Kastration Spezial: Betäubungslose Ferkelkastration - Ist der vierte Weg
die Lösung?
Im Interview: Dr. Andreas Randt, Geschäftsführer und Tierärztlicher Leiter des Tiergesundheitsdienstes in Bayern
Der in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Verzicht auf die betäubungslose Kastration rückt unaufhaltsam näher. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es am 1.1.2019 mit den bekannten Lösungen eng wird und es bislang keinen Königsweg gibt. Als Hoffnungsträger wird gerade im Süden der Bundesrepublik immer wieder der sogenannte vierte Weg
als Lösungsansatz genannt. Zugleich lehnen einige Tierärzteorganisationen und Tierschutzverbände diesen Weg kategorisch ab. Wir haben den Geschäftsführer und Tierärztlichen Leiter des Tiergesundheitsdienstes in Bayern Dr. Andreas Randt gebeten, die aktuelle Situation um den vierten Weg
zu erläutern und ihm einige Fragen gestellt.
Herr Dr. Randt, beim Thema Verzicht auf die betäubungslose Kastration wird immer wieder vom sogenannten vierten Weg
als Alternative gesprochen. Was genau steckt dahinter?
Beim sogenannten vierten Weg
handelt es sich um die Kastration der Ferkel unter lokaler Betäubung. Diese lokale bzw. örtliche Betäubung oder Schmerzausschaltung bietet eine Reihe von Vorteilen. Auf Grund der Wirkungsweise, sind die Ferkel nach dem Wirkungseintritt von Lokalanästhetika im Bereich der Hoden schmerzfrei und dennoch bei vollem Bewusstsein. Somit ist diese Methode viel risikoärmer als die Vollnarkosen. Darüber hinaus erzielen die lokalen Wirkstoffe noch eine gute postoperative Wirkung.
Die Bundestierärztekammer, die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz und der Deutsche Tierschutzbund haben sich vehement gegen diesen Weg ausgesprochen. Wie deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Für die lokale Betäubung sind in der Tiermedizin zwei Wirkstoffe zugelassen. Für lebensmittelliefernde Tiere steht uns der Wirkstoff Procain zur Verfügung. Für Klein- und Haustiere, sowie für Pferde ist zusätzlich der Wirkstoff Lidocain im Einsatz. Der Wirkstoff Procain beweist seine Wirkung täglich in zahlreichen Operationen. Aus fachlicher Sicht sind Lokalanästhetika, wie beispielsweise Procain und Lidocain, sehr wohl in der Lage eine Schmerzausschaltung wirksam zu bewerkstelligen. In der Humanmedizin gewinnt die Lokalanästhesie an Bedeutung.
Wir sehen unsere Aufgabe darin, nach Lösungen zu suchen, die dem Ferkel nützen und den Anforderungen des Tierschutzgesetzes entsprechen.
In Skandinavien werden die Lokalanästhetika von Landwirten eingesetzt, hierzulande sprechen sich die genannten Tierärzteorganisationen kategorisch gegen den Einsatz durch den Landwirt aus. Wie sehen Sie das?
In Schweden ist die lokale Betäubung bei der Ferkelkastration seit dem 01.01.2016 gesetzlich vorgeschrieben. Unter tierärztlicher Anleitung führt der Ferkelerzeuger in Schweden die lokale Schmerzausschaltung nach einer Schulung, selbstständig durch. Die Erfahrungen mit dem Lokalanästhetikum Lidocain, welches in Schweden zum Einsatz kommt, sind durchweg positiv.
Und welche rechtlichen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit auch der Landwirt in Deutschland das Mittel selbst einsetzen kann?
In Deutschland ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt für lebensmittelliefernde Tiere nur der Wirkstoff Procain für die Leitungs- und Infiltrationsanästhesie zugelassen. Für die Anwendung durch den Landwirt ist laut Tierschutzgesetz jedoch ein Arzneimittel notwendig, welches für die Indikation der Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen ist. Dies bedeutet, dass für ein bereits zugelassenes Produkt eine Indikationserweiterung zu beantragen ist.
Wären andere Mittel, beispielsweise Lidocain besser geeignet? Warum werden diese nicht eingesetzt?
Im Vergleich zu Procain hat Lidocain einen rascheren Wirkungseintritt, und eine längere postoperative Wirkungszeitraum. Allerdings besitzt Lidocain keine Zulassung für lebensmittelliefernde Tiere. Es darf nur für die Tierarten Pferd, Hund und Katze eingesetzt werden.
Der Bundeslandwirtschaftsminister hat sich für die Weiterentwicklung des vierten Weges
ausgesprochen. Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, um diese Weiterentwicklung voran zu treiben?
Die Praxis der Ferkelkastration wird von versierten Ferkelerzeugern bereits heute sehr tierschonend vorgenommen. Unser Anliegen ist es, so wenig wie möglich die Ferkel und die Sauen zu beunruhigen. Deshalb empfehlen wir, dass der Eingriff von einer vertrauten Person unter Verwendung der dänischen Kastrationszange vorgenommen wird. Bei besserer Arbeitssicherheit erlaubt die Zangenmethode die Hautschnitte auf das notwendige Maß zu verkürzen, reduziert die Schnittdauer auf einen Wimpernschlag, vermeidet Blutungen und Schnitte in den Hoden. Die Kastration wird verkleinert und die Eingriffsdauer verkürzt. Die Entstehung von Schmerzen wird so minimiert. Das ist der vorrangige Schritt. Die Lokalanästhesie verhindert die Entstehung und Weiterleitung der Restschmerzsignale am Ort ihrer Entstehung.
Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass es gelingt, neben Procain auch modernere Wirkstoffe für die lokale Betäubung in der Nutztierpraxis etablieren zu können. Modernere Wirkstoffe zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Anschlagzeit kürzer und ihre Wirkdauer viel länger ist.
Bereits heute stellt die lokale Betäubung eine deutliche Weiterentwicklung für das Ferkelwohl dar.