Der Schweinestau wächst weiter – Die Schlüsselrolle liegt bei Tönnies in Rheda
Die Situation am Schlachtschweinemarkt ist weiterhin dramatisch. Noch immer fehlen wöchentlich mindestens 20.000 – 40.000 Schlachtungen in Deutschland, damit der weiter wachsende Überhang von aktuell ca. 600.000 Schlachtschweinen nicht noch größer wird. An den meisten Schlachtstandorten, die durch ein Corona-Geschehen stark eingeschränkt waren, konnten die Schlachtkapazitäten inzwischen wieder deutlich hochgefahren werden. Es fehlt allerdings noch der Tönnies-Standort in Rheda, an dem die massiven Kapazitätseinschränkungen nun schon seit über 20 Wochen andauern.
ISN: Die gestiegenen Schlachtzahlen reichen noch nicht aus, um das Wachstum des Schweinestaus zu stoppen und erst recht nicht abzubauen. Zu Weihnachten droht eine weitere Eskalation. Besonders das Hochfahren der Schlachtungen am Tönnies-Standort in Rheda ist maßgeblich entscheidend dafür, den Wendepunkt beim Schweinestau endlich zu erreichen. Deshalb ist die Blockade des dortigen Schlachtbetriebes durch die Behörden unverantwortlich.
Der Stau an schlachtreifen Schweinen wächst weiter. Aktuell befinden sich 600.000 Schweine in der Warteschlange und es kommen wöchentlich immer noch 20.000 – 40.000 Schweine zum Überhang hinzu. Dazu erläutert ISN-Marktanalyst Klaus Kessing: Durch das Hochfahren der Kapazitäten an einigen Standorten wächst der Schweinestau nun etwas langsamer. Das bedeutet aber keineswegs, dass sich die Lage auf den Betrieben entspannt – im Gegenteil, mit jedem Tag, an dem sich der Stau weiter aufbaut, verschärft sich die Lage. Erst, wenn die Schlachtkapazitäten so weit hochgefahren sind, dass der Stau spürbar abgebaut wird, ist Entspannung in Sicht. An diesem Punkt befinden wir uns derzeit noch nicht.
Behörden blockieren Hochfahren der Schlachtungen in Rheda
Nach wie vor ist die erhebliche Einschränkung der Kapazitäten von Europas größtem Schlachtbetrieb bei Tönnies in Rheda der Schlüsselfaktor Immer wieder haben wir in den vergangenen Monaten gefordert, mehr Schlachtungen zu ermöglichen, um den Schweinestau aufzulösen. Besonders hervorgehoben haben wir dabei, dass der Schlachtbetrieb bei Tönnies in Rheda endlich wieder hochgefahren werden muss. Gerade an dem Standort könnte so viel mehr geschlachtet werden, dass es endlich von dem aktuell anhaltenden Wachstum des Schweinestaus in einen Abbau des Überhangs gehen könnte. Umso unverständlicher ist es, dass die Behörden dort weiter höhere Schlachtzahlen blockieren. Das Unternehmen Tönnies betont, dass es deutlich mehr Schweine in Rheda schlachten will, deshalb hat man extra die Rinderzerlegung nach Badbergen verlegt und diesen Bereich in Rheda für die Schweinezerlegung neu und mit entsprechenden Corona-Vorsichtsmaßnahmen eingerichtet. Damit könnten nach Angaben des Unternehmens an dem Standort schlagartig bis zu 25.000 Schweine in der Woche mehr geschlachtet werden (siehe Video). Dass die Behörden zur Erstabnahme der Zerlegestraße noch Korrekturen einfordern, ist wohl nicht ungewöhnlich. Dass die Bezirksregierung Detmold die Inbetriebnahme des gesamten neuen Zerlegebereiches aber deshalb gänzlich blockiert, das ist angesichts der Not der Landwirte durch den Schweinestau unverantwortlich. ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack kommentiert: Es ist es unfassbar, dass sich hier bei den Behörden nichts bewegt, obwohl alle Anforderungen geschaffen worden sind. Gerade die Kapazitätsauslastung an diesem größten deutschen Schlachtstandort ist in erheblichem Maße mitentscheidend für die Bewältigung des Schweinestaus
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Mehr Schweine werden exportiert – weniger importiert
Angesichts der akuten Notlage versuchen Schweinehalter und Viehvermarkter auf allen Wegen, Platz in den Ställen zu schaffen. Besonders seit Anfang Oktober (starke Kapazitätseinschränkungen in Sögel und Emstek) ist zu beobachten, dass mehr Schweine zur Schlachtung nach Österreich, Frankreich, Polen, Kroatien, Rumänien und Slowenien geliefert wurden. Auch nach Italien, wo schwere Schweine gefragt sind, werden derzeit größere Mengen an lebenden Tieren verkauft. Seit neuestem werden sogar Schweine zur Schlachtung nach Belgien gebracht. Normalerweise kommen viele Tiere aus Belgien nach Deutschland. Diese Stückzahlen sind nun stark reduziert. Auch aus den Niederlanden werden deutlich weniger Schweine angeliefert. Dies dürfte auf dem deutschen Markt im Vergleich zu normalen Jahren aktuell zu einer Angebotsentlastung von etwa 50.000 Schlachtschweinen pro Woche führen. Reaktionen auf die aktuelle Situation sind auch bei den Ferkelimporten zu erkennen. Die Importzahlen von Ferkeln aus Dänemark und den Niederlanden liegen momentan ca. um 35.000 Tiere je Woche niedriger als normal. Die dargestellten Veränderungen im Im- und Export sind in den ISN-Kalkulationen zum Schweinestau bereits berücksichtigt.
Seit Oktober stark erhöhte Sauenschlachtungen
Die Folgen des Schweinestaus werden auch in den Zahlen der Sauenschlachtungen deutlich. Nachdem im Sommer einige Sauenschlachtbetriebe vorübergehend ihren Betrieb einstellen musste, wurden in den folgenden Wochen einige Schlachtungen nachgeholt. Seit Anfang Oktober ist die Zahl der Sauenschlachtungen nochmal deutlich gestiegen und liegt nun etwa 25 % über dem Wert des Vorjahres. Häufiger werden auch ganze Gruppen von Sauen zur Schlachtung gegeben, was auf vermehrte Betriebsaufgaben bei den Ferkelerzeugern schließen lässt.