Schweinehaltung in Deutschland: Miese Stimmung trotz guter Preise
Die Ferkel- und Schweinepreise entwickeln sich erfreulich. Nach langer Preiskrise können die Schweinehalter in 2017 endlich wieder schwarze Zahlen schreiben. Man könnte meinen, die Stimmung auf den Höfen hat sich spürbar verbessert. Doch weit gefehlt: Auf vielen Betrieben herrscht Frust und Perspektivlosigkeit!
Zunehmende Kosten verschärfen Schweinezyklus
Strukturwandel ist nicht neu. Schweinehalter wissen, auf schlechte Jahre folgen immer wieder gute Jahre. Der typische Schweinezyklus nimmt seinen Lauf. Was die Situation in den vergangenen Jahren jedoch dramatisch verschärft hat, sind die steigenden Kosten im Inland bei gleichzeitig hohem Konkurrenzdruck aus dem europäischen Ausland. Gruppenhaltung bei tragenden Sauen, neue Liegeflächen und Spaltenböden, Luftwäscher, Medikamentenminimierung usw. Das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Während die Schweinepreise seit über zwei Jahrzehnten im Mittel der Jahre kaum gestiegen sind, haben sich die Kosten spürbar erhöht.
Sauenhaltung wandert ab
Kein Wunder, dass kleine Betriebe aussteigen und der Trend zu immer größeren und spezialisierten Betrieben geht. Gleichzeitig wandert gerade die Sauenhaltung zunehmend aus Deutschland ab. Mehr als jeder zweite Sauen haltende Betrieb hat die Landwirtschaft oder zumindest diesen Betriebszweig in den vergangenen zehn Jahren aufgegeben. Der Rückgang der Zuchtsauenbestände in Deutschland wurde durch eine Steigerung der Bestände im EU-Ausland mehr als wettgemacht. Mehr als 11 Mio. Ferkel werden jährlich allein aus Dänemark und den Niederlanden importiert. Hinzu kommt, dass Spanien auf den Fleischmärkten zunehmend als Konkurrent in Erscheinung tritt. Allein in den vergangenen fünf Jahren wurden die in Deutschland reduzierten Sauenplätze (ca. 138.000 Plätze) in gleicher Anzahl in Spanien wieder neu in Betrieb genommen.
Frust macht sich breit
Dass die Stimmung auf den Höfen gegen Null tendiert, ist darüber hinaus auch eine Folge der andauernden negativen Berichterstattungen über die konventionelle Schweinehaltung. Diese Situation nagt am Selbstwertgefühl der gesamten Familie. Oft sind Kinder und Ehepartner noch viel stärker von der Pauschalkritik getroffen als die Betriebsleiter selbst. Die Angst vor selbsternannten Tierrechtlern, die nachts in den Ställen ihr Unwesen treiben und unschuldige Betriebe im Internet und in der Presse an den Pranger stellen, ist allgegenwärtig.
Ausweg Tierwohlstall?
Sollte also doch die persönliche Agrarwende
das Ziel für jeden Betrieb sein? Sollten Ställe umgebaut und die Bewirtschaftung umgestellt werden? Im Einzelfall mag das eine gute Entscheidung sein, aktuell gibt es jedoch nur in sehr geringem Umfang Tierwohl- oder Regionalprogramme, die den Landwirten langjährige und gesicherte Lieferverträge anbieten. Lebensmittelhändler scheuen sich scheinbar, jegliches Risiko zu übernehmen. Auch weil sie die Erfahrung machen mussten, dass der Verbraucher in erster Linie preisbewusst einkauft. Das klägliche Dahinsiechen des einst ambitioniert gestarteten Labels des deutschen Tierschutzbundes macht das mehr als deutlich. Der Marktanteil sowohl von Bio-Schweinefleisch als auch von hochpreisigen Tierwohllabeln liegt nach wie vor im unteren Promille-Bereich. Für die allermeisten Landwirte bleibt also auch zukünftig der konventionelle Markt die Vermarktungsform der Wahl.
Bürokratie macht Entwicklung unmöglich
Kastenstände, Ferkelkastration und Emissionsschutz: Bei allen Themen stehen noch viele Fragezeichen im Raum: Wie dürfen Sauen im Deckzentrum in Zukunft gehalten werden? Wie kann ein Betrieb seinen Stall hin zu mehr Tierwohl umbauen, wenn die Genehmigungsbehörden jede Änderung aus Emissions- oder Immissionsschutzgründen ablehnen bzw. Genehmigungsverfahren so teuer und langwierig sind, dass sie sich schlicht nicht rechnen? Ein Dilemma, in dem sich viele Betriebe befinden. Da verwundert es wenig, dass viele Betriebsleiter und ihre Familien trotz der aktuell guter Preise die Nase voll haben, sich nach Alternativen umschauen und den Betrieb einstellen. Die wirtschaftlichen aber auch sozialen Folgen für den ländlichen Raum werden erst in einigen Jahren zu erkennen sein.
Die ISN meint:
Die Forderung an die Politik aber auch an die Parteien, die aktuell ihre Parteiprogramme erstellen kann nur lauten: Schaffen Sie kalkulierbare, faire und vergleichbare Rahmenbedingungen in einem offenen EU-Binnenmarkt. Schaffen Sie Perspektiven. Denn ohne Perspektiven keine landwirtschaftlichen Betriebe – und ohne landwirtschaftliche Betriebe keine vor- und nachgelagerte Unternehmen und damit Wirtschaftskraft im ländlichen Raum.