Wohin geht die Reise bei der Haltung von Sauen und Mastschweinen?
Haltungssystem Schwein – wohin geht die Reise in der Sauenhaltung und Schweinemast?
– Das war das Thema, dem sich Bernhard Feller, Referent für Haltungsverfahren, Technik und Bauen in der Schweinehaltung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Rahmen des ISN-Dialogforums am 21. Juni in Münster gestellt hat. Wir haben ihn im Nachgang gebeten, fünf zentrale Fragen dazu zu beantworten.
Herr Feller, die meisten Sauenhalter in Deutschland müssen durch die Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltung erheblichen und sehr teure Anpassungen im Deckzentrum und Abferkelbereich umsetzen, wenn Sie weiter Sauen halten wollen. Spätestens Anfang Februar müssen sie ein Umbaukonzept vorlegen. Was bedeutet das und was muss dieses Konzept umfassen?
Feller: Bis zum 09. Februar 2024 muss von jedem Sauenhalter ein Betriebs- und Umbaukonzept erstellt und bei der Veterinärbehörde eingereicht werden. Alternativ kann auch die Aufgabe der Sauenhaltung erklärt werden. Wird zum Februar 2024 die Aufgabe der Sauenhaltung erklärt, dürfen noch bis zum Februar 2026 Sauen auf dem Betrieb gehalten werden, danach ist die Sauenhaltung aufzugeben.
Das Betriebs- und Umbaukonzept ist zunächst an keine bestimmte Form gebunden, wenngleich auf der Internetseite des Friedrich-Löffler-Instituts und von einigen Landkreise hierzu auch Vorlagen angeboten werden. Es soll im Konzept beschrieben werden, wie die Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) nach dem Februar 2029 im Deckzentrum eingehalten werden. Der wesentliche Punkt ist zunächst die Gruppenhaltung nach dem Absetzen der Sauen und die dafür erforderliche Flächenvorgabe von mindestens fünf Quadratmetern pro Sau. Diese Forderungen können dadurch erklärt werden, dass innerhalb bestehender Gebäude weniger Tiere aufgestallt, und so die Flächenvorgaben erfüllt werden. Oder es wird die vorhandene Gebäudekapazität durch neue Gebäude, Anbauten oder Ausläufe erweitert. In diesem Falle wäre eine Baugenehmigung erforderlich. Wenn eine Baugenehmigung erforderlich wird, muss der Bauantrag bis spätestens Februar 2026 bei den Baugenehmigungsbehörden eingereicht werden.
Das Konzept sollte die Tierplatzzahlen im zukünftigen Deckzentrum, die uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche je Tier und die Form der Haltung beinhalten. Aussagen zur Anordnung der 1,3 m² Liegefläche, zur Strukturierung der Buchten in Liege-, Fress- und Aktivitätsbereiche sind sinnvoll. Ebenso eine Beschreibung von Rückzugsmöglichkeiten durch Trennwände und ähnlichem.
Wichtig ist auch eine Aussage zur Aufstallung der Zuchtläufer, die zur Belegung bestimmt sind. Auch diese Tiere müssen die Vorgaben für abgesetzte Sauen erfüllen.
Zu bedenken ist auch, dass alle Sauen nach dem Absetzen grundsätzlich in Gruppen zu halten sind. Bis zur ersten Besamung gelten die Haltungsvorgaben für das Deckzentrum, ab der ersten Besamung sind mindestens die Vorgaben für die Gruppenhaltung von Sauen und Jungsauen im Wartestall hinsichtlich Flächenanspruch und Laufgangbreiten einzuhalten.
Das Konzept für die Umsetzung der neuen Vorgaben im Abferkelstall muss erst im Februar 2033 vorgelegt werden. Trotzdem empfiehlt es sich schon jetzt Gedanken über ein Gesamtkonzept für die Sauenhaltung des Betriebes zu machen.
Was bedeuten die neuen Vorgaben für die Sauenhalter?
Feller: Die Einhaltung der Vorgaben der TierSchNutztV werden erhebliche Änderungen im Haltungskonzept mit abgesetzten Sauen mit sich bringen und auch produktionstechnisch die Tierhalter herausfordern. Die Kosten sind immer betriebsindividuell zu ermitteln. Wird der Bestand abgestockt, und die Flächenvorgaben zum Beispiel durch die Demontage von bisher vorhandenen Besamungsbuchten erfüllt, sind zwar die Investionskosten eher gering, aber durch den geringeren Tierbestand den dadurch erlittenen Verlust an Direktkostenfreier Leistung doch erheblich. Ist ein Neu- oder Anbau erforderlich, belaufen sich die Investitionskosten schnell auf 4.000 bis 4.500 Euro je neugebauten Deckzentrumsplatz.
Die erforderlichen Neu- und Umbauten sind zwar grundsätzlich genehmigungsfähig. Auch BImSchG-Anlagen ohne ausreichende Futterfläche können nach der Änderung des §245 des Baugesetzbuches zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der TierSchNutztV eine Genehmigung beantragen. Ob die Genehmigung dann auch aus umweltrechtlichen Vorgaben erteilt werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Wir sollten die Sauenhalter Ihrer Meinung nach vorgehen? Schnell umbauen oder lieber abwarten? Welche Rolle spielt dabei die in Aussicht gestellte Bundesförderung?
Feller: Wenn die Mehrkosten durch den Umbau des Deckstalles durch einen höheren Ferkelerlös umgesetzt werden können, kann auch schnell umgebaut werden. In den meisten Betrieben wird dies aber nicht der Fall sein. Also werden die Vorgaben erst relativ nah zum Stichtag Februar 2029 umgesetzt werden. Ob die in Aussicht gestellte Bundesförderung zum Umbau der Tierhaltung auch tatsächlich für den Umbau des Deckstalles und des Abferkelstalles in Anspruch genommen werden können, ist überhaupt noch nicht klar. Auch dann werden ja bis 500.000 Euro Investitionskosten mit einem Fördersatz von 60% bezuschusst – das heißt, 40% der Investitionskosten sind immer noch vom Betrieb zu finanzieren. Und geht die Investitionssumme darüber hinaus, ist der vom Betrieb zu tragende Anteil der Investitionskosten noch höher. Hinzu kommt, dass BImSchG-Betrieben ohne Futterfläche keine Aufstockung möglich ist - bei Baurechtsbetrieben immerhin bis 250 Sauen und 2.000 Ferkelaufzuchtplätzen.
Für die Mast sind die Eckpunkte des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes inzwischen weitestgehend klar. Politisch sind Ställe mit Außenklima gewollt. Auch eine Reihe der Lebensmitteleinzelhändler hat seine Ziele entsprechend formuliert. Ist der Umbau eines nennenswerten Teils der bestehenden Ställe mit Außenklima überhaupt möglich und wie müssen diese Ställe dann aussehen?
Feller: Der Umbau von Warmställen hin zu Ställen mit Auslauf oder zu Frischluftställen ist grundsätzlich möglich. Die Frage bleibt aber, mit welchem Aufwand kann der Umbau erfolgen und wie funktionssicher ist ein solcher Stall anschließend. Wieviel Kompromiss kann eingegangen werden, um haltungstechnisch, aber auch arbeitswirtschaftlich nicht das Ideal zu erreichen. Jeder Kompromiss wird verfahrenstechnisch die Kosten nach oben treiben. Ob der Umbau zu einem Frischluftstall oder der Anbau eines Auslaufes in jedem Fall auch immissionsrechtlich umsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Nicht in jedem Stall können ganze Wände herausgenommen werden, um einen Frischluftstall zu generieren, der Anbau eines Auslaufes wird für Warmställe schon eher eine Lösung sein. Dies wird aber einen deutliche Änderungen hinsichtlich Gruppengrößen, Fütterungskonzepten und Aufstallung haben.
Der Um- oder Neubau eines Tierwohlstalles ist teuer. Am Ende müssen sich die Ställe wirtschaftlich tragen. Können Sie etwas zu den Kosten und auch an dieser Stelle zur Bedeutung der Bundesförderung sagen?
Feller: Auf der einen Seite stehen die harten Kosten für die notwendigen Investition des Umbaus oder des Neubaues, auf der anderen Seite sind es aber gerade die weichen
Kosten wie Arbeit, Änderungen bei der Futterverwertung und Tageszunahmen, die es zu betrachten gilt. Bei Umbauten hat es sich in der Vergangenheit oft gezeigt, dass die Landwirte sehr erfinderisch sind, die Kosten gering zu halten. Aber die Vorgaben hinsichtlich Umwelt- und Gewässerschutz setzen schon eine hohe Hürde in der Umsetzbarkeit und auch Grenzen im Bereich Eigenleistung. Gerade beim Bau von Bodenplatten, Gülle- oder Mistkanälen und Lagerplatten sind zugelassene Fachunternehmer und Baustoffe gefordert. Die Bundesförderung zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung in der bisher bekannten Fassung (Juni 2023) gibt für die Haltungsformen Frischluftstall und Auslauf/Weide oder Bio schon eine ordentliche Summe Fördermittel. Gedacht sind 60% Förderung bis zu einem Invest von 500.000 €; 50% Förderung bei einer Investitionssumme von 500.000 bis 2.000.000 € und darüber hinaus bis 5.000.000 € noch mal 30% Förderung. Allerdings stehen für die Investitionsförderung und die Förderung der laufenden Mehrkosten insgesamt nur 1 Mrd. € Fördermittel für die Jahre 2024 bis 2027 zur Verfügung. Das ist nicht unbedingt viel, angesichts des Umfangs er erforderlichen Um- oder Neubauten. Die trotz Förderung anfallenden Mehrkosten müssten vom Lebensmitteleinzelhandel aufgefangen werden. Ob das gelingt, bleibt eine spannende Frage.