Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung: Ausführungshinweise angepasst – Größere Abferkelbuchten durch die Hintertür
Skizze einer Abferkelbucht mit 7,5 m² Grundfläche – Wendekreis und Ferkelnest sind mit den aktuellen Größenvorgaben auf der gesetzlich vorgegebenen Mindestfläche von 6,5 m² nicht unterzubringen.
Die Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind von der zuständigen Länderarbeitsgruppe angepasst worden. Besonders gravierend dabei ist, dass Sauen in der Bewegungsbucht zukünftig ein Wenderadius von mindestens zwei Meter zur Verfügung stehen soll.
ISN: Das grenzt an Willkür ohne fachliche Begründung und eine völlig inakzeptable Verschärfung des Ordnungsrechts durch die Hintertür. Dies ist für die deutschen Sauenhalter ein Unding!
Die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz hat im Dezember die Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erneut geändert und nun veröffentlicht. Neu ist die Definition der Größe des Wendekreises
, welcher der Sau in der Abferkelbucht während der Bewegungsphase zur Verfügung stehen muss. Demnach muss dieser nun mindestens einen Durchmesser von zwei Meter und je nach Größe der Sauen evtl. sogar noch mehr haben. Bislang war kein genaues Maß vorgegeben – es hieß lediglich, dass der Jungsau oder Sau ein ungehindertes Umdrehen ermöglicht werden muss.
Für die Gänge im Wartestall war bislang schon eine Mindestbreite von 1,60 m Breite bei einer Standreihe festgelegt, bei dem sich die Sauen ungehindert umdrehen können. Dieses Maß wurde von Fachleuten bislang auch für die Planung der Abferkelbucht angenommen. Die nun beschriebene Neuinterpretation bezieht sich auf alle Neu- und Umbauten ab dem 9. Februar 2021. Die klein anmutende Ergänzung in den Ausführungshinweisen zum Wendekreis der Sau hat eine riesige Wirkung. Nahezu alle bisherigen Umbauplanungen werden über den Haufen geworfen und bereits – teils mit Förderung – umgebaute Ställe würden demnach schon wieder nicht mehr der amtlichen Kontrolle standhalten.
Hinweise für die amtliche Kontrolle
Die Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind Bestandteil vom sogenannten Handbuch Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen
. Dieses wird je nach Bedarf in unregelmäßigen Abständen durch die AG Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz angepasst. Es gibt u.a. Hinweise darüber, wie die Tierschutzgesetzgebung bei der amtlichen Kontrolle in den tierhaltenden Betrieben auszulegen ist. Somit sind diese Ausführungshinweise – obwohl sie nicht direkt rechtsverbindlich sind – dennoch von großer Bedeutung für die Tierhalter.
Die ISN meint
Die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erst kürzlich festgelegte Mindestgröße der Abferkelbucht von 6,5 m² wird durch die Änderung der Ausführungshinweise nun schon wieder ausgehebelt
, so die Einschätzung des Geschäftsführers der ISN-Projekt GmbH, Dr. Karl-Heinz Tölle. Denn zusammen mit den – ebenfalls in den Ausführungshinweisen festgelegten – riesigen Vorgaben für das Ferkelnest (~1,5 m²) ist ein Wendekreis für die Sau mit einem Durchmesser von zwei Meter oder mehr auf dieser Fläche nahezu unmöglich umzusetzen. Tölle ergänzt: Zwei Meter sind als Durchmesser völlig übertrieben, schließlich drehen sich die Sauen nicht starr um den eigenen Mittelpunkt. Warum schaut man nicht darauf, wie sich die Sauen tatsächlich umdrehen? Und auch verschiedene Projekte – wie z.B. InnoPig – haben gezeigt, dass mehr Platz in der Abferkelbucht nicht zwangsläufig gut ist.
Abgesehen von dem fachlichen Unsinn ist es ein Unding, was man den Sauenhaltern hier zumutet – das grenzt doch schon Willkür. Und es ist eine Unverschämtheit, dass vor der Verabschiedung der neuen Ausführungshinweise kein Austausch mit den Fachleuten und der Branche stattfand
, kritisiert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Nun wird die ohnehin fehlende Planungssicherheit für die Sauenhalter endgültig zur Lotterie. So kann kein Tierhalter wirtschaften oder gar investieren. Wen soll es da noch wundern, dass die Ferkelerzeuger in Scharen aufgeben
, führt Staack weiter aus und ergänzt: Wir werden diese Verschärfung des Ordnungsrechts durch die Hintertür intensiv prüfen. Außerdem werden wir prüfen, welche Auswirkungen die Änderung auf bereits umgesetzte Projekte und mögliche Förderungen haben kann. Denn so sind die Vorreiter wieder die Hauptgeschädigten.