10.04.2024rss_feed

Umbau der Tierhaltung: ZKL fordert Anhebung der Mehrwertsteuer – Özdemir begrüßt, DBV lehnt ab

In der Diskussion um die langfristige Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung hat sich die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte ausgesprochen.

In der Diskussion um die langfristige Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung hat sich die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte ausgesprochen.

Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) spricht sich für eine schrittweise Anhebung der ermäßigten Mehrwertsteuer auf tierische Produkte aus. Mit diesem Vorschlag geht die ZKL in das Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag (11.4.). Während Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir den Vorschlag begrüßt, lehnt der Deutsche Bauernverband die Erhöhung des Regelsteuersatzes ab.

ISN: Unabhängig davon, ob zu diesem Konzept nun Einigkeit besteht oder nicht, darf es nicht nur auf das Geldeinsammeln reduziert werden. Es muss auch klar sein, wer das eingesammelte Geld für was bekommen soll und dass die Mittel somit insbesondere auch für konventionelle Tierhalter erreichbar sind. Zudem muss der Vorschlag bei den Ampel-Parteien durchgängig Zuspruch finden, woran aus der Sicht der ISN noch erhebliche Zweifel angebracht sind.

 

Wie AGRA Europe (AgE) berichtet, geht die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) mit einem einheitlichen Konzept zur langfristigen Tierwohlfinanzierung in das Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag (11.4.). Demnach soll die Finanzierung über eine Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte erfolgen.

Bislang hatte die Borchert-Kommission drei Optionen vorgeschlagen, neben der Mehrwertsteuerlösung die Einführung einer spezifischen Verbrauchssteuer sowie Umschichtungen im Bundeshaushalt. Den Ausschlag für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer hat der im Vergleich zu einer Verbrauchssteuer deutlich geringere administrative Aufwand gegeben. Insbesondere aus dem Bereich des Ökolandbaus waren in der Vergangenheit Vorbehalte gegen die Mehrwertsteueroption geäußert worden, da höherpreisige Produkte absolut gesehen stärker belastet werden und sich der Preisabstand vergrößert. Dem soll Rechnung getragen werden, beispielsweise bei der Festlegung der Höhe der Tierwohlprämien. Erarbeitet wurde der Vorschlag von einer Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der ZKL sowie der Borchert-Kommission, darunter der Vorsitzende Jochen Borchert.

 

Landwirte brauchen langfristige Verträge

Borchert begrüßte gegenüber AGRA Europe die Einigung. Er sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Arbeitsgruppe und hoffe, dass die Koalition den Vorschlag aufgreife. Die Chancen, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Umsetzung erfolgt, beurteilt der frühere Bundeslandwirtschaftsminister allerdings zurückhaltend. Von einem Meilenstein sprach der Präsident vom Deutschen Naturschutzring (DNR), Prof. Kai Niebert. Erstmals melde damit ein Sektor nicht nur Finanzierungsbedarfe für die Transformation an, sondern mache auch einen konsensualen Vorschlag, wie diese bezahlt werden sollen. Die Arbeitsgruppe sei sich zudem einig, dass ein Förderzeitraum von sieben Jahren für die Landwirte nicht ausreicht. Die Landwirte brauchen langfristige Verträge, wenn sie in mehr Tierwohl investieren sollen, betonte Niebert. Dass dafür politische Lösungen möglich und staatliche Förderungen über 20 Jahre machbar seien, zeige das Beispiel EEG.

 

Einigkeit in der Branche!?

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßte heute in einer Pressemitteilung den Vorstoß der ZKL. Auf Wunsch der Regierungsfraktionen habe sein Ministerium ein Finanzierungskonzept für einen Tierwohlcent ausgearbeitet und dem federführenden Bundesfinanzministerium zur Verfügung gestellt. Özdemir sei aber auch offen für andere Finanzierungswege – etwa über die Mehrwertsteuer. Nun sei es an der Politik, sich zu einigen.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, erklärte in einem Statement hingegen, dass er für die aktuellen Meldungen über steigende Fleischpreise im Zuge des Umbaus der Tierhaltung kein Verständnis habe. Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder ein Tierwohlcent seien abzulehnen. Das Geld für den Tierwohlumbau müsse laut Rukwied aus dem Bundeshaushalt kommen.

 

Die ISN meint:

Besteht zu diesem Konzept nun Einigkeit oder nicht? Die Tatsache, dass der Präsident des Deutschen Bauernverbands unmittelbar nach der Bekanntgabe des ZKL-Vorschlags eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent ablehnt, zeigt doch, dass hier noch erheblicher Gesprächsbedarf besteht.

Von einem Meilenstein bei der Lösung der Finanzierungsfrage kann hier also wirklich nicht die Rede sein, ordnet ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack ein und erläutert: Zum einen ist dieser Vorschlag nicht neu und muss zunächst bei den Ampel-Parteien durchgängig Zuspruch finden. Hier darf man aufgrund einer kürzlich getroffenen Aussage der Bundesregierung, die eine Reform der Mehrwertsteuersätze in dieser Legislaturperiode eindeutig ausschließt, noch erhebliche Zweifel haben. Zum anderen ist und bleibt für die Schweinehalter nicht entscheidend, woher die Mittel für den Umbau der Tierhaltung kommen, sondern dass sie kommen und auch für sie abrufbar sind. Geld einsammeln ok – aber wofür genau und wie kommt das Geld dann zuverlässig und längerfristig zu den Bauern? Vorschläge gab es schon viele, aber ohne Gesamtkonzept wird hier eine Schlagwort-Blase aufgebaut, die schnell zerplatzt.


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