TTIP-Freihandelsabkommen – ISN fordert: Sorgfalt und Transparenz vor Schnelligkeit!
US-Präsident Barack Obama landet am Sonntag in Deutschland, um die Hannover Messe zu eröffnen. Während seines letzten Deutschlandbesuches als US-Präsident will er Werbung für das umstrittene transatlantische Handelsabkommen TTIP machen, das seit knapp drei Jahren verhandelt wird.
Die Diskussion um das TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ist indes in Deutschland erneut voll entbrannt. Die Zahl der Mahner und Warner ist schier unüberschaubar. Zu ihnen gehören neben Wiesehof-Chef Peter Wesjohann auch Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne). Für letzteren steht fest: Die Landwirtschaft ist der große Verlierer von TTIP.
Doch worum geht es bei TTIP und was könnte es für die Schweinehalter bedeuten?
Der Abbau von Handelsbarrieren hat den weltweiten Handel erleichtert von dem auch die Landwirtschaft profitiert. Nicht umsonst hat die EU bereits 770 internationale Abkommen zum Agrarhandel getroffen. Ein Veterinärabkommen zwischen EU und USA gibt es bereits seit 1999.
Vorsorge versus Nachsorge
Tatsächlich gibt es bei der Lebensmittelproduktion zwischen den USA und der EU einige grundsätzliche Unterschiede, u.a. in der Risikobewertung.
In den USA gilt das Risikobasierte Nachsorgeprinzip
. Am Beispiel des Chlorhühnchens
lässt es sich gut beschreiben. In den USA werden mögliche niedrigere hygienische Standards im Stall, durch ein Chlorbad des Schlachtkörpers ausgeglichen. Die Messungen, ob das Huhn mikrobiologisch einwandfrei ist, erfolgen am Endprodukt. Der Produzent/Verarbeiter haftet für mögliche Schäden. Der Fokus liegt also im Wesentlichen auf dem Endprodukt.
In der EU wird hingegen nach dem Politischen Vorsorgeprinzip
gearbeitet. Anders als in den USA, steht in der EU - und speziell in Deutschland- nicht nur das Endprodukt im Fokus, sondern der gesamte Produktionsprozess. Es wird das gesamte Produktionsverfahren vom Hof bis zum Teller kontrolliert - und reglementiert. Privatwirtschaftliche und staatliche Kontrollorgane (z.B. QS bzw. die Veterinärämter) stellen dies sicher.
Zudem fließen in der EU auch politische Einflüsse stärker in den Produktionsprozess ein. Deutlich wird das an der speziell in Deutschland intensiv geführten Tierwohldebatte. Dieses Vorsorgeprinzip kostet selbstverständlich in der Produktion deutlich mehr als das Nachsorgeprinzip.
Die ISN meint:
Grundsätzlich ist ein Freihandelsabkommen, das Handelsbarrieren abschafft und die Möglichkeit bietet, neue Märkte zu erschließen positiv zu bewerten. Speziell beim TTIP bietet sich die Möglichkeit, Standards zu setzen, die weltweit gültig sind. Doch zu welchem Preis?
Und genau da liegt das Hauptproblem:
Weltmarkt ja, aber klare Bedingungen für alle. Und da sieht die ISN aktuell ein Ungleichgewicht: Die die Transparenz in der Entscheidungsfindung zu TTIP ist nicht gegeben und so ist es für die ISN nicht ersichtlich, ob ein ausreichendes Schutzniveau (für die deutschen Schweinehalter) gegeben ist.
Die Verhandlungen sind gefühlt weit vorangeschritten. Sich einen Überblick über den genauen Stand der Verhandlungen zu verschaffen ist für Verbände, Privatpersonen etc. nahezu unmöglich. Diese gewaltige Intransparenz ist auch der Grund weshalb die ISN dem Abkommen mittlerweile kritisch gegenüber steht. Das TTIP kurz vor dem Regierungswechsel in den USA auf
einen Handstreich durch zu kloppen ist unverantwortlich. Wir fordern Sorgfalt und Transparenz vor Schnelligkeit!
, erklärt ISN-Vorsitzender Heinrich Dierkes.
Ordnungspolitische Gängelei beenden!
Und auch die Erkenntnis von Christian Meyer, dass die Bauern die großen Verlierer
von TTIP sein werden, lässt Dierkes die Stirn runzeln. Das ´Endzeit–Szenario´ für die deutsche Landwirtschaft ist nicht ganz von der Hand zu weisen! Wir vermissen jedoch die politischen Entlastungsschritte, die uns durch die Krise helfen könnten. Statt sich hilflos in Diskussionen um markthemmende Mengensteuerungsmodelle zu flüchten, sollte die ordnungspolitische Gängelei beendet werden. Genau diese könnte gravierende Folgen haben, denn ohne planbaren Rahmenbedingungen werden die deutschen Landwirte auch ganz ohne TTIP die großen Verlierer sein. Dieser Ironie seiner Aussage ist sich Meyer wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Das ist mehr als Erschreckend!