Page 132 - archiv_2021
P. 132
unter bestimmten Bedingungen wieder geöffnet oder es wurden liegt es nahe, dass die Hauspreise der nächste Schritt
Öffnungen angekündigt. Auch im Bereich Veranstaltungen kommen - sind, um die Erzeugerseite zu verunsichern. So soll den
allen voran in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen - zu erwartenden Preissteigerungen vorsorglich der Wind
deutliche Lockerungen. Diese stetigen Öffnungsschritte dürften auch aus den Segeln genommen werden – das ist ein
für Impulse am Fleischmarkt sorgen, denn der Außer-Haus-Verzehr Unding“, so Quaing. „Und noch eine Vermutung drängt
(hierzu zählen neben der Gastronomie auch noch andere Bereiche, sich auf“, sagt Quaing. „Nämlich dass mit den
wie z.B. Kantinen oder der Verzehr auf Festveranstaltungen) macht Hauspreisen ein weiteres Druckmittel gezogen wird, um
normalerweise rund ein Drittel des gesamten deutschen noch nicht gebundene freie Schweine in feste
Schweinefleischabsatzes aus. Lieferverträge zu drängen. Denn genau die werden mit
Läger (gemeint sind die Läger der Restaurants, Kantinen usw.), die den Hauspreisen getroffen und nicht die Schweine,
monatelang leer waren, müssen nun wieder aufgefüllt werden. deren Abrechnungsbasis im Rahmen der Lieferverträge
Außerdem bringen die höheren Temperaturen nun endlich auch der VEZG-Preis ist.“
Schwung in die Grillsaison. Schlachtunternehmen klagen jedoch, dass Deutscher Schweinepreis deutlich zu niedrig
der Fleischmarkt hinter der erhofften Nachfrage zurückbleibe. So Auch im internationalen Vergleich liegt der deutsche
wollen die drei führenden Schlachtunternehmen den Notierungs- Schweinepreis am unteren Ende. Zwar ist die Situation
anstieg daher nicht mittragen und für frei vermarktete Schweine mit den europäischen Nachbarn nicht eins zu eins
weiterhin den Basispreis von 1,54 €/kg der Vorwoche zahlen.
vergleichbar, weil diese weiterhin vom Drittlandsexport
Kleines Angebot an Schlachtschweinen profitieren können, dennoch geben die Abstände zu den
Diese Hauspreise stehen momentan im Raum, obwohl das Angebot anderen Notierungen eine ungefähre Vorstellung
am Lebendmarkt derzeit sehr begrenzt ist. Im Durchschnitt der letzten davon, wie der deutsche Markt im Vergleich dasteht: Zu
5 Wochen lag die Zahl der wöchentlichen Schlachtungen bei gerade Frankreich beträgt der Abstand 24 Cent, zu Dänemark
einmal 825.000 Schweinen. Im vorletzten Jahr lag diese Zahl für den sind es 27 Cent und zu Spanien sogar ganze 53 Cent.
gleichen Zeitraum noch bei 884.000 Schweinen/Woche. Das Angebot Auch in den USA liegen die Preise derzeit über der 2 €-
liegt nun also ca. 7 % darunter. (Mit den Zahlen aus 2020 sind sie nicht Marke. Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der
vergleichbar, da es große coronabedingte Kapazitätseinschränkungen Erzeuger in Deutschland ergänzt Klaus Kessing: „Bei
bei Westfleisch in Coesfeld gab - trotzdem waren es da noch 845.000 den aktuell steigenden Kosten in allen Bereichen –
Schweine/Woche). Gründe dafür sind die stark rückläufige insbesondere beim Futter - kann momentan kaum ein
Ferkelproduktion in Deutschland sowie geringere Ferkelimporte aus deutscher Schweinehalter kostendeckend arbeiten.
den Niederlanden und Dänemark wegen des Schweinestaus und der Dass die Schlachtunternehmen ihre Marge ausschließ-
ASP inklusive lang anhaltender Niedrigpreise bei großen Kosten- lich auf Kosten der Erzeuger aufrechterhalten wollen, ist
steigerungen. Trotz des geringen Angebotes an schlachtreifen nicht die partnerschaftliche Zusammenarbeit, von der
Schweinen waren Preissteigerungen in den letzten Monaten aber nur sie immer sprechen. Natürlich wissen wir, dass die
in einem kleinen Maß realisierbar, da wegen des Lockdowns und des Kosten in den Schlachtunternehmen besonders in
fehlenden Grillwetters die Impulse für die Fleischnachfrage fehlten. letzter Zeit durch die Abschaffung der Werkverträge,
Mindestlöhne, Hygienemaßnahmen und Impfungen
Hauspreise aus taktischen Gründen? gegen Corona deutlich gestiegen sind. Auch dass durch
Durch die jüngsten Corona-Lockerungen bei besserem Wetter dürfte
die Nachfrage am Fleischmarkt einen ordentlichen Schub erhalten die ASP und die Sperrung der Drittlandsmärkte weniger
haben. Trotzdem sträuben sich die führenden Schlachtunternehmen Umsätze im Export generiert werden können, ist klar –
in diesem Zusammenhang ist übrigens auch die Politik
gegen die moderate Preiserhöhung der VEZG von 3 Cent, indem sie
für frei vermarktete Schweine weiterhin den alten Basispreis von bei der Verhandlung von Regionalisierungsabkommen
1,54 €/kg SG zahlen. ISN-Marktanalyst Klaus Kessing kommentiert z. B. mit China, Südkorea oder Japan gefragt. Um aber
auf die Verteilung innerhalb der Kette zurück-
dies: „Wir sehen Corona-Lockerungen kombiniert mit besserem Wetter
und einem sehr übersichtlichen Angebot an Schlachtschweinen. Da zukommen: Es ist zu beobachten, dass diese immer
mehr ins Ungleichgewicht gerät. Dass die unwirt-
muss der eher moderate Notierungsanstieg von gerade einmal 3 Cent
doch wohl wenigstens machbar sein.“ Der ISW-Geschäftsführer schaftliche Situation in der deutschen Schweinehaltung
Matthias Quaing wittert gar taktische Manöver hinter den Hauspreisen, langfristig in einem weiteren Bestandsabbau mündet,
nehmen die Schlachtunternehmen dabei billigend in
um weitergehende Preissteigerungen auszubremsen. „Schon am
Dienstagmorgen vor der Auktion der Internet Schweinebörse der ISN Kauf.“
wurden von einem großen Schlachtunternehmen Partien abbestellt,
um diese Mengen dann am Nachmittag direkt wieder zu ordern. Da
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Der Inhalt dieses Marktberichts ist urheberrechtlich geschützt. Meldungen und Nachrichten erfolgen nach bestem Gewissen, aber ohne Gewähr. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist
eine Verwertung ohne Einwilligung strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen (per Fax, Fotokopie, etc) auszugsweisen Nachdruck, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Rechte sind vorbehalten. Fotokopien für den persönlichen Gebrauch bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung.