15.10.2024rss_feed

Ausschussanhörung im Bundestag: Viel Kritik, aber auch Uneinigkeit zum Tierschutzgesetz

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes war gestern Thema einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ©ISN/Jaworr, Deutscher Bundestag/Inga Haar, Canva

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes war gestern Thema einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ©ISN/Jaworr, Deutscher Bundestag/Inga Haar, Canva

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft im Bundestag hat sich gestern in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes befasst. Dabei forderten die von den Fraktionen vorgeschlagenen Sachverständigen noch einige Nachbesserungen an der Gesetzesnovelle.

ISN: Regelungen – wie die zum Schwanzkupieren, die lediglich zur Verlagerung der hiesigen Erzeugung ins Ausland führen – müssen vom Tisch, denn damit ist dem Tierschutz in keiner Weise gedient. Es braucht einen europäischen Gleichschritt statt nationale Alleingänge.

 

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes und des Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetzes war gestern Abend (14.10.2024) Thema einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft. Alle acht von den Fraktionen vorgeschlagenen Sachverständigen sahen noch deutlichen Nachbesserungsbedarf an der Gesetzesnovelle – je nach Ausrichtung der jeweiligen Experten und Expertinnen teilweise in entgegengesetzte Richtungen.

 

Warnung vor Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauerverbandes (DBV), kritisierte das Fehlen von praxistauglichen Lösungen und einem angemessenen zeitlichen Rahmen. Außerdem werde die Wettbewerbsfähigkeit im EU-Binnenmarkt in den geplanten Änderungen nicht berücksichtigt. Für ihn stehe außer Frage, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der sowohl die berechtigten Anliegen des Tierschutzes als auch die Realitäten und Herausforderungen in der landwirtschaftlichen Praxis berücksichtige. Davon sei der vorliegende Gesetzesentwurf der Ampelregierung leider weit entfernt. Die Pläne führten vielmehr zu einer Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland. Auch Isabella Timm-Guri, Direktorin des Fachbereichs Erzeugung und Vermarktung beim Bayerischen Bauernverband (BBV), sah die Versorgung mit heimischen Produkten gefährdet. Das überarbeitete Tierschutzgesetz führe in eine Sackgasse, so Timm-Guri.

DBV-Generalsekretär Bernard Krüsken verwies in seiner Stellungnahme zudem auf anstehende neue europäische Tierschutzvorgaben und forderte deshalb Zurückhaltung bei neuen nationalen Tierschutzvorgaben: Die EU-Kommission ist bekanntlich dabei, das komplette Animal Welfare Paket und das Regelwerk für Tierschutz in der Nutztierhaltung grundlegend zu überarbeiten und zu ergänzen. Wir würden uns wünschen, anstelle weiterer Sonderwege hier die nationale Weiterentwicklung unseres Tierschutzrechts mit diesem Prozess mehr zu synchronisieren und das heißt, dass wir zunächst auf nationale Extras auch verzichten.

 

Kritik an unnötig aufgebauter Bürokratie

Dr. Andreas Palzer, Bundesverband Praktizierender Tierärzte (BpT), bezeichnete die geplanten Änderungen am Tierschutzgesetz als Symbolpolitik, die bis auf wenige Ausnahmen in der Praxis nicht zu einer signifikanten Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland führen würden. Insbesondere die unnötig aufgebaute Bürokratie kritisierte Palzer scharf. Dabei nannte er beispielhaft die anvisierte Verdreifachung der Dokumentationspflichten beim Thema Schwanzkupieren. Diese sei ohne erkennbaren Nutzen für die Problemlösung oder die Kontrollbehörde.

Palzer wies auch auf die so entstehenden höheren Vorgaben für deutsche Schweinehalter und die damit einhergehenden Wettbewerbsverschiebungen hin. Dabei sei das Problem des Schwanzbeißens in den anderen EU-Staaten ebenso wenig gelöst. Palzer kritisierte zudem die Anhebung der Verletzungsschwelle auf 5 Prozent, ab der erst ein Grund zum Kupieren vorliegen solle ebenso wie die Festlegung des maximalen Teils des Schwanzes, der kupiert werden darf, auf ein Drittel.

 

Zu viel symbolisches Klein-Klein

Laut der Tiermedizinerin Dr. Alexandra Dörnath, Expertin für Wildtiere und exotische Haustiere, verliere sich die angedachte Novelle in einem unnötigen, symbolischen Klein-Klein. Gesetze sollen Rahmen schaffen und kein Lehrbuch sein, sagte Dörnath. Die Kritik weiterer Sachverständiger aus verschiedenen Tierschutzorganisationen, dass die geplanten Änderungen hinter den Erwartungen zurückblieben und weiter konkretisiert werden müssten, widersprach Dörnath. Das bestehende Tierschutzgesetz sei bereits praktikabel, umsetzbar und herausragend im internationalen Vergleich.

 


Im Jahr 2023 haben deutsche Mäster ca. 9,5 Mio. Ferkel aus dem Ausland bezogen. Wenn die deutsche Ferkelerzeugung durch weitere Verschärfungen der Gesetze und Vorgaben geschwächt wird, könnten noch wesentlich mehr Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden ihr Ziel in Deutschland finden

Im Jahr 2023 haben deutsche Mäster ca. 9,5 Mio. Ferkel aus dem Ausland bezogen. Wenn die deutsche Ferkelerzeugung durch weitere Verschärfungen der Gesetze und Vorgaben geschwächt wird, könnten noch wesentlich mehr Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden ihr Ziel in Deutschland finden

Heimische Ferkel im Wettbewerb mit Importen

Gerade Detailregelungen, wie die genaue gesetzliche Festlegung des maximalen Anteils des Schwanzes beim Ferkel auf ein Drittel, der kupiert werden darf, sind folgenschwer. Denn das betrifft nur die hier erzeugten Ferkel. Wenn die anvisierten Gesetzesänderungen kommen, könnten kurzfristig bis zu 10 Millionen zusätzliche Importferkel nach Deutschland kommen und heimische Ferkel ersetzen. Heißt Im Klartext, dass sich die Ferkelimporte verdoppeln werden und ein Viertel der deutschen Ferkelerzeugung ersetzt wird, unterstreicht ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack noch einmal die Aussagen von DBV, BBV und BpT.

Das kurzfristige Austauschpotenzial ergibt sich zum einen durch 7,7 Mio. Ferkel, die von Dänemark nach Polen oder Italien exportiert werden und die bei ihrem Weg durch Deutschland viel schneller abgeladen werden könnten. Zum anderen wäre es kostengünstiger 2,5 Mio. Ferkel aus den Niederlanden auf dem kürzeren Weg nach Deutschland als nach Spanien, Belgien oder Rumänien zu transportieren.

Staack ergänzt Mit der Verlagerung der hiesigen Erzeugung ins Ausland auch dem Tierschutz in keiner Weise gedient. Er fordert dazu auf, den Realitäten ins Auge zu schauen: Solche Gesetzesregelungen müssen vom Tisch! Wir brauchen hier Regelungen im europäischen Gleichschritt und nicht nationale Alleingänge.


Beratungen zum Tierschutzgesetz - ISN: Ein nationaler Alleingang beim Schwanzkupieren führt zu deutlich mehr Ferkelimporten

Bundestag berät über Tierschutzgesetz – ISN fordert Vorgehen mit Augenmaß

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