EU-Industrieemissionsrichtlinie: Umweltminister drängen auf Vereinbarkeit mit dem Tierwohl
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Ausweitung der Emissionsrichtlinie wäre für die Tierhalter in der gesamten EU ein riesiger Brocken (Bild © ISN/Jaworr, Canva)
Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der EU-Industrieemissionsrichtlinie, die eine Ausweitung der Schwellenwerte für die Tierhaltung vorsehen, sind bei der großen Mehrheit der Umweltminister grundsätzlich auf Zustimmung gestoßen. Allerdings drängten mehrere Minister darauf, dass die neuen Vorgaben auch mit dem Tierwohl zu vereinbaren sind, so Agra Europe.
ISN: Endlich wird die Diskrepanz zwischen den vorgesehenen Verschärfungen und einem Mehr an Tierwohl von den Ministern aufgezeigt! Die in Brüssel geplanten Vorgaben zur Emissionsrichtlinie bremsen den geplanten Umbau der Tierhaltung hin zu mehr Platz und zum Öffnen der Ställe nämlich völlig aus. Wenn Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir es ernst meint mit der Transformation der Nutztierhaltung und vor allem familiengeführte Betriebe in Deutschland halten will, dann muss er sich in Brüssel dringend mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Vorschläge der EU-Kommission so nicht umgesetzt werden!
Die Vorschläge der EU-Kommission stießen bei der großen Mehrheit der Umweltminister grundsätzlich auf Zustimmung. Mehrere Ressortschefs warnten bei dem Treffen in Luxemburg allerdings davor, dass bei den Vorgaben auch die Tierwohlstandards hinreichend berücksichtigt werden müssten. So dürften Offenställe nicht benachteiligt werden. Zudem sind aus Sicht einiger Umweltminister die von der Brüsseler Behörde vorgeschlagenen Schwellenwerte für Großvieheinheiten (GVE) zu hoch angesetzt.
Hintergrund
Die Kommission will mit der neuen Richtlinie den Geltungsbereich in der Tierhaltung bekanntlich auf weitere Schweine- und Geflügelhaltungen sowie erstmals auch auf größere Rinderbetriebe ausweiten. Vorgesehen ist dabei ein Schwellenwert von 150 GVE. Gemäß dem Vorschlag sollen die neuen Vorschriften schrittweise umgesetzt werden. Betroffen wären dann nach Angaben der EU-Kommission etwa 185.000 Betriebe in der gesamten EU; derzeit sind es rund 20.000.
Umweltkommissar Sinkevičius begrüßt strengere Vorgaben
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius verteidigte die strengeren Regeln. Bisher seien lediglich 4 % der Schweine- und Geflügelhaltungen durch die geltende Richtlinie abgedeckt, Rinderhalter überhaupt nicht. Angesichts der Tatsache, dass rund zwei Drittel der Ammoniak- und die Hälfte der Methanemissionen ihre Quelle in der Nutztierhaltung hätten, und hier in den vergangenen Jahren keine Verbesserungen erzielt worden seien, gebe es keine Alternative zu den strengeren Vorgaben, betonte Sinkevičius.
GVE-Umrechnungsschlüssel: Umweltministerin Lemke bringt Bedenken an
Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte sich mit den grundsätzlichen Zielen des Direktiventwurfs einverstanden. Zur Emissionsminderung müsse nun die beste verfügbare
Technik zum Einsatz kommen. Dies dürfe allerdings nicht zu Lasten des Tierwohls gehen, mahnte Lemke.
Bedenken gibt es von Seiten Deutschlands laut der Ressortchefin hinsichtlich des GVE-Umrechnungsschlüssels. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte vor kurzem darauf verwiesen, dass der in der Bundesrepublik gebräuchliche Schlüssel bei 0,06 GVE bis 0,16 GVE je Schwein ansetze; der EU-Berechnungsschlüssel liegt hingegen bei 0,3 GVE.
Die ISN meint:
Die Vorschläge der EU-Kommission zu den erweiterten Vorgaben bei der Emissionsrichtlinie bedeuten für die Tierhalter in der gesamten EU nicht nur enorme Mehrkosten, sondern bremsen den Transformationsprozess der Tierhaltung obendrein völlig aus.
Die enormen Kosten der Emissionsminderungsmaßnahmen sind für familiengeführte Betriebe wirtschaftlich schlicht nicht umsetzbar und würden zu einer weiteren Verstärkung der Ausstiegswelle aus der Nutztierhaltung führen. Statt die bisherigen Genehmigungshürden abzubauen, werden sie durch die vorgesehene Anpassung der EU-Emissionsrichtlinie weiter verschärft.
Wenn Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir es ernst meint mit der Transformation der Nutztierhaltung und vor allem familiengeführte Betriebe in Deutschland halten will, dann muss er sich in Brüssel dringend mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Vorschläge der EU-Kommission so nicht umgesetzt werden! Oder will sich Minister Özdemir vorwerfen lassen, dass er so das erklärte politische Ziel – die Nutztierbestände zu reduzieren – durch die Hintertür erreichen will?