Russisches Einfuhrverbot für EU-Schweinefleisch widerspricht WTO-Regeln
Das von Russland gegen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) verhängte Einfuhrverbot für Schweinefleisch verstößt gegen die Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO).
Wie aus einem Bericht hervorgeht, den das zuständige Schiedsorgan am vergangenen Freitag in Genf vorgelegt hat, verletzt das Importverbot den Grundsatz der Regionalisierung, wonach der Handel von bestimmten, als seuchenfrei anerkannten Gebieten eines Landes möglich bleibt, auch wenn der Gesundheitszustand im übrigen Landesgebiet sich ungünstig darstellt. Zudem wurde aus Sicht des Schiedsgremiums von Moskau auch nicht die geforderte Risikobewertung auf wissenschaftlicher Grundlage vorgenommen, berichtet Agra Europe.
Russland hatte die veterinärrechtlich begründete Einfuhrsperre Anfang 2014 verhängt, nachdem in einigen östlichen EU-Mitgliedsländern die ASP aufgetreten war. Da davon allerdings auch EU-Länder ohne Krankheitsfälle betroffen sind, hatte die EU-Kommission Klage bei der WTO eingereicht. Dabei war sie von mehreren Drittparteien unterstützt worden, unter anderem Australien, China, Japan, Korea, Norwegen, den USA, Brasilien und Südafrika.
Nach Einführung des russischen Embargos war die Importmenge von Schweinefleisch aus der Gemeinschaft von mehr als 800 000 t Schlachtgewicht (SG) mit einem Handelswert von 1,5 Mrd Euro im Jahr 2013 auf wenige Restmengen an Wurst- und Verarbeitungsware geschrumpft. Beanstandet hat das WTO-Gremium auch einzelne Einfuhrverbote, die Russland für Produkte aus Polen, Litauen und Estland verhängt hat. Moskau kann binnen 60 Tagen Einspruch erheben. Lässt Moskau diese Frist verstreichen, gilt der Bericht als angenommen und Russland muss die Beschränkungen aufheben.
Die ISN meint:
Die 162 Mitgliedsstaaten der WTO haben sich grundsätzlich verpflichtet, die Abkommen und dazugehörigen Rechtsinstrumente anzuerkennen. Dazu gehören auch Streitbeilegungsverfahren bei Handelsstreitigkeiten, wenn bilaterale Gespräche keine Einigung erzielen. Wenn die Klage zurecht erhoben wurde, können auch Gegenmaßnahmen in Form von Strafzöllen erhoben werden.
Da Russland zur WTO gehört, muss auch Russland die Rechtssprechung der WTO im Prinzip anerkennen. Doch zunächst hat Moskau 60 Tage Zeit, Einspruch zu erheben.
Zumindest theoretisch besteht die Möglichkeit, dass Russland das Urteil anerkennt. Dieser Fall gilt allerdings angesichts der politischen Situation auf der Krim als sehr unwahrscheinlich. Die Ursache für die Entscheidung des Kremls zum Importstop für Schweinefleisch aus der EU wird eher der gesamten politischen Lage zugeschrieben als seuchenhygienischen Gründen in Zusammenhang mit dem Auftreten der afrikanischen Schweinepest in Polen. Darüber hinaus bemüht sich Russland schon seit mehreren Jahren, die inländische Schweinefleischproduktion auszuweiten, um langfristig von Importen unabhängig zu sein.
Die Entscheidung der WTO, dass es nicht zulässig ist, die gesamte EU für russische Schweinefleischimporte zu sperren, ist grundsätzlich erst einmal positiv zu bewerten. Doch trotz Rechtssprechung für die EU kann sich das Verfahren aufgrund der Frist für einen Einspruch noch hinziehen, so dass mit einer kurzfristigen Öffnung des russischen Marktes für europäisches Schweinefleisch vorerst nicht zu rechnen ist.