Agrarausschuss zum Tierschutzgesetz: Zusätzliche Dokumentation ist praxisfremd und überfordert Betriebe
Der Agrarausschuss des Bundesrates hat in einer Sondersitzung ausführliche Empfehlungen zum Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetz formuliert. Er kritisiert u.a. zusätzliche Dokumentationspflichten zum Schwanzkupieren und fordert EU-weite Regelungen
ISN: Die Bundesregierung liefert mit dem Tierschutzgesetz ein Paradebeispiel für noch mehr Bürokratie – entgegen den eigenen vollmundigen Versprechen. Das muss gestoppt werden.
Fast 100 Seiten umfassen die Empfehlungen, die der Agrarausschuss im Bundesrat am vergangen in einer Sondersitzung zum Tierschutzgesetz verfasst hat. Unter anderem spricht sich der Ausschuss dafür aus, den bestehenden Nationalen Aktionsplans Kupierverzicht in das Tierschutzgesetz aufzunehmen und für ein europäisches Vorgehen zu sorgen, statt auf nationale Verschärfungen zu setzen. Wörtlich heißt es dazu in den Empfehlungen:
…Die vom Bund geforderten Dokumentationspflichten hinsichtlich Risikoanalyse, -bewertung und Reduktionsstrategie sind praxisfremd und würden die Betriebe massiv überfordern. Z. B. ist es völlig unmöglich, den Zeitpunkt des Auftretens von Ohr- oder Schwanzverletzungen exakt zu erheben. Zudem würde es zu einer erheblichen Benachteiligung (Wettbewerbsverzerrung) der deutschen Schweinehalter innerhalb des EU-Binnenmarktes führen, da sie eine deutliche Verschärfung der Anforderungen der EU-Richtlinie 2008/120/EG bedeuten würden.
Die ISN meint:
Während die Bundesregierung zum Bauerntag on Cottbus mit Versprechungen zu Entlastungspaketen und zum Bürokratieabbau versucht, weitere Schlepperproteste zu verhindern, liefert sie parallel mit dem Tierschutzgesetz ein Paradebeispiel für noch mehr überzogene Bürokratie und Wettbewerbsverzerrung. Dass der Agrarausschuss des Bundesrates dies in seinen Empfehlungen beim Thema Schwanzkupieren so treffend auf den Punkt bringt, ist wohltuend.
Die immer weiter hochgeschraubten Anforderungen und geradezu explodierende Bürokratie überfordert die Betriebe längst. Das ist deutlich an den Viehzählungsergebnissen abzulesen
, so ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Nicht umsonst haben in den vergangenen zehn Jahren 42,2 % der Betriebe – in absoluter Zahl 11.400 Betriebe – die Schweinehaltung in Deutschland aufgegeben. In der Sauenhaltung haben wir sogar mehr als die Hälfte der Betriebe verloren. Die aktuelle Mai-Viehzählung zeigt, dass diese Entwicklung in der Schweinehaltung trotz der Rekorderlöse im vergangenen Jahr weitergeht. Das ist ein klares Zeichen, dass nicht die wirtschaftliche Lage, sondern der Frust der Schweinehalter über die Rahmenbedingungen hierzulande ursächlich ist.
Staack warnt: Wir fürchten, nur durch die anvisierten Regelungen im Tierschutzgesetz noch einmal ein Viertel der Schweinehalter zu verlieren. Denn allein bei den Ferkeln könnten von heute auf morgen 10 Mio. heimische Ferkel durch Importferkel ersetzt werden. Das wäre eine Verdopplung der Ferkelimporte, welche die politischen Entscheider zu verantworten hätten. Themen, wie der Verzicht auf das Schwanzkupieren, lassen sich eben nur europäisch lösen.
Das Plenum des Bundesrates muss deshalb diese Empfehlungen seines Agrarausschusses ernst nehmen und in seiner Sitzung am 5. Juli ein klares Signal setzen. Da der Bundesrat aber bei diesem Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, ist es nun endlich an der Zeit, dass die Parlamentarier im Bundestag – insbesondere auch die der Regierungskoalition – dem Blindflug der Bundesregierung ein Ende zu setzen und im Sinne des Agrarausschusses gegenzusteuern. Wenn das nicht gelingt, wird sich die ohnehin große Unzufriedenheit der Bauern mit der Arbeit der Bundesregierung weiter aufschaukeln und entsprechend entladen.