das Handbuch veröffentlicht sind, werden wir die Details in einem ISN-Kompakt für unsere Mitglieder zusammenstellen. Vor dem Hintergrund der noch offenen Fragen raten wir allen Schweinehaltern, sich zwar jetzt schon mit den neuen Vorgaben auseinander zu setzen, aber nicht überstürzt zu handeln. Kontaktieren Sie ihren Berater, diskutieren Sie in Ruhe ihre Optionen und lassen Sie sich nicht z.B. durch Förderprogramme zum vorschnellen Handeln verleiten!, rät Tölle. Wichtig ist auch, dass die deutschen Schweinehalter (Sauenhalter wie auch Mäster) nun endlich erhebliche Unterstützung aus der Politik bei der Umsetzung der Vorgaben bekommen, sowohl finanziell, aber auch bei der Auflösung der Genehmigungshürden, betont Staack.

 

Wo bleibt die Fristverlängerung zum 300 Mio. €-Corona-Konjunkturpaket?

Finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung sollte das Programm zur Förderung für Stallumbau in der Sauenhaltung bringen, das im September 2020 durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ausgeschrieben wurde. Dass die 300 Mio. € , mit denen das Corona-Konjunkturpaket bestückt ist, nur einem kleinen Tropfen auf einem heißen Stein gleichkommen, ist klar - aber es ist wenigstens ein Anfang, so Staack. Und weiter: Was uns ärgert , sind die Fristen (15. März 2021 Antragsfrist und Umsetzung noch in 2021), die für kaum einen Schweinehalter erreichbar sind – allein die Genehmigung nimmt im Normalfall schon mehr Zeit in Anspruch. Die Kritik an dem Programm ist auch in Berlin angekommen und so verkündete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bereits Anfang Dezember, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages einer Übertragbarkeit der Mittel auf 2022 zugestimmt habe. Ministerin Klöckner kündigte eine Verlängerung der Antrags- und Umsetzungsfrist an. Wir fragen uns: Wo bleibt denn nun die Fristverlängerung? Denn noch sind die alten Fristen auf der Seite der BLE nachzulesen und auch auf unsere Nachfrage hin hat man uns bei der BLE versichert, dass diese nach wie vor noch gelten. Warum ist die Fristverlängerung also nicht umgesetzt worden? Zwischen der Veröffentlichung der Haltungsverordnung gestern und der Antragsfrist im Förderprogramm liegen gerade einmal noch fünf Wochen – an eine Umsetzung bis Jahresende ist überhaupt nicht zu denken! so Staack. Abschließend fordert er: Die Fristen müssen wie politisch angekündigt nun auch schnell formal angepasst werden – und das 300 Mio. € - Paket kann nur der Anfang sein. Wer mehr Tierwohl will, muss es auch umsetzbar und finanzierbar machen!


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