Preissturz am Schweinemarkt – Politik lässt Schweinehalter im Stich
Der durch die Corona-Pandemie bedingte Schweinestau bringt die deutschen Schweinehalter immer mehr in eine Notlage. Inzwischen entwickelt sich daraus auch ein immer größeres finanzielles Desaster, wie an dem heutigen Preissturz am Schlachtschweinemarkt auf nun 1,19 €/kg Schlachtgewicht noch einmal sehr deutlich wurde. Seit dem Frühjahr ist der Schweinepreis inzwischen um sage und schreibe mehr als 80 Cent eingebrochen und auch der Ferkelpreis ist um mehr als 50 € gefallen. Angesichts dieser Zahlen braucht man nicht lange erklären, dass sich die Schweinehalter in einer ruinösen Notlage befinden. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – aber nur, wenn der Markt auch funktioniert. Von einem funktionierenden Schweinemarkt sind wir aktuell durch Corona aber sehr weit entfernt.
ISN: Die Politik trägt Mitverantwortung an der Lage und lässt die Schweinehalter nun im Stich! Wir brauchen mehr Unterstützung beim Abbau des Schweinestaus. Die Exportfrage muss endlich zur Chefsache werden!
Nachdem aus den Reihen verschiedener Schlachtunternehmen gestern Forderungen nach einen deutlichen Notierungsrückgang bekannt wurden, konnte die VEZG-Notierung unter den aktuellen Bedingungen heute nicht mehr standhalten. In der jetzigen Situation ist dies ein Signal zur Unzeit! Seit Monaten schiebt sich ein wachsender Schweinestau von Woche zu Woche, der sich nach ISN-Berechnungen aktuell auf ca. 590.000 Schweine beläuft. Die Zulassung der neuen Zerlegelinie in Rheda war endlich ein vorsichtiger Lichtblick. Das leise Aufatmen der Erzeuger nach Bekanntwerden der Inbetriebnahme erfährt durch die heutige Abwärtskorrektur der Notierung einen herben Dämpfer in einer ohnehin existenzbedrohenden Situation. Die Vermarktung stockt nach wie vor und zieht sich durch bis zu den Ferkelerzeugern, die auf ihren nachwachsenden Ferkeln buchstäblich sitzen bleiben.
Verbraucherpreise bleiben auf hohem Niveau
Auch der Fleischmarkt läuft nicht rund. Der Verdrängungswettbewerb am Fleischmarkt habe durch niedrige Preisofferten nochmal an Fahrt aufgenommen, so ist aktuell aus den Reihen von mittelständischen Schlachtbetrieben zu hören. Mit dem Wegbrechen der Gastronomie durch den gegenwärtigen Teil-Lockdown verlagerte sich die private Nachfrage wie schon im Frühjahr in Richtung Lebensmitteleinzelhandel und konnte durch Werbeaktionen weiter verstärkt werden. Die Verbraucherpreise verblieben im laufenden Jahr auf einem, verglichen mit den Vorjahren, hohen Niveau. Gleichzeitig brach die Notierung für Schlachtschweine durch den Giftmix aus Corona und ASP um über 80 Cent seit dem Frühjahr ein. Die nachgelagerten Stufen, von den Schlachtunternehmen über die Verarbeitungsindustrie und insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel verdienen aktuell viel Geld und vernichten Eigenkapital der Landwirte.
Exportzugang muss zur Chef-Sache werden
Zwar verbreitet das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) seit dem ersten ASP-Ausbruch in Deutschland vor zwei Monaten regelmäßig Beteuerungen, dass auf höchster Ebene über Regionalisierungsabkommen zu Absatzmöglichkeiten von deutschem Schweinefleisch in Drittländer verhandelt werde. Doch etwas Greifbares ist bislang nicht dabei rausgekommen. Die Erfolgsbilanz seit dem Verlust des erforderlichen Exportstatus ASP-frei
ist nach zwei Monaten ausgesprochen ernüchternd: Von Seiten des BMEL konnten keine nennenswerten Absatzkanäle wieder geöffnet werden. Denn neben China gibt es durchaus weitere asiatische Länder, die für deutsche Exporteure wichtige Absatzkanäle darstellen. Dass diese Verhandlungen Chefsache sind und in die Hände der Bundeskanzlerin gehören, ist längst überfällig.
Marktstützungsmaßnahmen in der Diskussion
Aktuell wird von verschiedenen Seiten eine Diskussion um Marktstützungsmaßnahmen geführt. Die möglichen Maßnahmen machen aber nur Sinn, wenn die eingesetzten öffentlichen Mittel dann auch tatsächlich direkt bei den Schweinehaltern ankommen. Eine Unterstützung der privaten Lagerhaltung (PLH) ist daher nur wenig zielführend. Warum eigentlich gibt es keine Unterstützung aus der Politik durch direkte Corona-Hilfen für Schweinehalter, wie sie in vielen Bereichen der Wirtschaft, von der Gastronomie, über die Luftfahrt bis hin zur Autoindustrie, gezahlt bzw. in Aussicht gestellt wurden? Gerade im Bereich der Landwirtschaft kann es doch nicht egal sein, dass hier die gewachsenen Strukturen für immer wegbrechen.
ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack fordert die Politik dringend zum Handeln auf: Wir haben nach wie vor mit dem erheblichen Schweinestau zu kämpfen. Dazu kommt nun noch die sich verschärfende Preismisere! Aus dieser für die gesamte deutsche Schweinehaltung ruinösen Situation kommen wir nur heraus, wenn die Politik endlich entschlossen handelt. Schließlich sind die Schweinehalter aufgrund von politischen Eingriffen überhaupt erst unverschuldet in diese missliche Lage geschlittert. Europas größter Schlachthof in Rheda war aufgrund behördlicher Eingriffe über 20 Wochen massiv in seiner Arbeit eingeschränkt. Das hat mit Sachzwängen nicht mehr viel zu tun. Speziell dieses Politikum hat uns tief in die Misere reingeritten. Und nun tut jeder so, als hätte er bzw. sie alles in seiner Macht stehende getan. Genau deswegen fühlen wir uns von der Politik im Stich gelassen. Wir stellen obendrein sogar fest, dass in diesen Tagen die Problemlage der Schweinehalter von verschiedenen in Verantwortung stehenden Politikern sogar kleingeredet wird. Und das obwohl die Fakten eindeutig das Gegenteil belegen! Mit diesem Verhalten sind wir nicht mehr weit weg vom Verhalten des noch amtierenden amerikanischen Präsidenten. Das ist einfach nur beschämend!
Debatte um Werkverträge in Schlachtbetrieben
Und als ob die riesigen Probleme mit Corona und ASP noch nicht reichen, haben wir seit dem Frühjahr obendrein noch eine Debatte um die Anstellungsverhältnisse der Mitarbeiter in Schlachtbetrieben. Allen voran NRW-Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat hier die Fleischbranche stark unter Druck gesetzt. Er trägt durch das unnötig lange Blockieren von Schlachthofkapazitäten eine große Mitverantwortung für den aktuellen Schweinestau. In einem top agrar Interview macht Minister Laumann deutlich, von seiner harten Haltung nicht abweichen zu wollen – auch wenn das zu einer weiteren Not der Schweinehalter führen wird.