Preismisere: Handel weist Schuld von sich – ISN: Markt ja – Verramschen nein
Immer wieder fällt der Lebensmitteleinzelhandel mit extremen Preisnachlässen bei Fleischprodukten auf
Die finanzielle Lage der Tierhalter spitzt sich immer weiter zu. Der Handel wehrt sich gegen Vorwürfe, für die Preismisere der deutschen Landwirtschaft verantwortlich zu sein.
Im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE): Wer Supermärkte und Discounter verantwortlich macht, redet am Thema vorbei: Die Preisbildung für Milch und Fleisch erfolgt auf dem Weltmarkt.
Die Tiefpreisphase sei letztlich Folge einer verfehlten Agrarpolitik, die ausschließlich auf eine Ausweitung der Produktion gesetzt habe. Es sei einfach zu viel Ware auf dem Markt
und natürlich gebe man diesen Preisvorteil an die Kunden weiter
ergänzt Genth.
Ungleichgewicht in der Wertschöpfungskette
Nichts desto trotz räumte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser ein Ungleichgewicht innerhalb der Wertschöpfungskette ein. Dem könne die Angebotsseite entgegenwirken, indem sie sich stärker formiere und damit ein Gegengewicht zur oligopolistischen Struktur im Lebensmitteleinzelhandel setze.
Die oligopolen Strukturen sieht Edeka-Chef Markus Mosa auch woanders und nutzt dies um den Schwarzen Peter
– konkret am Milchmarkt - direkt weiter zu schieben. Nicht die Einzelhändler seien schuld an den aktuell niedrigen Milchpreisen, sondern die Molkereien! Wir sind überhaupt nicht daran interessiert, dass der Rohstoff Milch verramscht wird.
sagte Mosa im Rahmen der Edeka-Bilanzvorstellung am Dienstag in Hamburg. Der Lebensmittelhandel müsse mit den Molkereien verhandeln, und der Markt werde von einer Hand voll großer Anbieter diktiert.
Ostendorff: Gnadenloses Preisdiktat
Schützenhilfe erhalten die Landwirte von ungewohnter Seite: Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, bezeichnete die Aussagen von HDE-Geschäftsführer Genth als zynisch
. Der Handel nutzt die Mengenüberschüsse für ein gnadenloses Preisdiktat.
Diese Verantwortung könne er nicht von sich schieben, so Ostendorff.
Ähnlich hatte sich auch Unionsfraktions-Vize Gitta Connemann im Gespräch mit der NOZ geäußert. Es kann nicht sein, dass immer wieder Milch, Käse oder Butter zu unanständigen Tiefstpreisen als Lockangebote missbraucht werden
, so Connemann.
Die ISN meint: Markt ja – Verramschen nein
Henne oder Ei – wer war zuerst da?; Waren es die oligopolen Strukturen im Lebensmittelhandel oder auf der verarbeitenden Stufe der Schlachter und Molkereien?
Klar ist: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis und nicht die Kosten. Klar ist auch, dass es momentan ein zu großes Angebot gibt und Schlachthöfe, die sich gegenseitig beim LEH mit niedrigen Fleischpreisen unterbieten.
Doch Friedrich Ostendorf hat recht, das Schwarzer Peter
-Spiel ist zynisch! Hier wird Wein gepredigt und Wasser eingeschenkt. Jeder in der Wertschöpfungskette trägt seine Verantwortung. Schließlich ist die Marktmacht des LEH – und insbesondere der EDEKA als größtem Händler erdrückend. So wie der Landwirt für die Haltung seiner Tiere verantwortlich ist, so ist es der LEH dafür, die hochwertigen Produkte frisch und einwandfrei an die Kunden zu bringen. Dazu gehört auch die Preisgestaltung und Werbung!
Angebote sind nicht verwerflich, weil sie den Absatz fördern. Fleisch zu Ramschpreisen zu verschleudern, schadet aber diesem wertvollen Produkt. Denn beim Verbraucher wird der Eindruck erweckt, Fleisch sei nichts wert.
Bringen wir es auf den Punkt: Der LEH nutzt die aktuelle Situation der Tierhalter schamlos aus – fährt selbst hohe Gewinne ein. Ohne Weitblick und den Euros vor den Augen sägt er am eigenen Ast und entziehen sich seiner Lieferbasis Made in Germany
mit der er doch so gerne wirbt. Das ist weder nachhaltig noch ehrlich.