Verbindliche Haltungskennzeichnung ohne Gastronomie? – ISN: Undurchdachtes Stückwerk!
Cem Özdemir will 2022 konkrete Pläne für eine verbindliche Haltungskennzeichnung vorlegen - jedoch scheinbar ohne den Gastronomiebereich. ©Canva, Sedat Mehder, www.haltungsform.de, www.tagesschau.de
Die Schweinehalter kommen aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Nachdem die Bundesregierung die Herkunftskennzeichnung für Fleisch nach Brüssel abgeschoben hat und weiterhin klare Aussagen zur Tierwohl-Finanzierung vermissen lässt, kommt nun der nächste Schlag: konkrete Pläne für eine verbindliche Haltungskennzeichnung sollen zwar noch dieses Jahr kommen, jedoch scheinbar ohne den Gastronomiebereich.
ISN: Ernsthaft? Die bisherigen Pläne des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir entpuppen sich immer mehr als ein undurchdachtes Stückwerk. So wird das nichts mit dem Gesamtkonzept! Herr Özdemir wird sich jetzt klarer und eindeutiger positionieren müssen. Die Schweinehalter brauchen nämlich endlich Perspektive und Planungssicherheit.
Mehr Tierwohl, mehr Umweltschutz und die finanzielle Unterstützung der deutschen Landwirtinnen und Landwirte beim Umbau ihrer Ställe – das hat sich die neue Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. Doch die Koalition des Aufbruchs entwickelt sich immer mehr zur Koalition des Abbruchs. Statt konkreter Pläne, bleiben die Aussagen sowohl im Koalitionsvertrag als auch in allen Auftaktrunden des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir vage. Auch eine Recherche des Norddeutschen Rundfunks (NDR), wie neue Ställe und mehr Platz in der Schweinehaltung konkret finanziert werden sollen, bringt keine Antworten der Politik zu Tage.
Verbindliche Haltungskennzeichnung nur für den Handel?
Auf Nachfrage des NDR gibt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) nur an, dass die Investitionsförderung künftig auf gute Haltungsbedingungen ausgerichtet werden soll. Das Ministerium wolle ein Finanzierungssystem entwickeln, um die Betriebe verlässlich zu unterstützen. Zu den Einzelheiten könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen treffen, berichtet heute die Tagesschau. Einzig die Einführung einer verbindlichen Haltungskennzeichnung nennt Özdemir als konkrete Maßnahme. Wer Wert auf Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren lege, der solle das künftig auch können, so Özdemir; das Geld, was mehr bezahlt werde, solle dann wiederum bei den Landwirten landen. Nach Information des NDR will das BMEL den Gastronomiebereich dabei scheinbar ausklammern. Das geplante staatliche Label soll zunächst nur im Handel gelten, nicht in der Gastronomie.
Wissenschaft: Kennzeichnung reicht für Finanzierung nicht aus
Doch reicht die Einführung eines gesetzlichen Labels aus, um die geforderten Veränderungen der Schweinehaltung zu finanzieren? Laut Agrarwissenschaftler Achim Spiller von der Universität Göttingen eindeutig nicht. Konkret bezeichnet Spiller es sogar als Gefahr, wenn der Staat nur auf den Markt - also auf Verbraucher und Händler - setzen würde und fordert ergänzend zu einer verbindlichen Haltungskennzeichnung eine sogenannte Tierwohlabgabe von etwa 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Das Geld aus dieser Verbrauchssteuer solle direkt an die Landwirte weitergegeben werden, so Spiller.
Die ISN meint:
So langsam muss man sich die Frage stellen, ist das noch Ernst oder schon Satire? Die bisherigen Pläne des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir entpuppen sich immer mehr als ein undurchdachtes Stückwerk. Die für deutsche Schweinehalter so wichtige Herkunftskennzeichnung wird in einen langen Abstimmungsprozess nach Brüssel geschickt – mit ungewissem Ausgang. Erst zum Ende des Jahres soll geklärt werden, wie der Umbau der Tierhaltung finanziert werden soll. Und jetzt das! Die Haltungskennzeichnung wird buchstäblich filetiert
, zeigt sich ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack enttäuscht. Dabei ist gerade der Gastronomie- und Großverbraucherbereich, den man nun bei der Kennzeichnung außen vor lassen will, doch der entscheidende in Bezug auf eine Haltungskennzeichnung. Gerade da landet doch die anonyme Ware, bei der nicht ersichtlich ist, woher sie kommt und unter welchen Bedingungen sie erzeugt wurde. Also genau die Ware, von deren Produktionsbedingungen man sich hierzulande absetzen will. So wird das nichts mit dem Gesamtkonzept!
Weiter erläutert Staack: Die verbindliche Haltungskennzeichnung reicht ausdrücklich nicht zur Finanzierung. Es gibt genügend wissenschaftliche Expertise von neutraler Stelle, die belegt, dass weder die Investitionskosten für die neuen Ställe, noch die laufenden Kosten für die politisch angestrebten Haltungsformen durch die Bauern und den Markt alleine zu stemmen sind. All die schönen Sonntagsreden des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir zum Erhalt der bäuerlichen Existenzen auf den Betrieben sind unehrlich, wenn so gehandelt oder eben nicht gehandelt wird, wie jetzt. Denn gerade diese bäuerlichen Existenzen gehen zuerst verloren. Herr Özdemir wird sich jetzt klarer und eindeutiger positionieren müssen, sonst benachteiligt er deutsche Bauern im europäischen Wettbewerb massiv! Und er wird sich auch der Frage stellen müssen, worum es hier wirklich geht - Um den Umbau der Tierhaltung oder etwa doch um den Zwangsverzicht auf Fleisch?
TV-Tipp: Heute Abend bei Panorama – Die Reporter Das Ende des Schnitzels?
Um 21:15 Uhr läuft heute Abend in der NDR die Sendung Panorama – die Reporter
. Die komplette Sendung wird sich um die Schweinehaltung drehen und um die Frage, woher das Geld für eine bessere Schweinehaltung kommen soll. Produzentin des Beitrags, Oda Lambrecht, hat dafür unter anderem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf den Zahn gefühlt und eine Schweinehalterin bei der Arbeit in ihrem Betrieb begleitet.