BMEL-Branchentreffen: Einigkeit über kurzfristige Maßnahmen - ISN sieht positives Signal
Bei einem digitalen Branchentreffen diskutierten heute Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihre Länderkolleginnen aus NRW und Niedersachsen, Ursula-Heinen Esser und Barbara Otte-Kinast, mit Verbänden und Unternehmen der Lebensmittelkette über die aktuelle Preiskrise am Schweinemarkt.
Einigkeit bestand über die Bedeutung kurzfristiger Maßnahmen, wie die Anpassung und Ausweitung des Rahmens der Überbrückungshilfe III, um möglichst viele Schweinehalter in der Krise vor dem Aus zu retten. Einigkeit bestand auch hinsichtlich der Notwendigkeit, für Absatzimpulse im Lebensmittelhandel durch massive Werbung für deutsches Schweinefleisch zu sorgen. Aldi Nord und Süd haben bereits zusätzliche Werbeaktionen angekündigt.
Auf Initiative der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, sind heute Vertreter der Erzeuger, der verarbeitenden Branche sowie des Lebensmittelhandels zusammengekommen, um über die aktuelle Lage am Markt für Schlachtschweine zu beraten. Mit dabei waren die Agrarministerinnen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Barbara Otte-Kinast und Ursula Heinen-Esser. In diesen beiden Bundesländern werden rund 60 Prozent der Schweine in Deutschland gehalten. Bereits im vergangenen Jahr hatten in dieser Besetzung zwei Branchengespräche stattgefunden.
Unter anderem die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beschrieb die aktuelle wirtschaftliche Situation der Schweine haltenden Betriebe in Deutschland als prekär: Niedrige Preise für Schweine und Ferkel, gestiegene Futtermittelkosten, eine kritische Absatzsituation und erhöhte Verbrauchererwartungen an Umwelt- und Tierschutz stellen die Betriebe vor große Herausforderungen
, heißt es in der Pressemeldung des Landwirtschaftsministeriums.
Gründe für rückläufige Absatzzahlen sind unter anderem:
- Exportbeschränkungen in viele Drittländer infolge der Afrikanischen Schweinepest (ASP),
- eine aufgrund des Wetters und der Corona-Beschränkungen schwache Grillsaison,
- Corona-bedingt geringere Absatzzahlen in der Gastronomie und bei Veranstaltungen
Alle in der Wertschöpfungskette müssen an einem Strang ziehen und gemeinsam Lösungen finden
, betonte Ministerin Klöckner.
Weite Einigkeit bei den kurzfristigen Maßnahmen
Trotz gedämpfter Erwartungen ging aus Sicht der ISN vom heutigen Branchentreffen ein positives Signal aus. Denn hinsichtlich der kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen gab es weitgehende Einigkeit unter den Teilnehmern des Branchentreffens. Die ISN forderte bereits im Vorfeld des Treffens, dass nun schnell etwas passieren müsse, denn mit jedem Tag, den die Krise andauere, würden mehr Landwirte aus der Schweinehaltung aussteigen. Entsprechend deutlich wurden kurzfristige Maßnahmen eingefordert.
Jetzt geht es darum, dass die Betriebe erhalten bleiben! Und dafür brauchen sie einen schnellen Ausweg aus dieser desaströsen Preiskrise
, so ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack Damit möglichst vielen Betrieben in der jetzigen Situation geholfen wird, nicht in die Pleite zu rutschen, muss der Rahmen für die bestehenden Förderinstrumente kurzfristig angepasst werden,
erläuterte Staack. Das habe die ISN in dem heutigen Treffen mit entsprechender Deutlichkeit eingefordert. Gemeint sei hier die kurzfristige Sicherung der Liquidität der Betriebe u.a. mithilfe der Corona-Überbrückungshilfe III, Steuerstundungen usw.
Erfreulicherweise ist hier schon Einiges auf den Weg gebracht worden. Beispielsweise Steuerstundungen, wie Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast betonte. Auch die Inanspruchnahme der Corona-Überbrückungshilfe III ist nun bis zum Ende des Jahres verlängert worden. Wichtig ist, dass hier auch noch die aktuell bestehende Deckelung der Hilfen für die landwirtschaftlichen Betriebe erweitert wird
, so Staack.
Absatzimpulse im Lebensmittelhandel notwendig
Bereits im Vorfeld des Treffens hatte die ISN gefordert, mit massiven Werbeaktionen den Absatz von deutschem Schweinefleisch im Lebensmittelhandel anzukurbeln. Dabei darf der Lebensmittelhandel nicht durch politische Aussagen dafür gerügt oder gar daran gehindert werden!
, machte Staack deutlich: Die Lager sind so voll wie noch nie, deshalb brauchen wir jetzt genau solche Werbeaktionen.
Und er führte weiter aus Umso erfreulicher ist es, dass auch zu diesem Punkt Einigkeit im heutigen Branchengespräch bestand und alle die Bedeutung von kurzfristigen Absatzimpulsen im Lebensmittelhandel sahen. Natürlich müssen dabei insbesondere regionale Aspekte und die Herkunft Deutschland eine entscheidende Rolle spielen.
Wir fordern nun die Marktbeteiligten im Lebensmittelhandel auf, den Absatz von Schweinefleisch nun kurzfristig entsprechend z.B. über zusätzliche Werbeaktionen für deutsches Schweinefleisch anzukurbeln. Das gilt natürlich nicht nur für das Frischfleisch sondern genauso für die verarbeiteten Schweinefleischprodukte
, schließt Staack seine konkrete Forderung an. Direkt im Anschluss des Branchentreffens hatten Aldi Nord und Aldi Süd bereits mitgeteilt, in den kommenden Wochen mit zusätzlichen Schweinefleisch-Aktionsartikeln aus deutscher Herkunft den Absatz von Schweinefleisch zu unterstützen. Gut so, weitere Lebensmitteleinzelhändler und insbesondere auch der Großhandel müssen hier schnell nachziehen
, so Staack.
Unterschiedliche Auffassungen über den mittel- und langfristigen Weg
Hinsichtlich der mittel- und langfristigen einzuleitenden Maßnahmen waren die Vorstellungen deutlich unterschiedlicher. Verständlich, denn hier kommt die unterschiedliche Betroffenheit der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette Schwein deutlich zum Ausdruck. Während die nachgelagerten Stufen eher von einer temporären Absatzproblematik ausgehen, sieht sich die Erzeugerstufe in einer strukturellen Krise.
Einhellige Unterstützung fand zwar der Weg, der mit dem sogenannten Borchert-Plan eingeleitet wurde. Wie die NRW-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser richtigerweise feststellte, hat sich eine Vielzahl an Betrieben bereits auf den Weg gemacht. Jetzt drohen aber die Erzeuger inmitten der Transformationsphase stecken zu bleiben. Das muss mit aller Macht verhindert werden. Die Erzeuger brauchen also deutlich mehr Unterstützung bei der Umsetzung und Finanzierung
, so Staack.
Diskussion um Ausstiegs- und Zukunftsprämien
Die in die Diskussion gebrachten Ausstiegsprämien für Schweinehalter wurden breit abgelehnt. Auch wir lehnen eine reine Ausstiegsprämie nach dem niederländischen Vorbild deutlich ab. Diese würde lediglich eine Verlagerung der Schweinefleischerzeugung in andere (EU)-Staaten bewirken
, so die Einschätzung von Staack und anderen Teilnehmern des Treffens. Zudem liegt bei dem holländischen Modell der Fokus auf der Schließung von ganzen Betrieben. Wir haben aber hierzulande schon jetzt viel zu wenig Bauern – annähernd die Hälfte hat allein in den vergangenen zehn Jahren bereits das Handtuch geworfen. Wir haben daher eine deutlich differenziertere Zukunftsprämie ins Gespräch gebracht, durch die besonders die zukünftig weiter aktiven Schweinehalter unterstützt werden sollen
, so Staack.
Er erklärt: Diese kann dann je nach regionaler Einordnung allerdings auch Ausstiegskomponenten enthalten, um Betrieben, z.B. in viehdichten Regionen eine Chance auf notwendige Betriebsentwicklung zu ermöglichen. Dies ist allerdings weniger unter dem Gesichtspunkt der Bestandsreduktion zu sehen, sondern den noch immer bestehenden, ansonsten unüberwindbaren Genehmigungshürden geschuldet.
Staack betont: Weil es hier nicht voran geht, muss man überlegen, wie man alternativ vorankommt. Dabei gibt es natürlich keine Denkverbote. Eine Ausstiegsprämie würde in den Intensivregionen bedeuten, dass Betriebe die sich weiterentwickeln wollen, so den nötigen Platz für ihre betriebliche Entwicklung bekommen, weil andere die den Transformationsprozess nicht mitgehen wollen, durch eine definitive Betriebsaufgabe den Platz dafür schaffen. Unter dem Strich geht es bei unserem Gedanken darum, die Stallbaubremse zu lösen und den ins Stocken geratenen Transformationsprozess wieder anzuschieben. Ganz wichtig ist hierbei das Gesamtkonzept – beispielsweise neben der auskömmlichen Finanzierung der Mehrkosten, die gleichzeitige konsequente Herkunftskennzeichnung für alle Schweinefleischprodukte. Denn das Konzept kann am Ende nur aufgehen, wenn die Herkunft Deutschland – also '5 X D' beim Schweinefleisch, das in Deutschland verkauft wird, klare Vorfahrt bekommt
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