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unter  bestimmten  Bedingungen  wieder  geöffnet  oder  es  wurden   liegt es nahe, dass die Hauspreise der nächste Schritt
          Öffnungen angekündigt. Auch im Bereich Veranstaltungen kommen -   sind, um die Erzeugerseite zu verunsichern. So soll den
          allen  voran  in  Baden-Württemberg,  Rheinland-Pfalz  und  Hessen  -   zu erwartenden Preissteigerungen vorsorglich der Wind
          deutliche Lockerungen. Diese stetigen Öffnungsschritte dürften auch   aus  den  Segeln  genommen  werden  –  das  ist  ein
          für Impulse am Fleischmarkt sorgen, denn der Außer-Haus-Verzehr   Unding“, so Quaing. „Und noch eine Vermutung drängt
          (hierzu zählen neben der Gastronomie auch noch andere Bereiche,   sich  auf“,  sagt  Quaing.  „Nämlich  dass  mit  den
          wie z.B. Kantinen oder der Verzehr auf Festveranstaltungen) macht   Hauspreisen ein weiteres Druckmittel gezogen wird, um
          normalerweise  rund  ein  Drittel  des  gesamten  deutschen   noch  nicht  gebundene  freie  Schweine  in  feste
          Schweinefleischabsatzes aus.                               Lieferverträge zu drängen. Denn genau die werden mit
          Läger (gemeint sind die Läger der Restaurants, Kantinen usw.), die   den  Hauspreisen  getroffen  und  nicht  die  Schweine,
          monatelang  leer  waren,  müssen  nun  wieder  aufgefüllt  werden.   deren Abrechnungsbasis im Rahmen der Lieferverträge
          Außerdem  bringen  die  höheren  Temperaturen  nun  endlich  auch   der VEZG-Preis ist.“
          Schwung in die Grillsaison. Schlachtunternehmen klagen jedoch, dass     Deutscher Schweinepreis deutlich zu niedrig
          der  Fleischmarkt  hinter  der  erhofften  Nachfrage  zurückbleibe.  So   Auch  im  internationalen  Vergleich  liegt  der  deutsche
          wollen  die  drei  führenden  Schlachtunternehmen  den  Notierungs-  Schweinepreis am unteren Ende. Zwar ist die Situation
          anstieg  daher  nicht  mittragen  und  für  frei  vermarktete  Schweine   mit  den  europäischen  Nachbarn  nicht  eins  zu  eins
          weiterhin den Basispreis von 1,54 €/kg der Vorwoche zahlen.
                                                                     vergleichbar, weil diese weiterhin vom Drittlandsexport
          Kleines Angebot an Schlachtschweinen                       profitieren können, dennoch geben die Abstände zu den
          Diese Hauspreise stehen momentan im Raum, obwohl das Angebot   anderen  Notierungen  eine  ungefähre  Vorstellung
          am Lebendmarkt derzeit sehr begrenzt ist. Im Durchschnitt der letzten   davon, wie der deutsche Markt im Vergleich dasteht: Zu
          5 Wochen lag die Zahl der wöchentlichen Schlachtungen bei gerade   Frankreich beträgt der Abstand 24 Cent, zu Dänemark
          einmal 825.000 Schweinen. Im vorletzten Jahr lag diese Zahl für den   sind es 27 Cent und zu Spanien sogar ganze 53 Cent.
          gleichen Zeitraum noch bei 884.000 Schweinen/Woche. Das Angebot   Auch in den USA liegen die Preise derzeit über der 2 €-
          liegt nun also ca. 7 % darunter. (Mit den Zahlen aus 2020 sind sie nicht   Marke.  Mit  Blick  auf  die  wirtschaftliche  Situation  der
          vergleichbar, da es große coronabedingte Kapazitätseinschränkungen   Erzeuger in Deutschland ergänzt Klaus Kessing: „Bei
          bei Westfleisch in Coesfeld gab - trotzdem waren es da noch 845.000   den  aktuell  steigenden  Kosten  in  allen  Bereichen  –
          Schweine/Woche).  Gründe  dafür  sind  die  stark  rückläufige   insbesondere beim Futter - kann momentan kaum ein
          Ferkelproduktion in Deutschland sowie geringere Ferkelimporte aus   deutscher  Schweinehalter  kostendeckend  arbeiten.
          den Niederlanden und Dänemark wegen des Schweinestaus und der   Dass die Schlachtunternehmen ihre Marge ausschließ-
          ASP  inklusive  lang  anhaltender  Niedrigpreise  bei  großen  Kosten-  lich auf Kosten der Erzeuger aufrechterhalten wollen, ist
          steigerungen.  Trotz  des  geringen  Angebotes  an  schlachtreifen   nicht die partnerschaftliche Zusammenarbeit, von der
          Schweinen waren Preissteigerungen in den letzten Monaten aber nur   sie  immer  sprechen.  Natürlich  wissen  wir,  dass  die
          in einem kleinen Maß realisierbar, da wegen des Lockdowns und des   Kosten  in  den  Schlachtunternehmen  besonders  in
          fehlenden Grillwetters die Impulse für die Fleischnachfrage fehlten.   letzter  Zeit  durch  die  Abschaffung  der  Werkverträge,
                                                                     Mindestlöhne,  Hygienemaßnahmen  und  Impfungen
          Hauspreise aus taktischen Gründen?                         gegen Corona deutlich gestiegen sind. Auch dass durch
          Durch die jüngsten Corona-Lockerungen bei besserem Wetter dürfte
          die  Nachfrage  am  Fleischmarkt  einen  ordentlichen  Schub  erhalten   die ASP und die Sperrung der Drittlandsmärkte weniger
          haben. Trotzdem sträuben sich die führenden Schlachtunternehmen   Umsätze im Export generiert werden können, ist klar –
                                                                     in diesem Zusammenhang ist übrigens auch die Politik
          gegen die moderate Preiserhöhung der VEZG von 3 Cent, indem sie
          für  frei  vermarktete  Schweine  weiterhin  den  alten  Basispreis  von   bei der Verhandlung von Regionalisierungsabkommen
          1,54 €/kg  SG  zahlen.  ISN-Marktanalyst  Klaus  Kessing  kommentiert   z. B. mit China, Südkorea oder Japan gefragt. Um aber
                                                                     auf  die  Verteilung  innerhalb  der  Kette  zurück-
          dies: „Wir sehen Corona-Lockerungen kombiniert mit besserem Wetter
          und einem sehr übersichtlichen Angebot an Schlachtschweinen. Da   zukommen: Es ist zu beobachten, dass diese immer
                                                                     mehr  ins  Ungleichgewicht  gerät.  Dass  die  unwirt-
          muss der eher moderate Notierungsanstieg von gerade einmal 3 Cent
          doch  wohl  wenigstens  machbar  sein.“  Der  ISW-Geschäftsführer   schaftliche Situation in der deutschen Schweinehaltung
          Matthias Quaing wittert gar taktische Manöver hinter den Hauspreisen,   langfristig in einem weiteren Bestandsabbau mündet,
                                                                     nehmen  die  Schlachtunternehmen  dabei  billigend  in
          um  weitergehende  Preissteigerungen  auszubremsen.  „Schon  am
          Dienstagmorgen vor der Auktion der Internet Schweinebörse der ISN   Kauf.“
          wurden  von einem  großen  Schlachtunternehmen  Partien abbestellt,
          um diese Mengen dann am Nachmittag direkt wieder zu ordern. Da

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