Krise am Schweinemarkt macht Überbrückungshilfe dringend notwendig
Die ohnehin schon katastrophale finanzielle Situation der Ferkelerzeuger und Schweinemäster hat sich mit dem weiteren Preisrutsch in dieser Woche noch weiter verschärft. Immer mehr Existenzen sind bedroht.
ISN: Neben langfristigen Lösungen zum Ausweg aus der Krise benötigen die Betriebe nun dringend finanzielle Hilfe, damit ein Strukturbruch verhindert werden kann. Auch wenn Corona nicht allein für die aktuelle Situation in der Schweinehaltung verantwortlich ist, so ist die Pandemie mit den damit verbundenen Restriktionen und angeordneten Gegenmaßnahmen die wesentliche Ursache für die aktuelle Absatz- und Preiskrise am deutschen Schweinemarkt.
Hinweis für ISN-Mitglieder: Eine überarbeitete Argumentationshilfe für Ihren Steuerberater finden Sie hier. Wenn Ihr Steuerberater hierzu Fragen oder Anmerkungen hat, kann er sich gerne bei uns direkt melden.
Am Mittwoch ging die Notierung für Schlachtschweine der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) erneut zurück und steht mittlerweile nur noch bei 1,25 €/kg SG. Infolgedessen gab heute auch die VEZG-Ferkelnotierung auf 20,00 € nach. Bei gleichzeitigen Kostensteigerungen, insbesondere um 30 % für Mischfutter seit dem letzten Herbst, dürften sich die Verluste mittlerweile auf schätzungsweise 60 Euro pro Schwein belaufen. Dieser teilt sich zwischen Ferkelerzeugern und Mästern auf. Unter diesen Bedingungen bedeutet das Woche für Woche Verluste für die deutschen Schweinehalter (Ferkelerzeuger und Mäster) von schätzungsweise 50 Mio. Euro.
Massiver Einbruch des Außer-Haus-Verzehrs durch Corona
Eine Krise in diesem Ausmaß hat es am deutschen Schweinemarkt noch nicht gegeben. Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 stehen die Schweinepreise nahezu dauerhaft – nur mit kurzzeitigen Ausnahmen – unter Druck. Angebot und Nachfrage sind seitdem völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Der Außer-Haus-Verzehr von Schweinefleisch, der normalerweise etwa ein Drittel des gesamten Marktes ausmacht, ist in einem ganz erheblichen Maße weggebrochen. Über lange Zeit waren Kantinen, Gastronomie und Veranstaltungen nahezu komplett auf Null heruntergefahren und auch noch heute sind die Aktivitäten im Außer-Haus-Bereich noch weit von einem normalen Niveau entfernt. Beispielsweise dürfen bei Fußballspielen derzeit die Stadien höchstens zu 50 % bzw. bis zu einer maximalen Zuschauerzahl von 25.000 Personen ausgelastet werden. Auch in den Bereichen, in denen keine rechtlichen Einschränkungen mehr gelten, ist häufig zu beobachten, dass sich das Verhalten der Menschen geändert hat und der Konsum im Außer-Haus-Bereich noch immer auf deutlich abgesenktem Niveau liegt. Die neuesten Zahlen vom Statistischen Bundesamt zum Umsatz im gesamten Gastgewerbe weisen trotz der Lockerungen zum Sommer für Juni noch immer einen Umsatzrückgang von 41 % im Vergleich zum Juni 2019 aus.
Auch der Schweinestau Ende 2020/Anfang 2021 wirkt noch immer heftig nach. Der Preis verfiel stark und riesige Lagerbestände wurden insbesondere während der Auflösung des Schweinestaus aufgebaut, die den Schweinemarkt bis heute stark belasten. Im Juli 2021 lagen die Lagerbestände an Schweinefleisch mit 259.000 t sage und schreibe 113 % höher als im Juli 2019.
Corona drückt das Preisniveau
Die Marktmechanismen wurden durch Corona nicht komplett ausgeschaltet, so haben beispielsweise auch die ASP oder das Weltmarktgeschehen einen Einfluss auf die Schweinepreise. Zwischenzeitlich kam es im Februar/März 2021 sogar wieder zu leichten Preisanstiegen, als die EU Rekordmengen in Drittländer exportierte (Allzeithoch im März 2021: 623.297 t). Trotz der Sperren für den Export von deutschem Schweinefleisch in viele Drittländer ergaben sich so Lücken für die deutschen Unternehmen am europäischen Binnenmarkt. Aber trotz dieser günstigen Bedingungen am EU-Markt erholte sich der Schweinepreis bei weitem nicht so stark, dass das Preisniveau vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie erreicht werden konnte.
Entscheidender Teil der Nachfrage fehlt
Alles in allem fehlt seit Beginn der Corona-Pandemie ein ganz entscheidender Teil der Nachfrage nach Schweinefleisch. Dieser wird auch nicht vollständig durch private Einkäufe ausgeglichen, weil der Verzehr im Außer-Haus-Bereich häufig on top zum normalen Verzehr kommt (z. B. das Essen auf Feiern oder die Bratwurst im Stadion). Dadurch besteht quasi ein ständiger Überschuss an Schweinefleisch – in manchen Zeiten etwas stärker als in anderen. Und das, obwohl das Angebot an Schweinefleisch bzw. an Schlachtschweinen massiv nach unten angepasst wurde. Ein stark rückläufiges Ferkelangebot in den deutschen Ställen (durch Betriebsaufgaben, weniger Besamungen oder leerstehende Ställe) sowie geringere Ferkel- und Schlachtschweinimporte sorgen für ein etwa 8 % niedrigeres Angebot an Schlachtschweinen im Vergleich zu 2019. In einem so trägen Produktionsprozess wie der Schweinehaltung ist das ein enormer Rückgang. Schließlich dauert es von der Besamung der Sau bis zur Schlachtung des Mastschweins mehr als 40 Wochen.
Langfristige Lösungen nötig
Dass trotz des Schlachtschweineangebotes, das so niedrig wie zuletzt 2007 ist, eine solche Krise am Schweinemarkt herrscht, ist höchst bedenklich. Unter Marktteilnehmern wird diskutiert, wie es langfristig gelingen kann, Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen. Das Angebot ist schon jetzt deutlich reduziert – jetzt brauchen wir vor allen Dingen auch den Absatz! Deshalb muss der deutsche Markt für den Absatz des deutsches Schweinefleisch besonders in den Fokus gerückt werden – hier müssen alle Potenziale genutzt werden. Das Ankurbeln des Absatzes von deutschem Schweinefleisch im Inland durch Angebotsaktionen der Lebensmitteleinzelhändler ist weiterhin enorm wichtig. Angebote ausländischer Ware sind aktuell ganz besonders belastend für den deutschen Markt, deshalb richtet sich unser Blick besonders auf die Großhandelsunternehmen, den Außer-Haus-Verzehrs und die Verarbeitung (z.B. Wurstherstellung). Hier brauchen wir überall Vorfahrt für deutsches Schweinefleisch!
Überbrückungshilfe notwendig
Klar ist jedoch, dass all diese denkbaren Lösungen erst langfristig wirken können. Um die Betriebe bis dahin überhaupt retten zu können und einen Strukturbruch zu verhindern, sind daher finanzielle Hilfen zur Überbrückung dieser Zeit dringend notwendig. Über das Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Bundesfinanzministeriums Überbrückungshilfe III
bzw. Überbrückungshilfe III Plus
haben Betriebe, die in den einzelnen Monaten von November 2020 bis September 2021 einen Umsatzrückgang von mindestens 30 % im Vergleich zu 2019 nachweisen können, die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung zu erhalten (Weitere Details finden ISN-Mitglieder im ISN-Kompakt von Februar, s.u..) Bei der Beantragung ist ein Nachweis zu erbringen, dass diese Umsatzrückgänge Corona-bedingt sind. Aus diesem Grund hat die ISN ihre Argumentationshilfe für Steuerberater überarbeitet, die darlegt, warum die Preisrückgänge am Ferkel- und Schlachtschweinemarkt Corona-bedingt sind. Sie steht ab sofort im Mitgliederbereich zum Download zur Verfügung.