ISN-Mitgliederversammlung 2023: Schweinebranche im Wandel – Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Alles neu oder heiße Luft? Der Fleisch- und Schweinemarkt zwischen Wunsch und Wirklichkeit
– So lautete das Topthema auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der ISN am Mittwoch in Münster, das zunächst bei einem Dialogforum von neun Referenten aus der Wirtschaft und der Praxis in kurzen Vorträgen beleuchtet und nach dem offiziellen Teil der Mitgliederversammlung aus der Perspektive verschiedener Marktakteure auf dem Podium intensiv diskutiert wurde.
Im Anschluss an das informative Dialogforum und die Regularien und Berichte der ISN-Mitgliederversammlung 2023 in Münster verfolgten über 200 Besucher eine spannende und umfassende Podiumsdiskussion mit Dr. Gereon Schulze Althoff (Tönnies), Hubert Pille (Steinemann), Christoph Hüsing (Erzeugergemeinschaft Oldenburger Münsterland) und Heinrich Dierkes (ISN). Die Moderatoren Andreas Beckhove (top agrar) und Michael Werning (SUS) entlockten den Diskutanten dabei geschickt einige interessante Antworten.
Insgesamt herrschte Einigkeit darüber, dass die Branche einen massiven Wandel auf allen Stufen der Wertschöpfungskette erlebt und neue Chancen sowie Standortvorteile nutzen müsse.
Politisch noch viel zu tun
Ein bisschen Hoffnung und ganz viel Arbeit
lautete die Einschätzung vom ISN-Vorsitzenden Heinrich Dierkes zum jüngsten Beschluss des Tierhaltungskennzeichens im Bundestag direkt zum Einstieg in die Podiumsdiskussion. Hubert Pille, Prokurist bei Steinemann, machte dabei deutlich, wo er die größten Chancen sehe: Ganz klar bei Haltungsform 2.
Für Haltungsform 3 werden sich nach seiner Sicht nur im engen Schulterschluss mit dem Handel Chancen ergeben. Bei den Haltungsformen 4 und 5 hingegen sei an der Realität vorbei gearbeitet worden. Richtige Schlagkraft werde sich erst entwickeln, wenn die Herkunft Deutschland in allen Bereichen gekennzeichnet werde – nicht nur im Handel, sondern besonders auch im Außer-Haus-Verzehr.
Ferkel sind knapp
Zustimmung gab es hierzu von Dierkes: Wir brauchen eine klare Position zu 5xD
. Christoph Hüsing, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Oldenburger Münsterland, gab dabei zu bedenken, dass 5xD bei dem derzeit knappen Angebot an deutschen Ferkeln nur schwer darstellbar sei. Einige Mäster suchen noch Anschluss
so die Erfahrung Hüsings. Ferkel aus Dänemark seien wieder gefragter. Hauptsache man bekomme überhaupt welche, laute häufig die Devise. Hier seien Ketten von Vorteil. Auch Heinrich Dierkes betonte: Wir brauchen eine gesicherte Wertschöpfung in Ketten, um die Branche abzusichern.
"Schweinefleisch bleibt das zentrale Produkt von Tönnies." Dr. Gereon Schulze Althoff, Tönnies Unternehmensgruppe
Mehrheit der Bevölkerung will nicht auf Fleisch verzichten
Der Trend zu vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten war ein weiteres zentrales Thema der Podiumsdiskussion. Während Hubert Pille erklärte, dass man sich bei Steinemann nicht mit Veggie-Produkten beschäftige, hat Tönnies seine Produktion von Ersatzprodukten zuletzt deutlich ausgebaut. Doch: Schweinefleisch bleibt das zentrale Produkt von Tönnies
, versicherte Dr. Gereon Schulze Althoff, Leiter Qualitätsmanagement und Veterinärwesen bei der Tönnies Unternehmensgruppe. In Deutschland werde auch weiterhin Fleisch gegessen – 90% der Bevölkerung wolle nicht darauf verzichten, so Schulze Althoff. Gerade in den letzten Wochen sei die Nachfrage gestiegen, insbesondere bei Grillartikeln. Das bestätigte auch Hubert Pille: An der Theke zieht das Geschäft an.
Deutsche Schweinehaltung ein Klimaeffizienz-Weltmeister
Schulze Althoff mahnte, man müsse aufpassen, dass es auch zukünftig noch Schweinefleisch aus Deutschland gebe, welches ein guter Produktionsstandort dafür sei – auch im Hinblick auf den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit. Die deutsche Schweinehaltung gehört in puncto Klimaeffizienz zu den Weltmeistern.
Wichtig sei, diese Leistung messbar und sichtbar zu machen, z.B. mit cleveren Abfragen und dies auch entsprechend selbstbewusst zu kommunizieren. Noch mehr Listen zum Abhaken und noch mehr Audits seien nicht in seinem Sinne. In einer effizienten Ressourcennutzung sah Schulze Althoff eine zentrale Herausforderung der Branche für die nächsten Jahre.
Auf dem Podium (v.l.): Michael Werning (Moderation), Dr. Gereon Schulze Althoff, Hubert Pille, Christoph Hüsing, Heinrich Dierkes, Andreas Beckhofe (Moderation)
Wo steht die deutsche Schweinehaltung in 10 Jahren?
Zum Schluss der Diskussion stand die Zukunft der deutschen Schweinehaltung im Fokus. Gibt es in 10 Jahren noch konventionelle Schweinehaltung in Deutschland, wollten die Moderatoren wissen. Einigkeit bestand bei Schulze Althoff und Pille, dass es den Begriff konventionell
nicht mehr lange geben werde. Während Schulze Althoff einen guten Kompromiss aus Tierwohl und Klimaschutz
erwartet, prognostizierte Pille, die Tierhaltung werde zukünftig noch stärker gewissen Regeln unterworfen sein, die aus Wünschen der Gesellschaft entspringen. Zudem würden klare Grenzen zwischen den Stufen zukünftig mehr verschwimmen. Wer investiert, wird entsprechende Vorteile haben. Mutig voran!
lautete seine Empfehlung.
Für Hüsing stand fest, dass es auch in 10 Jahren noch viele Schweineställe in Haltungsform 2 geben werde, doch auch die Diversität und starke Nischen werden zunehmen. Heinrich Dierkes betonte, dass Schweinehalter gut daran tun, sich mit der Haltungsform 2 auseinanderzusetzen. Überlegungen zu den Haltungsformen 3 und 4 könnten dann je nach den betrieblichen Voraussetzungen weitere Schritte sein.