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Schlachter diskutieren über Schweinepreis, Tierwohl und Herkunft Deutschland

Die drei größten Schlachtunternehmen Deutschlands diskutierten auf der ISN-Mitgliederversammlung in Münster.

Die drei größten Schlachtunternehmen Deutschlands diskutierten auf der ISN-Mitgliederversammlung in Münster.

Drei Schlachtunternehmen – unter deren Dach weit über die Hälfte aller Schweine in Deutschland geschlachtet werden, waren am vergangenen Dienstag auf dem Podium in Münster im Rahmen der ISN-Mitgliederversammlung vertreten. Unter der Überschrift Zwischen Asien-Boom und Tierwohllabel – was geht am Schweinemarkt? diskutierten Carsten Schruck (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Westfleisch SCE), Frans Stortelder (COO Pork/Leiter des Geschäftsbereichs Schwein der VION) und Josef Tillmann (Geschäftsführer bei Tönnies Lebensmittel GmbH). Der Schweinehalter und ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes komplementierte die Diskussionsrunde, die von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals moderiert und vom ISN-Marktexperten Matthias Quaing zusätzlich mit Fakten untermauert wurde.

 

Schweinepreis: Diskussion ohne Hauspreiskönig

Matthias Quaing servierte zu Beginn der Diskussion Daten zum letztjährigen Schweinepreis, bei dem Deutschland im europäischen Vergleich schlecht abschnitt, und fragte nach dem Einfluss von Tönnies auf die Branche sowie die Zukunft der Preisfindung. Wenn Sie und Clemens Tönnies schlechte Laune haben, gibt es dann Hauspreise, Herr Tillmann?, scherzte Schulze Pals. Geschlossen erklärten Tillmann, Schruck und Stortelder die Schwierigkeiten beim Fleischpreis gemessen an den Teilstücken, der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung und der Nachfrage beim Export. Gleichzeitig hatte man auf der Bühne gut lachen, denn der Hauspreiskönig 2016 - wieder einmal Danish Crown mit sechs Hauspreisen in 2016 – war nicht eingeladen. Für das laufende Jahr schätzte Carsten Schruck von der Westfleisch insbesondere das bedeutende Exportgeschäft in Richtung China aufgrund der dort zurück gehenden Bestandszahlen weiterhin als positiv ein.

 

Zusammenarbeit statt Integration?

Für eine längerfristige Bindung der Schweinehalter an einen Schlachter sprach sich Frans Stortelder von Vion aus. Selbst vier oder sechs Wochen seien zu kurz für eine vernünftige und sichere Kalkulation für alle Seiten, einschließlich Kontrakte für den Export. In China ist deutsches Fleisch der Mercedes, so Stortelder, aber jeden Mittwoch (wenn der Preis veröffentlicht wird) neu zu reagieren, mache es kompliziert.

Alle Vertreter der Schlachtunternehmen sprachen sich nicht für eine fortschreitende Integration als solche, aber für eine stärkere Zusammenarbeit mit den Schweinehaltern und eine Vernetzung innerhalb der Branche aus. Die Schweinehaltung wird nicht denselben Weg wie der Geflügelbereich gehen, jedoch sollten Landwirte und Schlachter sich gemeinsam gegen den Druck von oben wehren, um der internationalen Konkurrenz aus den USA oder Spanien Paroli bieten zu können, so die Diskutanten einmütig.


v.l.n.r.: Carsten Schruck (Westfleisch), Frans Stortelder (Vion), Dr. Ludger Schulze Pals (Chefredakteur top agrar), Josef Tillmann (Tönnies) und Heinrich Dierkes

v.l.n.r.: Carsten Schruck (Westfleisch), Frans Stortelder (Vion), Dr. Ludger Schulze Pals (Chefredakteur top agrar), Josef Tillmann (Tönnies) und Heinrich Dierkes

Das Schwein ist kein Ei

Während überall lautstark mehr Tierwohl gefordert wird, verramschen heimische Supermärkte das Fleisch auf einem Niedrigniveau. Der eigentliche Preisdiktator sitzt sogar in China, Hauptabnehmer für die in Deutschland ungeliebten Teilstücke. Hinzu kommen gesetzliche Vorgaben wie der Kastrationsverzicht, für den es bisher noch keine praktikable und finanzierbare Lösung gibt. Wer soll die gewünschten Tierwohlmaßnahmen also bezahlen, fragte Matthias Quaing in die Runde.
Keines der Schlachtunternehmen tat sich daraufhin als Eberkönig hervor, auch der Exportmarkt für Eberfleisch sei beschränkt. Wir müssen aufpassen, dass wir uns mit der Vorreiterrolle, die Deutschland hat, nicht aus dem internationalen Markt rauskegeln, warnte Tillmann. Die beste Lösung sei der angestrebte 4. Weg, eine vom Landwirt durchgeführte lokale Betäubung. Wir wollen nicht darüber nachdenken was passiert, wenn der 4. Weg nicht zum Erfolg führt, so Schruck. Politische Unterstützung auf diesem Weg zum Kastrationsverzicht sieht Dierkes eher nicht, hier werden zu häufig Parolen bedient und die Augen vor Problemen verschlossen. Angesichts der Tatsache, dass ein Schwein - anders als es beim Ei der Fall ist -, zu vielen Produkten verarbeitet wird und damit an verschiedenste Abnehmer vermarktet werden muss, resümierte Dierkes.: Der Politik zu erklären, dass ein Schwein kein Ei ist, scheint außerordentlich schwierig.

 

Mehr Geld für 4x D?

Wie also werden die Mehrkosten später bezahlt, können Sie sich Zuschläge für 4x D vorstellen?, wandte sich Schulze Pals an die Diskussionsteilnehmer. Verhaltenes Schweigen an den Stehtischen. Den Export interessiert 4x D nicht, meint Tillmann. Stortelder ergänzt: Das wird nicht so einfach, wir müssen zusammen mit dem LEH Lösungen erarbeiten. Gutes Marketing sehen deshalb alle Vertreter als wichtiges Instrument für die zukünftige Vermarktung. Konsumenten sind irrationale Käufer, die Sachen kaufen, die sie haben wollen. Warum bezahlt man 9 Euro für Katzenfutter, aber nicht einen Euro mehr für ein Tierwohllabel?, fragte Stortelder. Bestes Beispiel sei das Unternehmen Apple, das bei den Konsumenten eine Gier nach immer neuen Produkten wecke.

 

Gegenwind lässt Flieger steigen

Zum Ende der Diskussion machten die Schlachthofvertreter klar, dass jetzt nicht die Zeit für Resignation sei. Sie dürfen auf Ihre Arbeit stolz sein. Wenn wir keinen Optimismus hätten, können wir gleich nach Hause gehen, so Schruck. Auch Tillmann glaubt an den deutschen und den europäischen Markt. Deutschland wird auf den zukünftigen Weltmärkten mitspielen, wir dürfen uns aber nicht mit überzogenen Forderungen herauskatapultieren. Stortelder gewinnt dem derzeitigen Druck gar etwas Positives ab: In Holland sagen wir, Gegenwind lässt den Flieger steigen.

 

Weitere Berichte zur Mitgliederversammlung lesen Sie im nächsten Mitgliederrundbrief.


ISN-Mitgliederversammlung: Perspektive und Planungssicherheit als Voraussetzung für eine erfolgreiche zukünftige Schweinehaltung

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