Entwicklungen am Futtermittelmarkt – Wie verändern sich Markt und Strukturen?
Entwicklungen am Futtermittelmarkt – wie verändern sich Markt und Strukturen?
: so lautete der Vortrag beim ISN-Dialogforum anlässlich der ISN-Mitgliederversammlung im Juni in Münster, in dem Bernd Bröring, Geschäftsführer der Bröring Unternehmensgruppe einen tiefen Einblick in die Entwicklungen in der Futtermittelbranche gab. Wir haben ihm im Nachgang noch einmal fünf zentrale Fragen zu dem Thema gestellt:
Herr Bröring, die Schweinehaltung ist während der verschiedenen Krisen der vergangenen Jahre dramatisch geschrumpft. Auch bei anderen Tierarten ist ein Rückgang in der Nutztierhaltung zu erkennen. Welche Folgen ergeben sich daraus für die Futtermittelindustrie und wie stellen sich Ihr und andere Unternehmen darauf strukturell ein?
Bröring: Die Futtermittelwirtschaft ist das Spiegelbild der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Als Vorlieferant der Landwirte sitzen wir in einem Boot. Die drastisch rückläufigen Nutztierbestände in Deutschland lassen auch den deutschen Mischfuttermarkt in den letzten Jahren sehr stark schrumpfen. Laut unserem Branchenverband DVT produzierten die deutschen Mischfutterhersteller im Kalenderjahr 2022 gegenüber dem Vorjahr ca. 1,4 Mio. Tonnen weniger an Mischfutter. Hiervon hat das Schweinefutter den größten Rückgang mit ca. - 0,9 Mio. Tonnen Mischfutter zu verzeichnen. Für das Kalenderjahr 2023 prognostizieren wir einen weiter rückläufigen Mischfuttermarkt.
Um weiterhin qualitativ hochwertiges Mischfutter kosteneffizient anbieten zu können, reagiert die Futtermittelwirtschaft mit weiterer Konsolidierung. Überkapazitäten werden durch Standortschließungen und Zusammenschlüsse abgebaut. Grundsätzliche sehen wir für unser Unternehmen eine gute Perspektive auf dem deutschen Markt und werden auch weiterhin in den deutschen Markt investieren.
Welche Bedeutung spielt das Thema Nachhaltigkeit für den Mischfutterbereich? Welche Anforderungen kommen auf Mischfutterhersteller und Tierhalter zu?
Bröring: In unserer Wertschöpfungskette Schwein sind letztendlich alle Akteure Lebensmittelproduzenten, auch wir als Mischfutterhersteller. Gerade in der Lebensmittelproduktion nimmt das Thema Nachhaltigkeit einen wichtigen Platz ein. Dies bietet auch unternehmerische Chancen zur Differenzierung. Zudem brauchen wir uns nicht verstecken, die deutsche Schweineproduktion ist bereits ein Nachhaltigkeitschampion. Gerade das Schwein kann beispielsweise viele regionale Nebenprodukte aus der Lebensmittelwirtschaft, wie z.B. Weizenkleie oder Rapsschrot, die für die menschliche Ernährung ungeeignet sind, ideal zu hochwertigem Schweinefleisch veredeln.
Bei allen Diskussionen um das Thema Nachhaltigkeit steht der effiziente Einsatz von Ressourcen im Vordergrund. Damit hat die konventionelle Schweinehaltung einen wesentlichen Vorteil. Dies gilt es noch besser in der Öffentlichkeit darzustellen. Aktuell beschäftigt sich die Mischfutterbranche zudem mit der Umsetzung von wichtigen Nachhaltigkeitsthemen, wie z.B. die Entwaldungsfreiheit von Sojaprodukten oder aber die Ermittlung des CO2-Fußabdruckes.
Bernd Bröring, Geschäftsführer der Bröring Unternehmensgruppe, auf dem ISN-Dialogforum in Münster ©ISN
Wird nach Ihrer Ansicht die Erzeugerkette Schweinefleisch stärker zusammenrücken und sich hin zu einer stärkeren vertikalen Integration bewegen?
Bröring: Diese Frage müssen wir etwas differenzierter betrachten. Zunächst einmal bin davon überzeugt, dass es richtig ist, in der Erzeugerkette Schweinefleisch stärker zusammenzurücken und intensiver zusammenzuarbeiten. Die Branche steht vor großen Herausforderungen. Es müssen Antworten gefunden werden auf viele Fragen der Gesellschaft, die sich massiv ändert. Gemeinsam sind wir hier stärker als jeder für sich alleine. Als positives Beispiel für die gute Zusammenarbeit in der Kette möchte ich die Umsetzung der nährstoffreduzierten Fütterung beim Schwein nennen. Gemeinsam mit allen Partnern in der Kette ist es uns gelungen Nährstoffüberschüsse unter anderem durch die sehr stark N-/P-reduzierte Schweinefütterung nachweislich abzubauen und somit eine allgemeine Kritik an unserer Branche aufzulösen. Gleichzeitig war es trotz der Nährstoffreduzierung im Futter wichtig, die biologischen Tierleistungen im Stall und die Schlachtkörperqualitäten zu halten und weiter zu steigern. Dies ist uns in der Kette sehr gut gelungen.
Aus meiner Sicht wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Kette im Sinne von Qualität und Effizienz immer wichtiger. Aktuelle Themen wie Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, Nachhaltigkeit und der CO2-Fussabdruck verlangen nach einer intensiveren Zusammenarbeit in der Kette. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass dieser Weg nicht in eine vertikale Schweineintegration münden wird, wie wir sie beispielsweise aus Spanien kennen. In der deutschen Wertschöpfungskette Schwein hat jeder Marktpartner seine Aufgabe und jeder ist in seinem Bereich ein kompetentes und leistungsstarkes Kettenglied! Ich denke hier insbesondere an die sehr starken landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Deutschland. Zudem ist Wettbewerb in der Kette wichtig, damit sich keine Wertschöpfungsstufe auf Kosten einer anderer ausruht. Schließlich ist eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
Die Preise für Mischfutter haben sich wieder deutlich entspannt. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung im jetzt angefangenen Wirtschaftsjahr ein? Sollte man aktuell Kontrakte abschließen und wie sehen Sie die längerfristige Preisentwicklung am Futtermittelmarkt für deutsche Schweinehalter?
Bröring: Nach den historischen Höchstständen an den internationalen Handelsbörsen aufgrund des Ukraine-Kriegs haben wir rückläufige Preise bei den Agrarrohstoffen gesehen. Dennoch befinden wir uns in der laufenden Getreideernte immer noch auf einem hohen Preisniveau. Die zukünftige Preisentwicklung hängt sehr stark von der Angebotsseite ab: Wie hoch fällt tatsächliche die Erntemenge des Wintergetreides auf der Nordhalbkugel aus? Fällt der langersehnte Regen für den Mais- und Sojaanbau im Cornbelt der USA oder kommt es hier doch zu einer Dürre? Was passiert nach der nicht erfolgten Verlängerung des Getreidehandelsabkommens zwischen der Ukraine und Russland und wie entwickelt sich der Konflikt weiter? Diese Unsicherheiten lassen eine klare Meinung kaum zu. Wir merken daher, dass mehr auf Sicht gefahren wird, auch bei unserer Kundschaft. Beispielsweise wird Schweinefutter durchgangswiese eingekauft. Die Anfragen nach Jahreskontrakten gehen tendenziell zurück. Aus meiner Sicht ist es auch besser eben nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern bei der Futtermittelbeschaffung ein Risikosplitting zu betreiben, indem der Einkaufzeitpunkt auf z.B. 4 Termine im Jahr aufgeteilt wird oder bei längeren Terminen nur eine Teilmenge gekauft wird.
Und wie steht es mit der Verfügbarkeit der Rohwaren für die Mischfutterherstellung in Deutschland – auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten?
Bröring: Deutsches Schweinefutter besteht zu einem wesentlichen Teil aus Futtergetreide, wie Gerste, Roggen oder Triticale, welches hauptsächlich im heimischen Ackerbau erzeugt wurde. Auch die Proteinfuttermittel wie zum Beispiel Rapsschrot oder Nachprodukte wie Weizenkleie haben relativ kurze Lieferwege zum Mischfutterwerk. Kurzum, beim Schweinefutter haben wir eine sichere Versorgungslage bei den Hauptrohstoffen.
Anders sieht es bei Aminosäuren, Vitaminen und Spurenelementen aus, die trotz der geringeren Einsatzmenge dennoch für eine bedarfsgerechte Schweinefütterung essenziell sind. Diese Mikrokomponenten stammen zum Großteil aus Asien. Beispielsweise werden ca. 70% der in der EU verbrauchten Vitamine für die Tierernährung in China produziert. In dieser Rohstoffgruppe haben wir eine starke Abhängigkeit von China. Externe Effekte wie die Corona-Pandemie oder aber politische Spannungen können die Versorgungssicherheit schnell gefährden. Leider ist es kaum möglich unsere Lieferketten an dieser Stelle durch europäische Lieferanten robuster zu gestalten, da europäische Hersteller von Vitaminen oder Aminosäuren aufgrund der hohen Energiekosten und Umweltauflagen weiter ihre Kapazitäten abbauen.
Im europäischen Vergleich lohnt sich ein Blick nach Spanien. Dort sehen wir aufgrund der geringen Inlandsproduktion von Getreide, eher Mais/Soja-lastige Schweinefutter. Die spanische Mischfutterproduktion ist bei den Hauptrohwaren wesentlich stärker von Futtermittelimporten abhängig als die deutsche.