04.09.2015rss_feed

Wir haben Marktwirtschaft – Ein Gastkommentar von Thomas Baumgartner, Frankfurter Neue Presse

Thomas Baumgartner (Quelle: FNP)

Thomas Baumgartner (Quelle: FNP)

Mit dem Wetter hat der Bauer so seine Probleme: Entweder ist es zu heiß oder zu kalt, zu feucht oder zu trocken. Und mit dem Markt: Steigen die Preise, so ächzt der Landwirt unter den höheren Kosten; fallen sie, so möge der Staat die Ausfälle gefälligst kompensieren.

Dabei fließt in die Branche ohnehin unverhältnismäßig viel Staatsgeld: Rund 40 Prozent des EU-Haushalts gehen für die Landwirtschaft drauf, dabei steuert sie inklusive Forst- und Fischereiwirtschaft gerade einmal noch 0,8 Prozent zur Wirtschaftsleistung in Deutschland bei. Immerhin verfügt sie über einen hauptamtlichen Fürsprecher in der Bundesregierung, den Landwirtschaftsminister, und Amtskollegen in allen Bundesländern. Allein das ist ein Anachronismus, es gibt ja auch keine Chemie- oder Maschinenbauminister (obwohl diese Wirtschaftszweige mittlerweile viel wichtiger sind). Es wäre ein gutes Zeichen, wenn Christian Schmidt nicht jeden Unfug mitmacht und vor kurzfristigen Eingriffen in den Markt erst einmal zögert.

Die Landwirte kontern Forderungen nach Subventionsabbau in aller Regel mit dem Argument, sie leisteten ja einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege. Doch auch andere Branchen erhalten stadtbildprägende Industriebauten, schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze, liefern Innovationen – und, vor allem, sie überleben am Markt.

Auch die Bauern müssen sich endlich mit diesem Gedanken anfreunden. Die Spekulation auf zusätzliche Milchpulver-Nachfrage aus China hatte Milch in den vergangenen Jahren teurer werden lassen – und nun, da diese Nachfrage nicht so stark stieg wie erwartet, sinken die Preise eben wieder. Natürlich wird der Preisverfall, auch bei Äpfeln oder Gemüse, durch die russischen Gegen-Sanktionen verstärkt. Doch mit politischen Einflüssen müssen auch andere Branchen leben.

Wenn die Preise so stark sinken, dass einzelne Betriebe ihre Kosten nicht mehr decken können, dann müssen diese eben aufgeben. So sieht es unser Wirtschaftssystem vor; Milchquoten oder staatliche Anreize zur Drosselung der Milchmengen sind darin ein Fremdkörper, und Preisstützung gehört auch nicht zu den originären Aufgaben des Einzelhandels. Und in der Folge sollten die Preise wieder steigen. Oder sie könnten auf Bio-Produktion umstellen – in diesem Segment kann die Nachfrage der Verbraucher nur durch Importe sogar aus China oder Südamerika gedeckt werden, was dem Nachhaltigkeits-Prinzip eigentlich konträr entgegensteht.

Mit Staatsgeld veraltete und nicht mehr lebensfähige Branchen künstlich am Leben zu erhalten, hat sich in der Vergangenheit in aller Regel als teurer Fehler herausgestellt – siehe Steinkohle. Schlichte Wahrheiten haben es zwar in komplexen Organisationen wie der EU nicht immer leicht, sich durchzusetzen. Aber natürlich könnte Brüssel das Geld aus seinen Töpfen sinnvoller ausgeben: für Flüchtlinge (hier hat ein entwürdigendes Gezerre eingesetzt), Förderung von Innovation und Bildung (unser einziger Rohstoff, wie es in Sonntagsreden stets heißt) oder die Bewältigung der Finanz- und Schuldenkrise (derzeit auf Schattenhaushalte wie den ESM sowie die Notenbank abgewälzt). Das sicherte die Zukunftsfähigkeit Europas insgesamt – und nicht nur die einer Branche.

 

Der Kommentar erschien in der Frankfurter Neuen Presse…


...und ist hier online abrufbar

Die ISN meint:

Eine knallharte Analyse. Diese Sicht eines Außenstehenden auf die Landwirtschaft findet deutliche Worte und klingt dadurch erbarmungslos.

Nichts desto trotz entspricht die Argumentation in einigen Punkten auch unserer Sichtweise. Die ISN ruft nicht nach dem Staat und EU-Subventionen. Wir fordern stattdessen faire Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Schweinehalter und keine höheren Auflagen als in anderen EU-Staaten.


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