ISN-Faktencheck zur Die Zeit
-Titelstory: Rache aus dem Stall
Die Tierhalter sind ja bezüglich der medialen Berichterstattung einiges gewohnt. Doch die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit
mit der Titelstory Die Rache aus dem Stall
und Das bringt uns noch um
, übersteigt vieles, was bisher schon an Unsäglichkeiten veröffentlicht wurde.
Die ISN hat einen umfassenden Faktencheck zu dem Beitrag verfasst, den Sie hier Herunterladen können:
Der Tierhalter als gewissenloser Massenmörder aus dem Stall, der die unschuldige Bevölkerung auf dem Gewissen hat. Welches Interesse sollte der Landwirt eigentlich daran haben, andere Leute mit MRSA-Keimen anzustecken? Hier wird eine ganze Branche pauschal verunglimpft. Wunderbar einfach, wenn man einen Schuldigen ausgemacht hat. Dann braucht man andere Dinge ja nicht mehr zu hinterfragen. Zum Beispiel die Verschreibungspraxis der Humanmediziner, zum Beispiel die Einnahmepraxis der Patienten. Beides hat in nicht unerheblichem Maße zur Ausbildung von MRSA und anderen gefährlichen Antibiotikaresistenzen beigetragen.
Debatte auf Facebook
Auf Facebook hat die Vorankündigung der Titelstory bereits eine entrüstete Debatte ausgelöst. Zahlreiche Landwirte und Tierärzte kommentierten die obskuren ‚Fakten‘, die die Zeit vorab veröffentlichte. Auch die ISN ist erschüttert, wie eine vorgeblich seriöse Wochenzeitung, zu einem ideologisch und emotional geprägten Rundumschlag gegen die Tierhalter ausholt!
Vieles ist schlichtweg falsch! Zum Beispiel, dass in der Landwirtschaft Reserveantibiotika aus der Humanmedizin in immer größerem Ausmaß eingesetzt werden. Der Artikel suggeriert Wissenschaftlichkeit. Allein: Hier werden vermeintliche Fakten ohne ausreichende naturwissenschaftliche Grundkenntnis in Zusammenhänge gebracht, die nicht existieren.
Nicht umsonst forschen Verbünde von Veterinär- und Humanmedizin in Zusammenarbeit mit der praktischen Landwirtschaft seit Jahren, wie man eine Übertragung von MRSA aus dem Stall auf die Menschen unterbindet. Ein Insider-Tipp lautet: Unterbinden der Infektionskette, Hygiene und Quarantäne von Risikopatienten.
Armutszeugnis für 20-köpfiges Rechercheteam
Was die (zu) zahlreichen Zeit-Autoren verwechseln, ist der Unterschied zwischen Risiko und Infektion. Das Risiko, das gar nicht klein geredet werden soll und das die Branche mit einer Antibiotikaminimierungsstrategie angeht, sagt aber noch gar nichts über die Wahrscheinlichkeit einer Infektion aus. Auch das Risiko eines Unfalls im Straßenverkehr ist bei zunehmender Verkehrsdichte in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen und heute so hoch wie nie zuvor, die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall tatsächlich zu erleiden, ist dagegen sehr gering!
Ein Armutszeugnis, wenn es ein Rechercheteam mit gut 20 (wahrscheinlich) ausgebildeten Journalisten nicht schafft, komplexe Dinge einfach und gleichzeitig wissenschaftlich sauber darzustellen. Es ist schon zu fragen, wie es ein renommierter Kommunikationsexperte und Forscher in Sachen Tierhaltung und Ethik einmal formulierte: Wer sagt was mit welchem Interesse? Haben etwa Voreinstellungen der Reporter und die Erwartungen der ‚Öffentlichkeit‘ bzw. des vermeintlichen Mainstream das Ergebnis der Recherche beeinflusst? Oder haben hier zu viele Köche beim ideologischen Brei kochen
den Überblick verloren?
Wenn es dann anschließend Kritik von Sachkundigen an der unsachgemäßen Darstellung der investigativen Journalisten hagelt, ist man sich bei der ‚Zeit‘ auch nicht zu schade, sachliche Kommentare von Tierärzten und Landwirten bei Facebook zu löschen. Das ist dann die vielbeschworene demokratische Debatte im Netz. Unliebsame Kommentare, die nicht die eigene Meinung stützen, werden entfernt. Ein Mausklick reicht!
Auflage mit der Angst
!?
Auflage mit der Angst
zu machen, gehört im Kreise der Investigativ-Journalisten offenbar mittlerweile zum guten Ton. Sind es die schlechten Bedingungen und der Erfolgsdruck für freie Journalisten und in den Redaktionen? Oder geht es der ‚Zeit‘ so schlecht, dass journalistische Expertise zu Gunsten populistischer Angstmache geopfert wird. Anders lässt sich dieser abenteuerliche und wenig zeitgemäße Beitrag nicht erklären.
Ein kleiner Vorgeschmack auf den ISN-Faktencheck:
Gerd Ludwig Meyer schnauft laut und erzählt von der alten Dame, die als Patientin in seinem Wartezimmer saß. Nierenkrank war sie, dazu kam eine Harnwegentzündung, die im Laufe der Behandlung nicht besser, sondern schlimmer wurde. Er verschrieb das erste Antibiotikum – keine
Wirkung. Er verordnete das zweite Antibiotikum, das dritte, das vierte, das fünfte: Gentamicin. Tetracyclin. Ciprofloxacin. Amoxicillin. Insgesamt waren es zwanzig. Keines half. »Sie sehen zu, wie ein Mensch elend leidet. Und Sie können nichts tun, gar nichts.« Nach schrecklichen Tagen der
Qual musste die alte Dame sterben. … Der Tod der alten Frau war kein Einzelfall. Allein in seiner Praxis starben vier weitere Patienten in den vergangenen Monaten. Bei allen vieren hatten Antibiotika – die doch als Wunderwaffen der Medizin gelten – nichts mehr ausrichten können.
Die ISN meint:
Die Autoren beschreiben, womöglich ohne es selbst zu merken, in ihrem ersten Absatz den unverantwortlichen und häufig auch unkontollierten Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin. Hätte Herr Meyer nicht stutzig werden sollen, als auch das dritte Antibiotika nicht half? Anstatt unkontrolliert 17 weitere Antibiotika-Wirkstoffe an der leidenden Frau zu testen, hätte er sich auch ernsthaft damit beschäftigen können und müssen, welche Ursachen die Nichtwirksamkeit
hat. Hier ist die Tierhaltung anscheinend weiter als die Humanmedizin! In der Tierhaltung wäre in einem ähnlichen Fall schon nach kurzer Zeit ein Antibiogramm erstellt worden. Das lohnt sich gerade bei größeren Massentierhaltungs
-Einheiten, damit ein geeignetes Medikament ausgewählt werden kann.
Die ISN ruft alle Tierhalter, Tierärzte und Betroffene auf: Lassen Sie diesen Beitrag nicht unkommentiert und schreiben Sie dem Autorteam Ihre Meinung!
Nutzen Sie dafür auch gerne den ISN-Faktencheck.
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