Tierschutzgesetz: Bundesregierung lehnt Änderungsempfehlungen der Länder zum Schwanzkupieren ab
Der Bundesrat hat vor der Sommerpause ausführlich zum Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetz Stellung genommen. Er kritisierte u.a. zusätzliche Dokumentationspflichten zum Schwanzkupieren und fordert EU-weite Regelungen. In einer Gegenäußerung hat die Bundesregierung die Kritik nun zurückgewiesen und unter anderem erklärt, dass sie den Vorschlägen der Länderkammer zum Schwanzkupieren nicht folgen will.
ISN: Die Ignoranz der Bundesregierung ist unerträglich. Die Neuregelungen zum Schwanzkupieren im Tierschutzgesetz werden in dieser Form massiv zum Austausch deutscher Ferkel durch den Ferkelimport führen. Der Bundestag muss diesen Gesetzeswahnsinn stoppen.
Vor der Sommerpause hat sich der Bundesrat in seiner Sitzung am 05.07.2024 mit dem Tierschutzgesetz befasst. Dabei hat die Länderkammer ausführliche Empfehlungen zum Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes formuliert. In der Stellungnahme spricht sie sich unter anderem dafür aus, den bestehenden Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht in das Tierschutzgesetz aufzunehmen und für ein europäisches Vorgehen zu sorgen, statt auf nationale Verschärfungen zu setzen. Auch zusätzliche Dokumentationsplichten zum Schwanzkupieren werden ausdrücklich kritisiert.
Wörtlich heißt es in den Empfehlungen: Die vom Bund geforderten Dokumentationspflichten hinsichtlich Risikoanalyse, -bewertung und Reduktionsstrategie sind praxisfremd und würden die Betriebe massiv überfordern. Z. B. ist es völlig unmöglich, den Zeitpunkt des Auftretens von Ohr- oder Schwanzverletzungen exakt zu erheben. Zudem würde es zu einer erheblichen Benachteiligung (Wettbewerbsverzerrung) der deutschen Schweinehalter innerhalb des EU-Binnenmarktes führen, (…).
Bund will Empfehlungen zum Schwanzkupieren nicht unterstützen
In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung Landwirtschaft (BMEL) mit einer Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrats reagiert. Demnach stimmt die Bundesregierung einem Teil der Vorschläge des Bundesrates grundsätzlich zu. Andere werden wiederum nicht unterstützt, so auch die von der Länderkammer geforderten Änderungen zu den Anforderungen an das Schwanzkupieren. So heißt es in der Gegenäußerung, die vorgeschlagenen Regelungen seien weder bestimmt genug, um einen einheitlichen Vollzug zu ermöglichen, noch um Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen.
Zudem wären die Tierhalter bei Nichterfüllung der Voraussetzungen nach dem Vorschlag des Bundesrates zu einer sofortigen Umstellung auf die Haltung von Schweinen mit ungekürzten Schwänzen gezwungen. Die im Gesetzesentwurf enthaltenen Regelungen entsprächen hingegen weitestgehend dem Aktionsplan Kupierverzicht inklusive große Teile der enthaltenen Dokumentationspflichten und ermöglichten eine Reduktionsstrategie für die Tierhalter.
Die ISN meint:
Die Ignoranz, welche die Bundesregierung nun auch gegenüber den Empfehlungen des Bundesrates an den Tag legt, ist unerträglich. Dass man den Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht gesetzlich verankern will, mag man nachvollziehen. Darzustellen, dass die neuen Regelungen weitestgehend dem Aktionsplan entsprechen, ist schlicht unredlich! Was man nun im Entwurf des Tierschutzgesetzes widerfindet, ist eine Verschärfung des Aktionsplans und eine Vervielfältigung der Dokumentation – ein riesiges Bürokratiemonster wird geschaffen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man hier nicht den europäischen Gleichschritt sucht und wieder einmal im nationalen Alleingang vorpreschen will.
Besonders problematisch ist die strikte gesetzliche Festlegung des maximalen Anteils des Schwanzes, der gekürzt werden darf (maximal ein Drittel). Mit dieser weitreichenden starren Vorgabe werden lediglich die deutschen Ferkelerzeuger, nicht aber die Importferkel reglementiert. In der Folge rechnen wir – gerade auch durch den Zusammenfall mit der ohnehin schon schwierig umzusetzenden neuen Vorgaben der Tierschutznutztierhaltungsverordnung – mit einem möglichen schnellen Austausch von deutschen Ferkeln gegenüber Importferkeln in der Größenordnung von bis zu 10 Mio. Stück. Das entspricht einem Viertel der hiesigen Ferkelerzeugung. Tierschutz sieht anders aus – deshalb fordern wir die Abgeordneten des Bundestages auf, diesen Gesetzeswahnsinn der Bundesregierung zu stoppen.